Seitdem und zuvor
gesamtgrau
Milch, Zwiebel und zwei Äpfel aus dem Keller geholt. Den letzten Carte Noir Cafe, danach nun noch grand mère. ein rotes Hütchen und ein roter regenschirm stehen seit Tagen vor dem Hauseingang. Die Biotonne ist gefüllt mit lauter undurchsichtigen Plastikbeuteln. Morgen ist Müll rausstellen. Ein paar Frauen sind stehengeblieben beim Klavierspiel. ich hör das immer wenn sie leise anfangen zu quatschen wenn das Stück zu ende ist. Wie wenn ich sie zum leise sprechen bringen würde.
Ich habe die Großtat vollbracht zu duschen, heute. ich roch mich nicht mehr. Zehn Tage ist die letzte Dusche bestimmt her. Vorgestern war ich noch ungeduscht aber dick mit frischen Kleidern angezogen und natürlich unter den Armen gewaschen einkaufen gegangen. Ich hatte keine Ahnung wie ich wahrgenommen werde. Ich halte von Natur aus Abstand. Wenn ich mich nähere, dann weil ich es zulasse.
Ich schüttele fünf mal das Bett auf, nächtlich oder täglich. Mein teurer Haarfestigerschaum aus dem Ausverkauf des Kaufhofs geht zur Neige. Er hat so schöne stabile Locken gemacht mit meinem dünnen Haar, fast wie auf einem alten Gemälde, es hat nun die Länge der gesamten Pandemie bis heute.
Ich habe ein Uraltschlafmittel ausgekramt. Abfallfunde, als damals in Schierstein irgendeine Apotheke in Portionen den Keller langsam in einem bestimmten Papierkorb nach und nach entsorgte. Diudorm. Die verzeichnen wenigstens noch die ganz korrekten chemischen Namen auf der Packung. Etwas muffig riechen die leicht angegrauten noch immer weißen Tabletten schon. Aber eine hat zum Schlafen nicht ausgereicht. Immerhin habe ich keine Bauchschmerzen davon bekommen. Daher kamen auch die vierzig Tabletten Barbiturat. Die wirkten ganz wundervoll, auch nach so langer Zeit noch. Man war ein wenig wie betrunken davon. Damit bin ich sehr sparsam gewesen, sie haben viele Jahre lang ausgereicht. Damit war man wenigstens sicher daß man einschlafen konnte.
Im abgebrochenen Zahn oberere Backenzahnreihe links ist ein weiteres Stückchen Zahn schon im Zahnfleisch gelegen abgebrochen. Die Reinigung nach dem Essen ist noch aufweniger geworden, da reicht die Zahnbürste nicht hin, außerdem ist da immer etwas rohes Fleisch das weh tut wenn ich mit der kleinen Drahtbürste vorsichtig nach Nahrungsresten stochere bevor ich putze. Am Ende spüle ich mit einem Schluck Wasser dem ich einige Tropfen Peroxydwasser zugebe. Schon wenn Du sowas käufst kucken Apotheker heute schon komisch.
Gut schlafen kann ich erst wenn ich so müde bin, daß, wenn ich mich hinlege und einmummele, ich muß mich haargenau zurechtmummeln, da muß jeder halbe Zentimeter stimmen, also wenn ich dann da so liege und mir sogleich ein Strom von Wärme in die Augenlider fährt, wenn sie richtig heiß werden vor Müdigkeit, dann weiß ich, jetzt schlafe ich gleich.
Seit der Pandemie ist das Haus hier sehr leise. Es gibt fast keinerlei lärmende Veranstaltung mehr. Ich mache nun mit meinem Klavierspiel den meisten Krach. Allerdings nicht in der Nacht. Vereinzelte Heimwerker von drumherum mischen sich manchmal ein ins Konzert. Man könnte schlußfolgern wenn die lärmende Gartenmaschine des Nachbarn exakt zu laufen beginnt wenn die Bachfuge zu Ende ist, daß jemand zugehört hat.
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