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Schmidt schrieb am 20.8. 2015 um 23:18:15 Uhr über

Vanillecremekatastrophe

Ich werde Dich heute einmal Moritz nennen, einen Phantasienamen den ich meine, Du mir einmal früher selbst für Dich genannt hast. So weiß niemand, daß ich eigentlich Dir schreibe. Vielleicht hast Du nicht mal meinen letzten Brief gelesen, ich weiß es leider nicht, ich hatte Dir ja dieses Stichwort als Geheimbriefkasten genannt. Es gibt so viele Kleinigkeiten, an denen man sich erkennen könnte. Ich gratuliere Dir noch einmal zu morgen, deinem Geburtstag. Du wirst verstehen, daß ich im Moment mit mir selbst zu tun habe, so verschrammt wie ich bin. Ich hoffe, das alles heilt gut ab. Ich sehe sowiesoschon ein wenig wie ein grässliches Monster aus. Diese perfekten Schönheiten sind auch nicht wirklich schön. Man sollte Eigenheiten besitzen, kleine, skurrile sympatisch machende Eigenheiten, nichts Absichtliches, offen sein, ich hab dem alten Mann im Krankenhaus neben mir das Pubsen gelehrt, ich sage wider besseres Wissen dabei immer gelernt, also ich hab dem alten Mann der im Krankenzimmer neben mir lag und dem sie den großen Fußzeh wegen Diabetes abgenommen haben, und der seit fünf Tagen nicht auf dem Klo war, das Pubsen gelernt. Das ist zum Beispiel eine Eigenheit. Immer wieder habe ich kurz und kräftig unter der Bettdecke gepubst, man soll es ja rauslassen wenn es gerade kommt, sonst verschwindet die Gasblase wieder ins Innere zurück und drückt und zwickt da herum. Also, ich dachte, wenn ich, ein Bärtiger, halbalter, ihm das vormacht, dann traut er sich auch, und ich hatte recht, jedesmal, oder bald darauf, nachdem ich pubste, kam auch aus seiner Richtung eine Art von Blubbern. Und was soll ich sagen, am nächsten Tag konnte er endlich kacken und war sehr erleichtert. Allerdings hat er dann seiner Frau, die zu bEsuch war, erzählt, ich, sein Bettnachbar, hätte einfach sein Handtuch genommen. Was gar nicht stimmt. Ich hab nur bei der Schwester nach einem Handtuch und Waschlappen gefragt und das auch bekommen. Nur als ich eine Zahnbürste wollte gab es längere Schwierigkeiten. Ich war ja direkt vom Fahrradsturz eingeliefert worden. Da hat man normalerweise keine Zahnbürste dabei. Nun ja, ich hatte seit sehr langem wieder einmal einen einzigen vollen Tag Frühstück ans Bett, Mittagessen gebracht und Abendessen gebracht, das war fast wie Urlaub, wenn man immer alles selbst machen muß und keinen Menschen hat der einen einmal verwöhnt. Man bedenkt das nicht genug wenn man sich trennt. Alleinesein gibt einem viele Freiheiten. Aber es hat auch sehr große Nachteile. Aber viele von euch werden das ja in dem Ausmaß wie ich es kenne, gar nicht erleben. Das ist auch gut so.

Ich drücke dich einmal fest, spucke Dir toi toi toi über die linke Schulter für das Abi nächstes Jahr, berücksichtige dabei meinen letzten Brief unter dieser Adresse, dann hast Du gute Chancen, sicher wird es kein sehr einfaches Jahr für dich werden. Aber sei mutig. Du kannst das. Es haben schon eine Menge Blödere als Du Abitur gemacht. Und das darfst Du nicht beleidigend verstehen, das ist auch so eine meiner kleinen Eigenheiten, das ich bei Komplimenten sehr untertreibe, sie aber ganz freundlich und ehrlich meine.

Hab mich gern. Das ist schön. Ich mag es, wenn Du mich magst. Du hast mich immerhin einen erklecklichen Teil deiner Kindheit sehr gemocht. Nur in der Pubertöt bist Du recht schnippisch geworden und hast mir desöfteren gezeigt, im Tonfall deiner Mutter, das ich gewaltig nerfe. Aber eine meiner Eigenschaften ist auch, das man mkit mir wirklich über alles quatschen kann. Ich hoffe Du behälst das im Gedächtnis.
Ich hab Dich auch immer gerne gemocht. Das Übernehmen des Tonfalls deiner Mutter, sowphl ihre Flötentöne wie auch ihren scharf schneidenden Tonfall, den kannst Du Dir für deine Kinder die Du einmal erziehen willst aufheben, ich sehe das für den Umgang mit mir als ungeeignet an, jetzt, wo Du erwachsen bist, darf ich Dir das sagen und darauf hoffen, das Du es gut und richtig verstehst.

Ich sehe ständig diesen Fahrradsturz vor meinem inneren Auge ablaufen, ich bin heilfroh, und das meine ich wirklich ernst, todernst, das ich im Moment des Sattelbruchs freihändig fuhr. Weil ich zutiefst überzeugt bin, mit dem Händen am Lenker wäre die Sache viel schlimmer verlaufen. Aus physikalischen Gründen und aus Gründen die im limbischen System verankert sind, unserem Kleinhirn. Unser Reflexzentrum für das Überleben. So war ich also vorgestern, für etwa eine bis zwei Sekunden, eine große Raubkatze die rückwärts von etwas Fahrendem runterfällt. Natürlich war ich diese Raubkatze nur in meinem Allerinnersten und auch sehr unperfekt, ich sage da zum Beispiel am liebsten, sehr imperfekt, das ist auch eine Marotte von mir, weil es einfach auch gut passt, jedenfalls, fast bin ich stolz so wundervoll und gut gestürzt zu sein, das klingt irgendwie bescheuert, aber ist auch trotzdem irgendwie wahr.

Ich drück dich nochmal. Tschüss.












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