Was ist Unendlichkeit ?
Unser Paar war einige Monate unterwegs. Als sie schließlich auf die Insel zurückkamen, verloren sie keine Zeit und besuchten sofort den Zauberer. »Seid willkommen !« begrüßte er sie. »Und nun wollt ihr etwas über die Unendlichkeit erfahren ?« »Sie haben ein gutes Gedächtnis«, sagte Annabel. »In Ordnung«, sagte der Zauberer. »Aber dazu sollten wir erst einmal unsere Begriffe sorgfältig definieren. Was meint man mit dem Wort <unendlich> ?« »Für mich bedeutet das endlos«, sagte Alexander. »Für mich ebenfalls«, sagte Annabel. »Das ist so noch nicht zufriedenstellend«, sagte der Zauberer. »Ein Kreis ist endlos in dem Sinn, daß er weder Anfang noch Ende hat, und doch würdet ihr nicht sagen, daß er unendlich ist - denn obwohl er aus unendlich vielen Punkten besteht, hat er nur eine endliche Länge. Ich möchte über die Unendlichkeit in dem präzisen Sinn sprechen, wie ihn die Mathematiker gebrauchen. Natürlich wird dieses Wort auch anders verwendet; Theologen sprechen oft von Gott als unendlich, obwohl einige von ihnen ehrlich genug sind zuzugeben, daß im Zusammenhang mit Gott dieses Wort eine andere Bedeutung hat als sonst. Nun, ich will nicht den theologischen oder irgendeinen anderen Gebrauch dieses Worts abschätzig beurteilen, aber ich möchte deutlich machen, daß mein Thema die Unendlichkeit in einem rein mathematischen Sinn ist. Und darum benötigen wir eine präzise Definition. Das Wort <unendlich> ist offensichtlich ein Adjektiv, und der erste Punkt, über den wir uns einigen müssen, betrifft die Dinge, auf die dieses Adjektiv zutrifft. Welche Dinge lassen sich entweder als endlich oder unendlich klassifizieren ? Nun, im mathematischen Gebrauch dieses Ausdrucks sind die Objekte, die man endlich oder unendlich nennen kann, Mengen oder Vereinigungen von Dingen. Wir sagen, daß eine Menge von Objekten endlich oder unendlich viele Elemente hat, und nun müssen wir diese Idee präzisieren. Der Schlüssel zur Lösung liegt hier in der Idee einer eindeutigen Zuordnung zwischen zwei Mengen. Eine Herde mit sieben Schafen und einer Gruppe von sieben Bäumen steht in einer Beziehung zueinander, die keine der beiden mit einem Haufen von fünf Steinen hat, denn die Menge der sieben Schafe kann mit der Menge der sieben Bäume Paare bilden, beispielsweise durch Anbinden jedes einzelnen Schafes an einen Baum, so daß jedes Schaf und jeder Baum zu exakt einem Paar gehören. Oder mathematisch ausgedrückt : eine Menge von sieben Schafen kann in eine eindeutige Beziehung zu einer Menge von sieben Bäumen gesetzt werden. Ein weiteres Beispiel : Nehmen wir an, ihr blickt in ein Theater und seht, daß jeder Platz besetzt ist, und niemand steht - und auch, daß niemand auf dem Schoß eines anderen sitzt; auf jeden Platz kommt eine, und nur genau eine Person. Dann wißt ihr, ohne die Zahl der Menschen oder die der Sitze zählen zu müssen, daß diese Zahlen identisch sind, denn die Menge der Menschen steht in einer eindeutigen Beziehung zu der Menge der Sitze : Jede Person ist dem Sitz zugeordnet, den sie belegt. Nun, ich weiß, daß ihr die Menge der natürlichen Zahlen kennt, wenn auch vielleicht nicht unter diesem Namen. Die natürlichen Zahlen sind einfach die Zahlen 0,1,2,3,4... das heißt, mit einer natürlichen Zahl ist entweder null oder eine positive ganze Zahl gemeint.« »Gibt es so etwas wie eine unnatürliche Zahl ?