Heutzutage müssen die Mühlenprodukte, die früher Standard waren, besonders bezeichnet werden. Noch in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das, was heute einfach Mehl heißt, als Weißmehl besonders klassifiziert. Das bedeutet, Vollkorn war früher selbstverständlich.
In »Die Legionen des Augustus« beschreibt Marcus Junkelmann ausführlich, wie die römischen Legionäre sich ihr Getreide täglich frisch mahlten und zu Brot verbuken oder manchmal auch als Brei aßen. Selbstverständlich aßen sie das ganze Korn. Es wurde auch nur in kritischen Zeiten vorgebacken, längstens für drei Tage. Auch war es den Legionären selbstverständlich mit Gemüse versorgt zu werden. C.Julius Caesar berichtet ja selbst in »De Bello Gallico« von einer Streikdrohung der Soldaten, als sie sich von Wildbret ernähren sollten. Nur Fleisch, so sagten sie, ist nichts für einen rechten Kämpfer! Die Müslifreaks von einst waren alles andere als Ökopaxe!
Auch während des Mittelalters war Weißmehl die Ausnahme, und Vollkorn normal. Das änderte sich erst in der Zeit der Industrialisierung, als sich aus der Mühle die Lebensmittelindustrie entwickelte, die das leichter zu lagernde und haltbarere Weißmehl bevorzugte. Dazu kam, dass nach dem Bürgertum sich auch die Arbeiter zunehmend nach dem »vornehmen« Weißmehl drängten. Am Augenfälligsten wird dieser Mechanismus durch die Subventionierung des Baguette in Frankreich illustriert. Hier wurde per Gesetz den kleinen Leuten das Privileg vornehmen Brotes zu erkannt. Natürlich zu Lasten der Gesundheit, aber dabei ging es ja nie um Rationalität.
Heutzutage ist Vollkorn wieder »In«, aber da die industrielle Verarbeitung inzwischen eindeutig den Vorrang hat, ist vieles was den Anschein erweckt, aus Vollkorn zu sein, bloße Täuschung. Mit Malzzucker, Zuckerkulör und anderen Tricks wird weißes Mehl braun gefärbt. Die Zugabe von etwas Kleie macht aber ein Brot keineswegs zu einem Vollkornbrot, genausowenig wie ein paar Kürbiskerne obendrauf.
|