Zahlreiche Diplomaten aus dem Süden beklagten sich über die Einschüchterungsversuche der EU und der USA. Während der US-amerikanische Repressionskatalog die Streichung von Entwicklungshilfezahlungen sowie das Führen schwarzer Listen »anti-amerikanischer Länder« umfasste, drohten Beamte der EU-Kommission missliebigen Ländern mit der Aussetzung von Handelsvergünstigungen. Um derartige Praktiken »ökonomischer Kanonenbootdiplomatie« zukünftig wenigstens einzudämmen, forderten Christian Aid und andere Hilfsorganisationen einen Verhaltenskodex für faire Handelsverhandlungen.
Seit den Terroranschlägen vom 1 1. September 2001 und dem Afghanistan-Krieg trommelten Freihandelsbefürworter noch leidenschaftlicher für eine neue Handelsrunde. Die USA gaben ihre im Vorfeld zunächst recht reservierte Haltung gegenüber einer neuen Runde auf und zeigten sich in Qatar relativ flexibel. Die EU hingegen trat schon vor Seattle für eine umfangreiche Agenda ein, da sie nur so Kompensationen für etwaige Zugeständnisse beim Abbau ihrer gigantischen Agrarsubventionen erreichen kann.
Was wurde in Qatar beschlossen? Neben den schon seit Anfang 2000 begonnenen Neuverhandlungen zu Landwirtschaft und Dienstleistungen soll es weitere Verhandlungen über den Marktzugang für Industriegüter, Subventionen, Anti-Dumping-Maßnahmen und Umweltfragen geben. Ferner beginnen Vorverhandlungen zu den äußerst umstrittenen Themen [nvestitionsschutz, Wettbewerbspolitik, öffentliches Beschaff ungswesen und Handelserleichterungen, z.B. im Bereich der Zollabfertigung. Über die endgültige Verhandlungsaufnahme soll bei der kommenden Ministerkonferenz in zwei Jahren entschieden werden. Wir können sicher sein, dass die Industriefänder mit massivem Druck den Süden dann abermals auf Linie bringen werden. In Qatar hatten viele Entwicklungsländer,
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r vor allem Indien, bis zuletzt heftig gegen die
darunte . Sie befürchten, dass Aufnahme dieser Themen opponiert
nationale Regulierungen zur Steuerung ausländischer Dium Schutz inländischer Produzenrektinvestitionen oder z
ten geschleift werden können-
Die F:U hat einen Teil ihrer urnweltpolitischen Forderungen durchgesetzt, jedoch ist das Ergebnis zwiespältig. Geradezu kontraproduktiv sind die angekündigten Verhandlungen zur Beseitigung von Zöllen und anderen Handelshemnissen auf Umweltgüter und -dienstleistungenEinerseits schließt dies umweltschädliche Dienstleistungen wie die VViederaufarbeitung atomaren Abfalls ein. Andererseits kann es zu Marktöff nungen bei der \Nasserversorgung oder Müllbeseitigung führen, mithin bei Umweltdienstleistungen, die häufig von der öffentlichen Hand
erbracht werden.
Die zusätzliche Erklärung zum Patentschutzabkommen TRIPS und dem Zugang zu Medikamenten blieb unbefriedigend. Indien, Brasilien und zahlreiche weitere Entwicklungsländer setzten sich für eine Erklärung ein, die es ihnen erleichtern würde, im Falle von Gesundheitsnotständen den Patentschutz auf Markenmedikamente auszusetzen und Zvvangslizenzen an in- oder ausländische Hersteller günstiger Nachahmerprodukte zu vergeben. Während Industriestaaten wie die USA regelmäßig Zwangslizenzen vergeben, verhindert der massive Druck der Pharmaindustrie, dass der Süden ebenfalls zu diesem Mittel greift. Die Initiative wurdejedoch wachsweich abgefedert, dasTRIPSAbkommen »sollte die Mitglieder nicht daran hindern, Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu ergreifen«, heißt es in der verabschiedeten Fassung der
Erklärung.
Letztlich wurden den Entwicklungsländern in Qatar nur wenige Brosamen hingeworfen. Hierzu gehören u.a. die Verhandlungen über Fischereisubventionen und Anti-Dum-
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