[Fragment aus einem unbetitelten Manuskript, ohne Datum, ohne Absender]
Es begann, wie alles beginnt: mit zu viel Hoffnung und einer zu sauberen Bluse.
Sie hatte geglaubt, dass man sie brauchen würde.
Nicht wegen Schönheit. Nicht wegen Lautstärke.
Wegen dem, was zwischen den Worten lag – dieser Raum, der anderen Platz gab.
Sie dachte, das würde reichen.
Und es tat es – eine Zeit lang.
Ein paar Jahre.
Ein paar Formate.
Ein paar Blicke von Menschen, die lächelten, solange sie on air war und sie vergaßen, sobald das Mikro stumm wurde.
Wenn sie jetzt daran denkt, an die Anfänge, wird ihr übel.
Nicht nostalgisch-übel, sondern körperlich.
Wie Brechreiz aus der Seele.
Wie der Moment, wenn man merkt, dass ein ganzes Leben aus Missverständnissen gebaut war – und man selbst das größte davon ist.
Sie erinnert sich an die Aufzüge im Funkhaus.
An die Stille vor der ersten Kamera.
An das Zittern in den Händen, das sie jahrelang „Professionalität“ genannt hatten.
Und dann:
Wie es kippte.
Langsam.
Geräuschlos.
Kein Donnerschlag.
Nur weniger Einladungen. Weniger Blickkontakt.
Ein neuer Name im Redaktionsplan.
Eine jüngere Stimme.
Der Spiegel wurde zum Gegner.
Die Stimme zur Last.
Die Tage zu Wiederholungen einer Rolle, die niemand mehr besetzen wollte.
Was sie fühlte, passte in keine Sprechblase.
Es war kein Schmerz – es war Löschung.
Ein lösbares Ich, weggebleicht aus der Wahrnehmung.
Kein Abgang.
Nur ein leiser Fehler im System.
Sie wurde verzichtbar.
Ein Zustand, schlimmer als Hass.
Denn Hass ist laut.
Verzichtbarkeit ist still.
Heute spricht sie nicht mehr viel.
Nicht, weil sie nichts zu sagen hätte.
Sondern weil niemand mehr zuhört.
Und was ist Sprache ohne Ohr?
Ein Schrei, der sich selbst verschluckt.
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