« fragte Annabel. »Nein, von so etwas habe ich noch nie gehört«, erwiderte der Zauberer, »und ich muß zugeben, daß mir die Idee komisch vorkommt ! Jedenfalls werde ich von jetzt an das Wort Zahl für eine natürliche Zahl verwenden, bis ich etwas anderes sage. Was heißt es nun für eine gegebene Zahl n, wenn man sagt, daß eine bestimmte Menge genau n Elemente hat ? Welche Bedeutung hat es beispielsweise, zu sagen, daß meine rechte Hand genau fünf Finger hat ? Es bedeutet, daß ich die Menge der Finger meiner rechten Hand eindeutig der Menge der positiven ganzen Zahlen von eins bis fünf zuordne, sagen wir, indem ich meinem Daumen die Zahl eins zuordne, dem nächsten Finger die Zahl zwei, dem Mittelfinger drei, dem nächsten Finger vier und dem kleinen Finger fünf. Und im allgemeinen sagen wir für eine gegebene positive ganze Zahl n, daß eine Menge (genau) n Elemente hat, wenn sie auf eindeutige Weise der Menge der positiven ganzen Zahlen von 1 bis n zugeordnet werden kann. Eine Menge mit n Elementen wird auch eine n-elementige Menge genannt. Und der Prozeß der Zuordnung einer n-elementigen Menge zu der Menge der positiven ganzen Zahlen hat einen weitverbreiteten Namen - der gebräuchliche Name dieses Prozesses lautet Zählen. Genau das ist mit Zählen gemeint. Damit habe ich euch erklärt, was es in bezug auf eine Menge bedeutet, daß sie n Elemente hat, wobei n eine positive ganze Zahl ist. Was passiert, wenn n gleich null ist; was heißt also, eine Menge hat Null Elemente ? Offensichtlich ist gemeint, daß eine Menge kein einziges Element hat.« »Gibt es solche Mengen?« fragte Alexander. »Es gibt nur eine solche Menge«, antwortete der Zauberer. »Diese Menge trägt die technische Bezeichnung leere Menge, und sie ist für Mathematiker äußerst nützlich. Ohne sie müßten ständig Ausnahmen gemacht werden, und viele Dinge würden sehr mühselig werden. Wir wollen beispielsweise in der Lage sein, über eine Menge von Menschen in einem Theater zu einem bestimmten Augenblick zu sprechen. Es kann durchaus passieren, daß in diesem Moment keine Menschen da sind, und in diesem Fall sagt man, daß die Menge der Menschen, die gerade im Theater sind, leer ist - genauso wie wir von einem leeren Theater sprechen. Dies darf nicht mit der Abwesenheit eines Theaters verwechselt werden ! Das Theater als solches bleibt bestehen; es sind rein zufällig nur keine Menschen darin. Dementsprechend existiert die leere Menge als eine Menge, aber sie enthält keine Elemte. Ich erinnere mich an einen netten Zwischenfall : Vor vielen Jahren erzählte ich einer charmanten Musikerin von der leeren Menge. Sie schien überrascht und sagte : <Mathematiker verwenden diese Idee tatsächlich ?> ich antwortete : <Auf jeden Fall tun sie das !> Sie fragte : <Wo ?> Ich erwiderte : <Auf allen Gebieten.> Sie dachte für einen Augenblick darüber nach und sagte dann : <O ja. Ich vermute, es ist genau wie mit den Pausen in der Musik.> Ich denke, dies ist ein wirklich guter Vergleich ! Smullyan berichtet von einem vergnüglichen Vorfall. Als er noch Student in Princeton war, sagte einer der dortigen berühmten Mathematiker während einer Vorlesung, daß er die leere Menge hasse. In der nächsten Vorlesung benutzte er die leere Menge. Smullyan meldete sich und sagte : <Ich dachte, Sie hätten gesagt, daß sie die leere Menge verabscheuen.> Der Professor antwortete : <Ich habe gesagt, ich verabscheue sie. Ich habe nie behauptet, daß ich sie nicht benutze !>« »Bis jetzt haben sie uns nicht erzählt«, warf Annabel ein, »was Sie mit <endlich> und <unendlich> meinen. Wollen Sie das nicht mehr tun ?