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Die Leiche schrieb am 30.9. 2012 um 07:37:22 Uhr über

Visionserleben

»Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!« (Helmut Schmidt) - Gleichwohl widerfahren immer wieder allen möglichen Menschen alle möglichen Visionen. Ich selbst nehme mich da keineswegs aus. Die wenigsten dieser Visionen dürften so geartet sein, daß sie nicht auf (natur-)wissenschaftlicher Basis erklärt werden könnten. Doch schon in der Antike war man sich darüber klar gewesen, daß eine naturwissenschaftliche Erklärung eines Phänomens seinem Charakter als Vision keinerlei Abbruch tut: Alkipiades, der großartige Thyrann Athens, wurde ein totes »Einhorn« gebracht - ein Schaf oder Pferd mit einem einzelnen Horn auf der Stirn, in Honig eingelegt, wie damals üblich. Er lies das Tier obduzieren, und die Wissenschaft erkannte, daß die Hornähnliche Ausbildung auf einer Wucherung des Gehirns beruhte. Der fromm positivistische Alkipiades hielt das Einhorn damit für entzaubert - aber wie Plutarch schon festgestellt hat: die Frage, warum ausgerechnet bei diesem Tier das Hirn gewuchert hat, und es den Menschen begegnete, die wurde damit keineswegs beantwortet. »Zufall« sagt der Wissenschaftler dann gerne und hält einen Vortrag über Wahrscheinlichkeitsrechnung. C.G. Jung verdanken wir jedoch den Hinweis darauf, daß solche Erscheinungen im menschlichen Leben besser mit religiösen, denn mit wissenschaftlichen Begriffsystemen zu erfassen, zu verstehen und zu verarbeiten sind.


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