Manche Verletzungen heilen nicht.
Es sind hässliche Verletzungen - und du klebst Pflaster drauf, um sie zuzudecken. Niemand soll sie sehen, niemand soll mit dem Finger drauf zeigen und sagen: „Schau dir nur diese hässliche, ekelhafte Wunde an...!“ Du schämst dich wegen der Verletzung, denn du fürchtest, sie werden sagen: „Wer so eine hässliche Verletzung hat, bei dem ist etwas nicht in Ordnung. So eine widerliche Verletzung bekommt man nicht einfach so. Bestimmt hat er etwas Unrechtes getan, dass er so eine Verletzung davongetragen hat.“ Sie werden sich von dir abwenden, wenn sie die Verletzung sehen, voller Abscheu. Darum klebst du Pflaster drauf, und wenn es durchkommt: mehr Pflaster.
Aber die Wunde heilt nicht unter dem Pflaster. Das Pflaster soll sie verdecken, aber es macht sie nur schlimmer. Du weißt das. Wunden brauchen Luft. Abgeschlossen von der Luft schwärt und eitert die Wunde vor sich hin. Und es tut weh. Es tut so weh.
Du hattest dich bewusst verletzen lassen. Die Verletzung war der Preis für das, was du damals wolltest. Heute würdest du sagen: „Die Umstände trieben mich dahin, dass ich mich so entschied. Wären die Umstände heute dieselben, vielleicht würde ich mich wieder so entscheiden. Vielleicht würde ich aber auch versuchen, die Umstände zu ändern. Damals wusste ich nicht, dass ich selbst die Umstände hätte ändern können. Damals fühlte ich mich machtlos, es gab niemanden, dem ich vertrauen konnte, niemanden, der mir helfen würde. So dachte ich jedenfalls. Damals war meine Entscheidung die einzig mögliche. Dass eine Verletzung dazu gehören würde, das wusste ich. Ich glaubte aber, sie könnte nicht stärker brennen, als der Schmerz, den ich ohnehin spürte. Etwas Schlimmeres als mein alltäglicher Schmerz war mir nicht vorstellbar.“
Es gibt Menschen, die kennen deine Verletzung, Menschen, die wissen, was sie bedeutet, wie sie entstanden ist. Es sind wenige Menschen, sehr wenige, die die ganze Geschichte kennen. Sie haben sich nicht voll Abscheu abgewandt. Sie werfen dir deine damalige Entscheidung nicht vor. Sie bohren und stochern nicht in der Wunde. Wenn die Wunde schmerzt, nehmen sie dich in den Arm und halten dich fest. Wenn du klagst, sagen sie nicht: „Du bist selbst schuld.“ Wenn du sagst: „Es tut so weh“, sagen sie nur: „Ich weiß“, und sie bleiben dir nahe, bis der Schmerz nachlässt.
War deine Entscheidung falsch? Du hast nie gesagt, dass sie richtig gewesen sei. Du sagtest nur: „Es war damals die einzig mögliche.“
Entscheidungen... sie bedeuten mehr als nur das, was der heutige Tag bringen wird. Sie wirken weit in die Zukunft. Hättest du damals anders entschieden, wäre dein Leben heute ein anderes. Wäre es besser?
Die Wunde wird bleiben. Sie wird niemals heilen.
Die Menschen, die dich halten und dir nahe sind in deinem Schmerz...
Menschen bleiben nicht... Menschen sind vergänglich...
Aber sie sind da. Jetzt sind diese Menschen da, und sie zeigen dir, dass Nähe und Halt möglich sind.
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