« »Ich wollte gerade damit anfangen«, antwortet der Zauberer. »Alles bisher Gesagte läuft nämlich auf diese Definition hinaus. Man sagt, daß eine Menge endlich ist, wenn es eine natürliche Zahl n gibt, so daß die Menge genau n Elemente hat - was, wie wir uns erinnern, bedeutet, daß die Menge in einer eindeutigen Weise den positiven ganzen Zahlen von 1 bis n zugeordnet werden kann. Wenn es eine solche natürliche Zahl n nicht gibt, nennt man die Menge unendlich. So einfach ist das. Damit ist eine 0-elemtige Menge endlich; eine 1-elementige Menge ist endlich; eine 2-elementige Menge ist endlich;... und eine n-elementige Menge ist endlich, wenn n irgendeine feste natürliche Zahl ist. Aber wenn für jede natürliche Zahl n nicht gilt, daß die Menge genau n Elemte hat, dann ist diese Menge unendlich. Wenn wir demnach aus einer unendlichen Menge n Elemente herausnehmen, wobei n wieder eine natürliche Zahl ist, so bleiben immer Elemente übrig - ja, es sind sogar unendlich viele Elemete. Erkennt ihr, warum dies so ist ? Betrachten wir zuerst ein einfaches Problem. nehmen wir an, ich würde ein einzelnes Element aus einer unendlich großen Menge herausnehmen. Ist das, was übrigbleibt, automatisch unendlich ?« »Es sieht ganz so aus!« sagte Annabel. »Das tut es !« stimmte Alexander zu. »Gut, ihr habt recht, aber könnt ihr es auch beweisen ?« Die beiden dachten darüber nach, hatten aber Schwierigkeiten, diese Tatsache zu beweisen. Es schien zu offensichtlich, um bewiesen werden zu müssen. Eigentlich ist es nicht schwierig, dies von eben diesen Definitionen von <endlich> und <unendlich> ausgehend zu zeigen. Man muß nur diese Definition benutzen.
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Es erforderte zwar etwas Tüftelei, aber schließlich hatten die beiden einen Beweis, der den Zauberer zufriedenstellte.
Hilberts Hotel :
Angenommen, wir haben ein gewöhnliches Hotel mit einer endlichen Anzahl von Räumen - sagen wir einhundert. Nehmen wir ferner an, alle diese Zimmer seien belegt, und in jedem sei genau ein Gast. Eine weitere Person kommt an und möchte ein Zimmer für eine Nacht, aber weder sie noch einer der 100 Gäste ist bereit, ein Zimmer mit jemanden zu teilen. Es ist also unmöglich, den Neuankömmling unterzubringen; man kann nicht 101 Menschen eindeutig 100 Räumen zuordnen. Aber in einem unendlich grossen Hotel (wenn Ihr euch sowas vorstellen könnt ) ist die Lage anders. Hilberts Hotel hat unendlich viele Zimmer - eines für jede positive ganze Zahl. Die Zimmer sind durchgehend nummeriert - Zimmer 1. Zimmer 2, Zimmer 3,... und so fort. Wir können uns die Zimmer dieses Hotels in einer Linie angeordnet denken - sie beginnen an einem bestimmten Punkt und gehen unendlich weit nach rechts. Es gibt ein erstes Zimmer aber kein letztes - so wie es keine größte natürliche Zahl gibt. Wir nehmen nun wieder an, daß alle Räume besetzt sind - jedes Zimmer bewohnt ein Gast. Die neue Person erscheint und möchte ein Zimmer. das Interessante dabei ist, dass es nun möglich ist, sie unterzubringen. Weder der Neuankömmling noch einer der Gäste ist bereit, ein Zimmer zu teilen, aber die Gäste sind alle kooperativ, indem sie durchaus dazu bereit sind, ihre Zimmer zu wechseln, wenn man sie darum bittet.
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Wie läßt sich dies bewerkstelligen ?
»Nun zu einem anderen Problem«, sagte der Zauberer, nachdem die Lösung des letzten Problems diskutiert worden war. »Wir stellen uns wieder dasselbe Hotel vor. Aber anstelle einer Person treffen nun unendlich viele Gäste ein - einer für jede positive Zahl n. Nennen wir die alten Gäste P1, P2,.... Pn,...., usw. und die neuen Gäste Q1,Q2,.....Qn,..... usw.. Alle neuen Personen Q verlangen eine Unterkunft. Das Überraschende daran ist, dass sich ihrem Wunsch entsprechen lässt ! «
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Wie ?
