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SuperUser schrieb am 3.8. 2005 um 15:08:00 Uhr über

Urwald

Tag 7: Donnerstag, der 27.Juli 2000 (Acht Uhr morgens mit dem Bus in Richtung Amazonastiefland)

In der Provinz Napo ändert sich die Vegetation sehr schnell. Wir fahren tiefer. Unser Ziel, der Amazonasdschungel liegt auf etwa 1800 Höhenmetern. (Papallacta 3800 MüM). Der Baumbestand, anfangs nur ein paar vereinzelte Papyrusbäumchen, wird allmählich vielfältiger und wächst höher. Dann sind in den Tälern auch die ersten dichten Laubwäldchen zu sehen. Nebelwolken hängen in den Baumkronen wie fehlgelandete Fallschirmspringer. Es ist noch immer kalt und sehr feucht. Dichte Blätterdecken und riesige Farne bilden nach und nach ein richtiges Unterholz. Entlang unserer Straße verläuft eine Ölpipeline. Das etwa einen halben Meter breite Rohr verläuft oberirdisch vom Amazonastiefland quer durch Ecuador bis zur Pazifikküste. Vereinzelt kann ich auch schon erste Palmen entdecken. Und schwarzweiße Kühe. Auch richtige Kühe, nicht nur Stiere oder Ochsen. Wie das sonst bei unseren ersten Touren in den Bergen aufgefallen ist.
Unser Reiseleiter erklärt das damit, das die Indiche nas die Landwirtschaft als selbstständige Bauern erst noch kennen lernen müssen.
Es ist so: In Ecuador sind die Indichenas erst seit der Landreform von 1964 keine Sklaven der weißen Bevölkerung mehr. Dafür hat man sie in die Berge getrieben. Wo sie nun hauptsächlich von der Landwirtschaft zu leben versuchen.
Die vereinzelt in der Umgebung stehenden Bretterbuden sind bewohnt. Neben uns wird der Fluss, derselbe in dem wir oben in Papallacta gebadet haben immer breiter, was daran liegt, dass er von überall her, ab und zu sogar über unsere Straße weg neue Zuflüsse bekommt. Und die sind auch nicht eben klein. Zerlumpte Kinder winken uns aus den Fenstern und Ritzen der Baracken fröhlich zu. Der Telefondraht begleitet uns immer noch am Straßenrand auf seinen Masten. Die Baracken, sonst direkt an der Straße weichen auf die freien Grünflächen des Flusstales zurück, wo man nun auch richtige Laubbäume und Palmen findet. Der Fluss ist nun von seinen Anfangs etwa fünf Metern Breite in Papallacta auf gute 50 Meter angewachsen. Das satte Gras wird wieder kürzer und die Wiesen erblühen in Gelb und Rot. Die Berge in der Ferne werden zu lieblichen Hügeln, die immer näher zusammenrücken. Dann wieder Platz für ein Tal machen und den Fluß. Die Farne nehmen Mannsgroße Dimensionen an. Wir sind im Gebiet der Colonos-Indichenas, die bis 1990 noch Schrumpfköpfe hergestellt haben. Die Hügelgipfel sind überall bewaldet. Und dort oben bleibt auch der Nebel zurück. Unten kleine Hügellandschaften begrast mit einigen kleinen Bäumen. Dann schließt sich ein dichter Laubwald über dem Fluß. Der Amazonas!
Die Bäume sind meist nur noch ganz oben belaubt wie ein Pilz. Moosflechten und andere Parasitenpflanzen bedecken die Stämme. Es wird wärmer. Der Himmel zeigt stellenweisezwischen den Wolken - schon wieder ein schönes dunkelblau, das mehr und mehr wird. An der Straße immer wieder kleine Steinbrüche. Und wieder diese Holzbaracken mit Wäsche vor der Tür. Erste Bananenpalmen und Kakteen. Manchmal auch beides zusammen. Die Vegetation rechts von der Straße wird bunter und vielfältiger. Links ist der dichte Wald. Die Vegetation ordnet sich auf Urwald. Farne, das Unterholz und oben, die dichten Bäume. Palmen, Farne auf Stämmen die aussehen wie Palmen. Alles Unkraut scheint sich plötzlich auf Stämme zu stellen. Man sieht wieder Gras. 10:00 Uhr. Wir passieren die Doc Hunadi Höhlen und sehen erste Bananenplantagen. Nach fünfstündiger Busfahrt erreichen wir Tena, die Hauptstadt der Provinz Napo. Letzte Gelegenheit ein paar Kleinigkeiten wie Stifte und Schulhefte für die Kinder, der in unserem Urwaldcamp eingerichtete Schule zu kaufen. Schließlich, so sagt man uns würde diese Reise auch zur Entwicklungshilfe in Südamerika beitragen. Ein Punkt, den sich unsere Reisegesellschaft ganz groß auf ihr Banner geschrieben hatte. Warum habe ich dieses Banner vorher nie gesehen? Doch zuerst erhalten wir jeder ein paar Gummistiefel für