»Lieber Graf, Sie stehen heute zu einem Interview bereit. Erzählen Sie uns, haben Sie Spengler gelesen?«
Was... Ich wurde entführt und gefesselt um hier Rede und Antwort zu stehen. Von wegen bereit.
Spengler... äh, ja schon, aber nicht vollständig.
»Welchen Eindruck haben Sie vom Untergang des Abendlandes?«
Bisher geht es dem Abendland ja noch gut. Okay, Spengler selbst hat ja nicht mit einem so baldigen Ende gerechnet. Seine Idee war im Grunde, dass Kulturen einen biologischen Rhythmus folgen. Geburt, Wachstum, langsames Sinken.
Nun, die Tatsache, dass Kulturen entstehen und auch untergehen war zur Zeit von Spengler ja keine neue Entdeckung und insofern wäre es nicht überraschend, wenn auch unsere Kultur, das Abendland, irgendwann einmal verschwindet.
Andererseits ist biologische Metapher sicherlich falsch und die implizierte Notwendigkeit gibt es nicht.
»Sie fanden das Buch also schlecht?«
Nein. Der Gedanke ist schon sehr interessant.
»Was fanden Sie denn daran?«
Die Idee, dass der Begriff von Zahl, Größe und Geometrie etwas kulturspezifisch sein könnte. Dass quasi das Unendliche in der Mathematik etwas über unsere Kultur an sich aussagt, das fand ich interessant.
Auch spannend, dass es grade zu der Zeit veröffentlich wurde, in der Hilbert, Frege, Wittgenstein sich von anderer Seite her des Problem näherten.
Ägypten z. B. der geradlinige Nil, daher die grade Linie, die auch in den Pyramiden verfolgt wird. Die griechisch-römische Antike als atomare Substanzgedanke. Endlich das faustische Abendland.
Das berührt einige unserer grundlegenden Annahmen über die Natur.
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