"Jetzt zu einem noch interessanteren Problem. Diesmal haben wir unendlich viele Hotels - für jede positive ganze Zahl n eines. Die Hotels sind durchnummeriert in Hotel 1, Hotel 2 Hotel n, ....,usw.. und jedes hat unendlich viele Räume - einen für jede positive ganze Zahl. Die Hotels sind in Form einer rechteckigen Fläche angeordnet - so :
Hotel 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ....
Hotel 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ....
Hotel 3 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ....
.... . .
.... . .
Hotel n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ....
....
Die ganze Hotelkette wird von einem Management geleitet. Sämtliche Räume in allen Hotels sind belegt. Eines Tages entscheidet das Management, alle Hotels bis auf eins zu schließen, um Energie zu sparen. Das bringt mit sich, dass alle Bewohner der Hotels in nur eines verlegt werden müssen - wiederum nur je eine Person pro Zimmer."
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Ist dies möglich ?
»Ihr seht, was diese Problem erkennen lassen«, sagte der Zauberer. "Sie zeigen, daß eine unendliche Menge die seltsame Eigenschaft haben kann, daß es eine eindeutige Zuordnung zu einer echten Teilmenge von sich selber gibt. Laßt mich das weiter präzisieren. Ein Menge A wird Teilmenge einer Menge B genannt, wenn jedes Element von A auch ein Element von B ist. Wenn zum Beispiel A die Menge der Zahlen von 1 bis 100 ist, und B ist die Menge der Zahlen von 1 bis 200, dann ist A eine Teilmenge von B. Oder es sei G die Menge aller geraden Zahlen und N sei die Menge aller ganzen Zahlen. Dann ist G eine Teilmenge von N. Eine Teilmenge A von B wird eine echte Teilmenge von B genannt, wenn A eine Teilmenge von B ist, die nicht alle Elemente von B enthält. Mit anderen Worten : A ist eine echte Teilmenge von B, wenn A eine Teilmenge von B, aber B keine Teilmenge von A ist. Es sei nun P die Menge ( 1,2,3,....n,...) aller positiven ganzen Zahlen und P-die Menge (2,3,....n,....) aller positiven ganzen Zahlen ohne die 1. Wir haben anhand der ersten Aufgabe zu Hilberts Hotel festgestellt, daß dieses P in einer eindeutigen Beziehung zu P- steht, obwohl P- eine echte Teilmenge von P ist ! Eine unendliche Menge kann also die merkwürdige Eigenschaft besitzen, mit einer ihrer echten Teilmengen in einer eindeutigen Beziehung stehen zu können ! Das ist schon seit langer Zeit bekannt. Im Jahr 1638 hat Galileo darauf hingewiesen, daß die Quadrate aller positiven ganzen Zahlen eindeutig den positiven ganzen Zahlen selbst zugeordnet werden können, und zwar so :
1, 4, 9, 16, 25, ... n", ......
1, 2, 3, 4, 5, ....n,.........
Dies schien dem uralten Axiom zu widersprechen, daß das Ganze größer ist als jedes seiner Teile.» «Nun, tut es das nicht ?» fragte Alexander. «Eigentlich nicht», antwortete der Zauberer. «Nehmen wir an, daß A eine echteTeilmenge von B ist. Dann ist B, einer Bedeutung des Wortes <größer> zufolge, größer als A - nämlich in dem Sinn, daß B alle Elemente von A enthält und außerdem einige Elemente, die nicht in A sind. Aber dies heißt nicht, daß B numerisch größer als A ist.» «Ich bin mir nicht ganz sicher, was mit numerisch größer gemeint ist», sagte Annabel. «Eine gute Frage !» gab der Zauberer zu. «Zunächst, was glaubst du, bedeutet es für eine Menge A, gleich groß wie eine Menge B zu sein ?» «Ich denke, dies bedeutet, daß man eine eindeutige Beziehung zwischen A und B finden kann», vermutete Annabel. «Richtig ! Und was, schätzt du, heißt es, wenn man sagt, daß A kleiner ist als B, oder daß, numerisch ausgedrückt, A weniger Elemente als B hat ?» «Ich nehme an, das würde bedeuten, daß man A in eine eindeutige Beziehung zu einer echten Teilmenge von B setzen kann.» «Das ist ein netter Versuch», sagte der Zauberer, «aber so funktioniert es nicht. Diese Definition würde für endliche Mengen gelten, aber nicht für unendliche. Die Problematik liegt darin, daß A in einer eindeutigen Beziehung zu einer echten Teilmenge von B stehen und daß auch B eine Zuordnung zu einer echten Teilmenge von A besitzen könnte. Würdet ihr dann sagen wollen, daß jede kleiner ist als die andere ? Es sei U beispielsweise die Menge der ungeraden, positiven, ganzen Zahlen. Ganz offensichtlich kann man eine eindeutige Zuordnung zwischen U und G angeben.
