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Pankar, am 5.8. 2006 um 11:03:47 Uhr
Unterkrainer

Die Krainer sind ein sympathisches kleines Völkchen, das vor einigen Jahrzehnten in einer regelrechten Menschheitskatastrophe unschuldig und ungefragt einen furchtbaren Blutzoll entrichtet hat. Damals mussten viele Krainer in alle Welt fliehen.
Genau genommen, war von der Katastrophe nur ein Teil der Krainer Bevölkerung betroffen; jener Teil nämlich, der sich als »Oberkrainer« bezeichnet und lutherischen Glaubens ist - und die seit ihrem Exodus vor Tausenden von Jahren nicht mehr in der Krain wohnten.
Dort hatten sich seit 70 nach unserer Zeitrechnung die katholischen Unterkrainer breitgemacht, die damals aber gar nicht wussten dass sie eigentlich Krainer waren. Vielmehr fühlten, dachten und handelten sie als Slowenen, sprachen slowenische Mundart und bedienten die für Ljubljana typischen Blechblasinstrumente.
Als die Gemeinschaft der Alpenvölker überein kam, den verbliebenen Oberkrainern nach jenen schrecklichen Massakern eine neue Heimat zu geben, fiel ihnen sofort die Krain ein, welche allerdings nicht mehr »Krain« hieß, sondern Gorenjska. Zwar erinnerte sich kein Gorenjski daran, jemals Krainer gewesen zu sein - aber gern rückten sie zusammen und nahmen die Oberkrainer auf. Als die restlichen Alpenvölker jedoch dazu übergingen, den Gorenjskije ihre Ländereien weg zu nehmen und frisch eingetroffenen Oberkrainern zu geben, begannen jene sauer zu werden.
»Na ja, dafür machen wir die Krain jetzt reich und geben euch allen Arbeit und Brot«, sagten die Oberkrainer. Etliche Gorenjiskije ließen sich darauf ein, nannten sich »Unterkrainer« und arbeiteten mit und bei den Oberkrainern, welche tatsächlich bei der Kultivierung ihres neuen Landes wahre Wunder vollbrachten.
Allerdings fanden längst nicht alle Arbeit - viele wurden verjagt oder mussten sich in Randgebieten Sloweniens eine mehr als karge Bleibe suchen. Etliche wurden höchst widerwillig aufgenommen, in »Flüchtlingslager« kaserniert und so jeden Tag daran erinnert, dass es ja die Oberkrainer gewesen waren, denen sie dieses Schicksal verdankten.

