Das Verfahren ist eine fiese Sache - es dient zur Verhinderung von Rechten. Relativ bekannt ist die »Bestrafung durch Verfahren«. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften dauern endlos lange - für ein Wald- und Wiesen-Delikt ist ein Jahr garnichts, für Wirtschaftssachen sind 5 Jahre schon Normalität. Ich habe Ermittlungs- und Strafverfahren mitbekommen, die sich über fast zehn Jahre hinschleppten, ohne daß sich für den Betroffenen, den »Angeschuldigten«, wie er mit Amtsdeutsch heißt, irgendwie erkennbar etwas getan hätte. All die Jahre schwebte also dieses Verfahren über einem, all die Jahre bekam man Post vom Anwalt, daß die Staatsanwaltschaft einmal wieder mitgeteilt hatte, daß nicht mitgeteilt werden könne, wann mit einem Abschluß der Ermittlungen gerechnet werden könne. Ein Damoklesschwert über einem Zehntel des Lebens. Und am Ende kommt meistens nicht viel dabei heraus.
Es gibt noch andere Möglichkeiten der Behinderung durch Verfahren, zum Beispiel wenn es um die gerichtliche Anfechtung von Verwaltungshandeln geht, den Kampf gegen die Willkür von Ämtern und Behörden, die Anträge ablehnen, Verbote aussprechen, Auflagen erteilen, und viel, viel Geld kosten. Schon die Herstellung der Voraussetzungen für eine gerichtliche Klage dauert in aller Regel mehr als ein Jahr, weil die Sachen solange bei den Ämtern und Behörden liegenbleiben. Bis es dann zu einem Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Verwaltungsgericht kommt, vergehen drei bis fünf Jahre. Und solange bleiben die Verbote, Anordnungen usw. der Ämter und Behörden in Kraft. Und wenn man ganz viel Glück hat, hebt das Verwaltungsgericht zwar eine Ablehnung eines Antrages auf, aber verweist die Sache zurück zur »Ausgangsbehörde« zur erneuten Sachentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassungen des Gerichts - mit der Folge, daß die Chose nochmal von vorne losgeht. Und die Jahre ziehen ins Land, und wir trinken immer noch ohne Verstand.
Verfahren können auch so kompliziert und zeitraubend ausgestaltet sein, daß es höchster Anstrengung und Kunstfertigkeit bedarf, keinen formellen Fehler zu machen, eine Frist etwa um auch nur einen Tag zu versäumen, die es dann den Behörden und Gerichten leicht macht, Anträge wegen Verfahrensfehlern abzuweisen. Eine Vielzahl von Sozialleistungsansprüchen beispielsweise wird auf diese Weise vereitelt.
Verfahren hat also, wie wir sehen, wesentlich mehr mit dem Verfahren in einer fremden Stadt zu tun, als mit Luhmanns Idee von der »Legitimation durch Verfahren«.
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