1, 3, 5, 7, 9, ......2n -1 .....
2, 4, 6, 8, 10, ......2n ........
Aber U kann auch in einer eindeutigen Beziehung zu einer echten Teilmenge von G stehen, nämlich so :
1, 3, 5, 7, 9, ......2n -1 ........
4, 6, 8, 10, 12, ........2n +2
Gleichzeitig kann G in einer eindeutigen Beziehung zu einer echten Teilmenge von U stehen :
2, 4, 6, 8, 10, .....2n .....
3, 5, 7, 9, 11, .......2n +2 .....
Ihr würdet sicherlich nicht behaupten wollen, daß G und U gleich groß sind, denn G ist kleiner als U, und U ist kleiner als G ! Nein, diese Definition wäre unzureichend.» «Was ist denn dann die korrekte Definition von <kleiner als> für unendliche Mengen ?» wollte Annabel wissen. «Die korrekte Definition lautet so : Wir sagen, daß A kleiner ist als B, oder daß B größer ist als A, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind : (1) Es gibt eine eindeutige Zuordnung zwischen A und einer echten Teilmenge von B; (2) A kann nicht in eine eindeutige Beziehung zu der ganzen Menge B gesetzt werden. Es ist unbedingt erforderlich, daß beide Bedingungen erfüllt werden», betonte der Zauberer, «damit man berechtigterweise sagen kann, daß A kleiner ist als B. Dies bedeutet zuallererst, daß A in eine eindeutige Beziehung zu einer Teilmenge von B gesetzt werden kann, und gleichfalls, daß jede eindeutige Zuordnung zwischen A und einer Teilmenge von B Elemente von B auslassen muß. Und nun zu einer fundamentalen Fragestellung», fuhr der Zauberer fort. «Ist es richtig, daß zwei beliebige unendliche Mengen notwendigerweise gleich groß sind, oder können unendliche Mengen verschieden Größen haben ? Dies ist die erste Frage, die man bei der Entwicklumg einer Theorie der Unendlichkeit beantworten muß, und glücklicherweise hat sie Georg Cantor Ende des letzten Jahrhunderts beantwortet. Die Antwort verursachte großen Wirbel und war der Ausgangspunkt für einen ganz neuen Zweig der Mathematik, dessen Verästelungen phantastisch sind ! Ich werde euch Cantors Antwort bei unserem nächsten Treffen erläutern. Habt ihr inzwischen bereits eine Vermutung, wie die Antwort lautet ? Sind alle unendlichen Mengen gleich groß oder haben sie verschiedene Größen ?"
Bemerkung : Ich stelle dieses Problem immer den Studenten in meinen Einführungsveranstaltungen für Logik, und von den Studenten, die die Antwort nicht kennen, glaubt ungefähr die Hälfte, daß alle unendlichen Mengen die gleiche Größe haben, und die andere Hälfte entscheidet sich für die andere Variante. Wagen Sie noch vor der Lektüre des nächsten Kapitels eine Vermutung ?
1. Lösung : Zunächst wollen wir zeigen, daß man, wenn man einer endlichen Menge ein Element hinzufügt, wieder eine endliche Menge erhält. Nun, angenommen, die Menge A ist endlich. Nach Definition heisst dies für eine natürliche Zahl n, dass die Menge A n Elemente hat. Wenn wir ein neues Element zu A hinzufügen, hat die daraus resultierende Menge offensichtlich n+1 Elemente und ist damit per definition endlich.
Daraus folgt direkt, dass nach dem Entfernen eines Elements aus einer unendlichen Menge B diese unendlich bleibt, denn wenn die resultierende Menge endlich wäre, könnten wir das Element wieder einfügen, und die nun entstehende Menge - welche wieder die Ausgangsmenge B ist - wäre endlich, doch das ist sie nicht.