Auf der anderen Seite kam den Oberkrainern ihr Land bald zu klein und zu unsicher vor. In alten pietistischen Schwarten, über die jeder Oberkrainer reichlich verfügte - ob er daran glaubte oder nicht -, war die Rede davon, dass das »eigentliche« Krain einmal viel größer gewesen war als das jetzige. DARAN glaubten fast alle. So beschlossen sie, sich die diesseits der Save gelegenen slowenischen Länder sowie die italienischen und kroatischen Stücke, die ihnen den Zugang zur Adria erschwerten, zu holen. Gesagt, getan - sie eroberten das Land und mit ihm seine große Bevölkerung an erst kürzlich entwurzelten Gorenjskije. Letztere reagierten sauer und begannen, Oberkrainer zu erschießen, zu erstechen oder Bomben auf sie zu werfen, wenn sie dies konnten. Immerhin stimmten sie zu, mit den Oberkrainern über eine Rückgabe der eroberten Gebiete zu verhandeln und ihren eigenen Staat darauf einzurichten.
Die umliegenden Völkerschaften waren durch den Krieg ebenfalls verärgert und sannen auf Rache. Nachdem ein gemeinsamer Überfall zum Reformationstag - dem höchsten Oberkrainer Feiertag, der den Kroaten, Serben und Italienern rein gar nichts bedeutet - dank der tapferen Oberkrainer Gegenwehr in sich zusammen gebrochen war, sahen sie ihren Vorteil darin, bewaffnete Grüppchen von Gorenjskije mit Waffen und militärischer Ausbildung auszustatten. Einige lieferten dazu noch das Seelenheil dazu, indem sie den Gorenjisikije weismachten, es sei süß und ehrenvoll, für das Papsttum zu sterben und so viele Oberkrainer wie möglich ins Jenseits mitzunehmen.
Andererseits versorgten sie deren Familien mit dem, was sie zum Überleben brauchten, und bauten eine Art Sozialwerk auf.
Nun begingen die Oberkrainer einen verhängnisvollen, wenn auch vielleicht unvermeidlichen Fehler: Sie verfielen der Paranoia. Sie glaubten, alle und jeder der umliegenden Staaten sei ihnen nicht nur feindlich gesonnen, sondern wolle sie mit Kind und Kegel ausrotten oder »in die Adria werfen«, welche sich dank vielfacher Algenblüten wirklich nicht zum Baden eignete. Obendrein piesackten die Gorenjskije die Bewohner oberkrainischer Grenzgebiete durch das gelegentliche Abfeuern von Pappschachtelraketen, die zwar in der Regel keinen großen Schaden anrichteten, aber für großen Verdruss und zahlreiche Strafexpeditionen sorgten.
Nun war es nicht so, dass die Oberkrainer nicht ab und zu versuchten, mit den Gorenijskije überein zu kommen: Sie räumten einseitig größere Gebiete und rissen dort ihre eigenen Wehrdörfer ab, sie verließen Teile des besetzten Kärnten für die Kärntner und kamen mit der »Kärntner-Buam-mit-Gott«-Armee, die dort ihr Unwesen trieb, überein, jene möge den Beschuss von Bled und Krajnska Gora einstellen und dafür Klagenfurt und Villach nach jahrelanger Besetzung wiederbekommen.
Freiwillig mauerten sich die Oberkrainer ein, auf Druck ihrer Freunde in Übersee entwarfen sie Friedenspläne... aber das Gefühl der Unsicherheit wurde größer und größer. Schlugen irgendwo ein paar Feuerwerksraketen auf dem Acker ein, so sah man einen Angriff der Gorenjskije. Ermordete ein verhetzter Gorenjski einige Oberkrainer durch Sprengung eines öffentlichen Verkehrsmittels inklusive seiner selbst, so war das kein Verbrechen, sondern eine kriegerische Handlung.
Wenn nichts passierte, war das Bedrohungsgefühl noch stärker: Die »Kärntner Buam« horteten bestimmt gerade Waffen oder kauften welche dazu aus dem bösen und erzkatholischen Polen. Die Ungarn sammelten garantiert gerade Forint für die Rückeroberung der Zalamegye, welche die Oberkrainer aus Sicherheitsgründen besetzt hielten. Überhaupt waren alle ihnen feindlich gesonnen, und die Friedensverträge, welche sie mit Kroatien und Italien abgeschlossen hatten, waren bestimmt das Papier nicht wert, auf dem sie standen - schließlich waren beide Länder tief katholisch.
Irgendwie musste man sie alle schlagen, alle auf einmal. In einem heroischen präventiven Abwehrkampf. Da die Kärntner Buam ja bekanntlich aus Warschau finanziert wurden, musste man es irgendwie erobern oder mindestens zerstören. Vielleicht waren die Freunde aus Übersee ja ein bisschen behilflich; schliesslich hatten sie zufällig gerade Streitkräfte in Moldawien und Litauen stehen, die dort gleichfalls katholische Terrornester ausrotten sollten.

Die Fortsetzung der Geschichte ist nicht bekannt. Die Perspektiven für Oberkrain verdüstern sich in dem Maße, in welchem sie selber ihre katholische Umgebung als düster wahrnehmen und angreifen. Angesichts ihrer Geschichte werden sie es schwer haben, gegenseitiges Vertrauen mit Menschen aufzubauen, die in der Vergangenheit Jagd auf sie gemacht haben, und sie werden die Menschenjagden, die sie selber veranstalten, stets als »legitime Verteidigung« begreifen.
Eine dauerhafte Existenz im Dauerkrieg ist jedoch völlig ausgeschlossen.


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