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Horst Tappert, am 18.6. 2008 um 23:42:03 Uhr
Tschernobyl

In freudiger Erwartung sollten wir uns alle um das lieblich wärmende Nuklearfeuer versammeln und auf den nächsten fröhlich strahlenden Unfall warten, der uns allein schon aus statistischer Notwendigkeit heraus früher oder später beglücken wird.

Dass dieser Unfall keinesfalls aufgrund mangelhafter oder gar fehlerhafter Technik eingetreten ist, sondern aufgrund einer Verkettung von menschlichen Entscheidungen - die nicht einmal als falsch beschrieben werden können - ist erheblich alarmierender als die Tatsache, dass das Kernkraftwerk in Tschernobyl eigentlich tadellos funktionierte (was man von einigen Apparaten in Deutschland nicht behaupten kann) und es wesentlich fehlerhaftere Dinger im laufenden Betrieb gibt.
Besuchen Sie Schweden - >>VOR dem GAU.

Da es aus unerklärlichen Gründen kein valides Protokoll auf Deutsch von der Katastrophe im Netz gibt - weder von Greenpeace, Spiegel, noch den Behörden, stelle ich hier gerne einen kurzen und sehr leicht verständlichen Abriss der Abläufe rein.

Fazit am Anfang: Es ist scheißegal wie modern ein Reaktor ist, wo er steht oder wie hoch die Sicherheitssystem sind.

Eventuell wird auch klar, warum 2008 ein europaweiter Atomalarm ausgelöst wurde: Kühlwasserverlust im Primärkreislauf ist fatal und hätte fast zu einem GAU geführt. Mit Glück wurde das Ding in Tschechien wieder runtergefahren.

Hier der Ablauf in Tschernobyl:

- Vorbereitung für einen Sicherheitstest
- Kurz zuvor benötigte Kiew mehr Strom: der Reaktor wurde auf höhere Leistung gefahren
- deshalb Verschiebung des Tests auf die Nachtschicht
- Einleitung des Tests und zu starkes Absenken der Reaktorleistung wegen mangelhafter Übergabe an die Nachtschicht (Fehler 1)
- Herausziehen zahlreicher Kühlstäbe um die vorgeschriebene Minimalleistung aus Sicherheitsgründen für einen Test wieder zu erreichen (zulässige Reaktion auf Fehler 1)
- Beginn des Tests durch Zuführen erhöhter Mengen Wassers in die Kühlsysteme A und B (normale Prozedur)
- Erhöhte Dampfproduktion im Separator wodurch dort der Wasserpegel sank (normale Prozedur)
- Nothalt des Reaktors wurde deaktiviert, um den Test weiter durchführen zu können (zulässige Prozedur)
- Um den gesunkenen Wasserpegel im Dampfseparator auszugleichen führte man zusätzliches Wasser in den Kreislauf (zulässige Reaktion)
- Durch das zusätzliche Wasser UND die zusätzlichen Pumpen war die Reaktorleistung zu niedrig für den Test (dies ist der eigentliche Auslöser des GAU)
- Manuell wurden deshalb fast alle Stäbe aus dem Kern entfernt (nicht zulässig, führte aber zur Stabilisierung des Systems)
- Zusätzlich wurde der Wasserzufluss reduziert, um die Kühlung zu reduzieren und die Leistung zu erhöhen (zulässige Maßnahme)
- Die großen Mengen verblieben Wassers verdampften im Kern schlagartig, da die Kühlstäbe (bis auf 8 automatische Sicherheitsstäbe) fehlten und das Wasser nur langsam abgepumpt werden konnte: die Leistung war nun stabil im vorgeschriebenen Sektor für den Test

Folgen: Die Leistung des Reaktors waren nun auf allen Anzeigen »normal«: Die Leistung war stabil, der eigentliche Test konnte beginnen:

- Turbinenabschaltung
- Entfernung der restlichen Sicherheitsstäbe für geplante 10 Sekunden.
- Das Abschalten der Turbinen führt normalerweise zu einem Absinken der Reaktionen im Kern; daher wurden die Sicherheitsstäbe als normale Reaktion entfernt, denn als Folge der Turbinenabschaltung erhöht sich normalerweise der Druck im System stark, wodurch der Dampfanteil im Reaktor sonst immer absinkt. Das passierte aber nicht, da man ja vorher schon den Zufluss von Wasser als Reaktion auf die zu niedrige Leistung im Reaktor gedrosselt hatte
- Unkontrollierte Dampfentwicklung im Kern.
- Notabschaltungsknopf AZ-5 wurde betätigt, der zuvor jedoch deaktiviert wurde
- Die Temperatur im Kern stieg auf das Einhundertfache der zulässigen Maximalleistung.
- Uranstäbe schmolzen, Reaktion mit dem Kühlwasser
- Dampfexplosion
- Explosion der Druckkammern
- Vollständige Kernschmelze








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