2. Lösung : Das Management muss lediglich darum bitten, dass jeder Gast einen Raum nach rechts zieht - mit anderen Worten : Der Gast von Raum 1 zieht in Raum 2, der Gast von Raum 2 zieht in Raum 3, ...der Gast von Raum n zieht in Raum n+1. Da das Hotel (im Unterschied zu den gängigeren Hotels) keinen letzten Raum hat, wird sich niemand draussen in der Kälte wiederfinden. (In einem endlichen Hotel würde die Person im letzten Raum keinen Raum zu Ihrer Rechten vorfinden.) Nachdem so alle Gäste freundlicherweise umgezogen sind, ist Raum 1 nun leer, und der Neuankömmling kann ihn beziehen.
Mathematisch gesehen haben wir die Menge aller positiven ganzen Zahlen in eine eindeutige Beziehung zu der Menge der ganzen positiven Zahlen, beginnend mit 2 ,gesetzt. Natürlich hätten die Hotelmanager ähnliches tun können, wenn hundert Millionen neue Gäste eingetroffen wären, anstelle nur eines einzigen. Die Manager hätten dann jeden einzelnen Gast gebeten, einhundert Millionen Räume nach rechts zu ziehen (die Person in Raum 1 würde in Raum 100 000 001 ziehen; die Person in Raum 2 würde in Raum 100 000 002 ziehen, und so weiter). Für jede natürliche Zahl n gilt, dass das Hotel n neue Gäste unterbringen könnte - man muß nur jeden Gast n Räume nach rechts verlegen, um n Räume für neue n Gäste bereitzustellen.
3. Lösung: Wenn nun unendlich viele Gäste Q1, Q2, ......Qn, ....ankommen, sieht die Lösung etwas anders aus. Als eine falsche Lösung wurde vorgeschlagen, dass die Manager zunächst jeden der alten Gäste darum bitten, einen Raum nach rechts zu ziehen. Dann kann der leere Raum 1 mit einem neuen Gast belegt werden. Daraufhin veranlasst das Management wieder jeden Gast, einen Raum nach rechts zu ziehen. Dann kann der leere Raum 1 mit einem neuen Gast belegt werden. Daraufhin veranlasst das Management wieder jeden Gast, einen Raum nach rechts zu ziehen, und dadurch wird Raum 1 wieder frei und ein zweiter neuer Gast kann Raum 1 beziehen. Dann wird dieser Vorgang immer und immer wieder wiederholt, unendlich viele Male, bis früher oder später jeder Gast in dem Hotel unterkommen kann.
Aber was für eine schrecklich hektische Lösung ! Niemand kann dauerhaft einen Raum behalten, und in keiner endlichen Zeit wären alle Gäste untergebracht - unendlich viele Zimmerwechsel würden dazu benötigt ! Dabei kann die ganze Angelegenheit problemlos mit nur einer Verlegung erledigt werden. Erkennen Sie, wie diese aussieht ?
Und zwar verdoppelt jeder alte Gast seine Zimmernummer - das heisst : Die Person von Raum 1 geht in Raum 2, die von Raum 2 geht in Raum 4, die von Raum 3 geht zu Raum 6... die von Raum n geht zu Raum 2n. Alle diese Wechsel werden natürlich simultan durchgeführt, und nach der Verlegung sind alle geradzahligen Räume belegt und alle unendlich vielen Räume sind nun frei. Und folglich geht der erste neue Gast Q1 in den ersten ungeraden Raum - Raum 1; Q2 bezieht Raum 3; Q3 bezieht Raum 5, und so weiter (Qn bezieht Raum 2n-1).
4. Lösung : Zuerst »numerieren« wir die Gäste aller Räume in allen Hotels entsprechend dem folgenden Plan:
1 4 9 16 . . . .
. . . . .
2 3 8 15 . . . .
. . . .
5 6 7 14 . . . .
. . . .
10 11 12 13 . . . .
. . . . . . . .
Dadurch wird jeder Gast durch eine positive ganze Zahl »gekennzeichnet«. Dann verlassen alle ihre Räume und warten eine Zeitlang draußen. Darauf schließt das Managemant alle Hotels bis auf eins, und jeder Gast wird gebeten, den Raum zu beziehen, dessen Nummer mit der übereinstimmt, die ihn kennzeichnet - die Person mit dem Kennzeichen n geht in Raum n.
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