unsere Wanderungen im Amazonasdschungel. Man führt uns in ein Haus auf dem irgendwas von Amazonas Expeditionen Dr. Irgendwer steht. Die Stiefel die ich bekomme gehen mir fast bis an die Knie, passen sonst aber ausgezeichnet. Während unserer teilweise schon recht abenteuerlichen Touren durch ab und zu fast bis an die Knie reichenden Schlamm habe ich nie Probleme damit gehabt. Dann dürfen wir zum Einkaufen ausschwärmen. Die Armut dieser Dschungelbewohner beschämt. Ich bezahle meine Kekse mit einem 50.000 Sucre Schein. Etwa zwei US Dollar. In der Meinung das dieses Geld schon reichen müsste. Woher sollte ich denn wissen, das 5.000 längstens ausgereicht hätten. Die Frau protestiert lautstark und läuft davon um an jeder Tür des Dorfes nach Wechselgeld zu fragen. Als wir wieder zum Bus kommen sitzt ein neues Gesicht auf den vorderen Plätzen. Das wird wohl unser Urwaldführer sein, den wir hier in Tena erwarten sollten. Wenn seine Erscheinung auch so ganz und gar nicht in mein Bild eines versierten Urwaldführers passt. Mit seiner weißen, kurzen Sporthose, dem weißblauen T-Shirt, weißen Socken und Birkenstocksandalen macht er noch mehr den Eindruck des klassischen Stadturlaubers als wir selbst. Aber er ist es tatsächlich, unser Dschung elführer. Kein irgendwie Bekannter von unserem Busfahrer, der nur auch ein Stück in unsere Richtung möchte wie ich bis zuletzt eigentlich geglaubt habe. Das Einzige womit er sich für den Urwald gerüstet hatte waren ein paar knallgelbe Socken, schwarze Gummistiefel und zwei kleine Wasserkanister aus Plastik. Ich hatte mir schon lange gedacht, dass die Reisebeschreibung, was uns auf unserer Dschungeltour erwarten würde Mückenangriffe, Wassermangel, Schlangen, gefährliche was auch immer stark übertrieben war. Urwaldbäume, die am Wegrand hinter einer Glasscheibe standen, oder das jedes Gebüsch oder Tier sauber mit einem Schild auf dem Sinn und Aufgaben zu lesen waren, versehen worden wäre hätte mich nicht überrascht. Irgendwo mitten auf einer staubigen Straße halten wir an. Wir sind da. Heißt es. Ab jetzt geht es in den Urwald. Also kommt pflichtbewusst auf unsere dicke Schicht Sonnencreme noch eine Lage Mückenschutzmittel drauf. Nach einer kurzen Ansprache biegt unser Dschungelführer ein paar hohe Gräser am Straßenrand auseinander und bittet uns in den Urwald. Kurz uns schmerzlos. Hinter uns schließt er den dichten grünen Vorhang und wir stehen mitten im Amazonas!
Der Dschungel ist ein Ort dem ich nicht so viel wie dem Hochland abgewinnen kann denke ich. Meine Schutzmaßnahmen gegen die Stechfliegen sind erdrückend. Wie Haargel verteilt sich das Anti-Mosquito-Zeug aus der Apotheke eher schlecht auf der Haut und zieht absolut nicht ein. Schon nach wenigen Schritten bin ich schweißgebadet. Ich werde dieses Zeug reklamieren! Nach einer knappen Stunde zähle ich meine ersten Stiche an der Hand und dem linken Ellenbogen. Dann ist der Amazonas alles andere als bunt und vielfältig. Die Hauptfarbe bleibt das Grün der Blätter und das Braun der Stämme und des Erdbodens. Tiere sind bisher nur zwei Schmetterlinge und ein schwarz-gelber Vogel an uns vorbeigeflattert. Von allen möglichen Arten von Ameisen und Fliegen einmal abgesehen. Wir erfahren etwas über Bananenpalmen und Luftwurzeln. Nach einigen Stunden über den matschigen Urwaldboden erreichen wir gegen 16:45 Uhr unser Urwaldcamp. Es heißt Sinci-Huna was soviel wie starker Mann bedeutet. Ich beziehe das Haus Sacha A was Wald bedeutet. Das A bedeutet, das ich nun so eine Art Doppelhaushälfte im Dschungel besitze. Mein Nachbar B ist Norbert. Ein Lehrer aus Köln. Der Fluss neben dem Urwaldcamp reizt mich ihn zu durchschwimmen. Nun, wir sind ja ein paar Tage hier, da wird sich schon Zeit dazu finden. Nicht einmal in meinem Zimmer, einer auf Pfählen stehenden Holzhütte mit Palmblätterbedachung hat es irgendwelche Tiere. Die beiden Riesenheuschrecken, die Haustiere des Camps sind Alkoholiker und einer fehlt ein Bein. Das ginge zu lasten des Hauspapageis. Einem rot-blau gefiederten Edelschnorrer. Den restlichen Tag haben wir für uns.


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