Hinter meiner ablehnenden Scheu gegenüber echten Tunten, unter denen ich besonders gezierte und effeminierte Homosexuelle verstehe, wittere ich manchmal Reste eines fraktionistischen Denkens, das ich eigentlich als der Sache der homosexuellen Weltrevolution abträglich empfinde. Natürlich sind private Idiosynkrasien legitim, so lange sie nicht ins Diffamatorische oder offen Aggressive umschlagen, aber gerade unsere langwimprigen Schwestern, die sich anders als die schwule Mehrheit nicht hinter bürgerlichen Anpassungsritualen oder einer Überbetonung der Männlichkeit verbergen, brauchen Schutz und Solidarität in einer nach wie vor reichlich unerlöst anmutenden Welt. Ich denke mal, der nächsten Tunte, die mir auf der Straße oder anderswo begegnet, werde ich, selbst wenn sie in Gestalt eines blondondulierten Mittsechzigers mit Straßarmband und Entengang daherkäme, ein Lächeln schenken, vielleicht auch ein 4711–Erfrischungstuch.
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