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Schmidt schrieb am 16.11. 2015 um 01:24:20 Uhr über

Vollnarkose

Also, ich hab jedesmal als ich beschloss es zu tun sofort angefangen zu zittern vor Aufregung und Erwartung. Wie es sein würde. Ich hab mir Handtuch und Kotzeimer zurechtgestellt ans Bett. Erst wollte ich mich selbst dabei fesseln, dann hab ich es sein lassen, man will es bequem haben wenn man aufwacht, wegfliegen können, ohne Schnüre, frei da liegen nd sich den Lappen mit dem süßen Zeug aufs Maul halten und begierig einsaugen. Einmal. Oh, wie scheußlich, fast ein wenig scharf, aber tief, und, guuuut, gleich noch einmal, nein, lass Dir Zeit, ganz ruhig, ganz ruhig und tief atmen, oh, wie tut das gut, alles ist völlig klar und deutlich, du bist voll wach und da, nur liegst Du gut und leicht, und es ist sehr bequem, nichts drückt und juckt, und gleich ein drittes, sehr tiefes fast ein schluchzendes Einatmen, wie wundervoll, wie bin ich noch immer da und ich schwebe, doch fühle ich noch die schwere bettdecke wie ein wundervoller Körper der mich schützend und warm bedeckt, ich sehe sie allesamt vor mir und mich betrachten und sie sind nicht traurig, sie sagen, es ist gut so und meine Arme verschwinden und meine Beine sind nicht mehr da und ich bin ein Atmen, nd sonst nichts mehr, ich bin nur noch ein Atem der ein inneres Licht befeuert, das flackert ganz ferne und ich betrachte es ganz neugierig und fühle noch das Süße in meinem Mund und werde gewahr, ich liege hier und jetzt gena dort und niemand kommt herein, ich bin sicher, es ist tiefe nacht, ich werde gleich, in wenigen Momenten einschlafen, endlich einmal dem Einschlafen zusehen können ganz wachen Auges, es fühlt sich gesund an, man senkt, ach, ein paar Mal, das schadet auch nicht mehr als ein Kornsäufer so säuft, man sieht alle Stationen, man sieht all ihre Gesichter, man kennt sie alle ganz genau, man will alle diese Momente aufbewahren und erzählen und traut sich das auch in jenem Moment des Hinübergleitens, das Licht flackert noch, vielleicht der achte Atemzug, vielleicht der neunte, nun den Lappen auf dem Mund liegen lassen, die Hände sinken nach unten, man weis nicht genau ob noch irgendetwas weiter von einem existieren wird und lässt los. Bis zum allerletzten winzigen Licht war ich innerlich bei absolut vollem Bewußtsein; gewahr wo ich war und in welcher Situation. Und das es höchst verboten ist, wahrscheinlich. Aufwachen ist meist etwas übel, einmal mit dem Gesicht in Erbrochenem liegend, wochenlanger roter Ausschlag. Ich habe diese Dinge zwanzig bis dreissig Mal wiederholt im Abstand von Wochen bis Monaten, über Jahre hinweg. Bis die Literflasche alle war. Nach jeder Narkose sagte ich mir, das war die vorletzte. Und die nächste, die hat Zeit. Aber insgeheim wußte ich, vielleicht ist es auch nur die dritt oder viertletzte.


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