Ich habe eine Sehstörung. Ganz plötzlich ist das losgegangen, auf einmal war er da, dieser kleine helle Strich an unteren Rand des Blickfeldes. Zuerst dachte ich an einen Staubfusel auf dem Monitor und versuchte ihn wegzuwischen, aber leider ohne Erfolg, der helle Strich blieb.
Auch beim Autofahren fiel er mir auf, ja er störte sogar, beim Blick auf den Tacho hatte ich auf einmal so knapp über der 50 einen Strich mehr, den ich da sonst nie hatte.
Nun bin ich in einem Alter, in dem man auch immer mit dem Schlimmsten rechnen muß, es kann eine partielle Netzhautablösung sein, ein Riss in der Iris oder im schlimmsten Fall: Augenkrebs!
Während ich mich innerlich mit der Abfassung meines Testamentes und der Verteilung meines Hab und Guts an die gierigen potentiellen Hinterbliebenen, die sich meine Familie nennen, beschäftigte, untersuchte mich die Allerliebste mit einer großen Leuchtlupe.
„Du spinnst! Da ist nichts an Deinem Auge, Du hast ein kleines weißes Haar auf der Nase!“
Was? Ein Haar auf der Nase? Lächerlich! Ich hatte noch nie Haare auf der Nase, weder im Singular noch im Plural. Auf dem Kopf, oben auf dem Kopf, da habe ich weiß Gott genug Platz für weitere Haare und dieser Platz nimmt auch hemmungslos kontinuierlich zu. Kein Haar dieser Welt käme auf die Idee diese vorzügliche Anbaufläche zu verschmähen und stattdessen auf meiner Nase zu wachsen.
Die Allerliebste muß sich also irren, soviel steht fest.
Ein genauer Blick in den Spiegel zeigt mir dann aber, daß sie eventuell doch Recht haben könnte. Tatsächlich lümmelt sich da ein kleines, etwa 5 Millimeter langes sehr helles Härchen, so halbrechts vorne, etwas Südsüdost von der Nasenspitze. Nun gut, das ist ein Irrläufer, ein Ausreißer, ein Vagabundierer. Das reiße ich jetzt aus und dann ist’s gut.
„Reiß das bloß nicht aus, dann wachsen Hunderte nach!“ mahnt die Allerliebste als sie am Bad vorbeigeht und mich mit der Pinzette da stehen lässt.
Soll das wirklich war sein, mutiere ich zum Yeti oder zum behaarten Nasenbär?
„Das kommt vom Alter, da wachsen den Männern immer Haare auf der Nase und aus den Ohren!“
Es kann doch nicht angehen, dass der liebe Gott mir die Haarpracht meiner Jugend auf dem Haupte raubt und mir die Haare stattdessen in die Ohren und auf die Nase steckt!
Andererseits… Wenn ich dieses Haar jetzt ausreiße, habe ich ja wieder eins weniger…
Ich glaube, ich lasse es wachsen, pflege es und wenn es lang genug ist, lege ich es kunstvoll mit Haarspray um mein Haupt.
Sicher ist sicher, ich lasse es wachsen!
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