«[...] Ach ihr vernünftigen Leute! rief ich lächelnd aus. Leidenschaft! Trunkenheit! Wahnsinn! Ihr steht so gelassen, so ohne Teilnehmung da, ihr sittlichen Menschen! scheltet den Trinker, verabscheut den Unsinnigen, geht vorbei wie der Priester und dankt Gott wie der Pharisäer, dass er euch nicht gemacht hat wie einen von diesen. Ich bin mehr als einmal trunken gewesen, meine Leidenschaften waren nie weit vom Wahnsinn, und beides reut mich nicht: denn ich habe in meinem Masse begreifen lernen, wie man alle ausserordentlichen Menschen, die etwas Grosses, etwas Unmöglichesscheinendes wirkten, von jeher für Trunkene und Wahnsinnige ausschreien musste. [...]»
«[...] Aber auch im gemeinen Leben ist’s unerträglich, fast einem jedem bei halbwegs einer freien, edlen, unerwarteten Tat nachrufen zu hören: der Mensch ist trunken, der ist närrisch! Schämt euch, ihr Nüchternen! Schämt Euch, ihr Weisen! [...]»
aus «Die Leiden des jungen Werther», von J. W. Goethe
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