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tootsie schrieb am 30.3. 2007 um 13:02:06 Uhr über

Traumspeicher

Präludium:

Ich habe irgendwelche Drogen im Rucksack und drücke mich in den Schatten von Sträuchern. Es dämmert plötzlich, und ich schnüffele an einer kleinen, goldenen Dose. Mir wird schwach. Mein Versteck ist eine kleine Baumgruppe am Überlauf der Klärteiche. Es ist ein schwüler Nachmittag, aber durchdrungen von zäher Dämmerung. Ich überlege, ob ich kiffen soll, entscheide mich aber dagegen. Ich habe Angst, vom Förster erschossen zu werden und ziehe es vor, mein Versteck vor Einbruch der Dunkelheit zu verlassen. Ich höre eine Erntemaschine, die über die Wiese neben mir fährt. Sie ist riesig. Erinnert eher an einen Bagger in einem Tagebau. Die Maschine mäht das Gras. Ich nähere mich der Bahnstrecke, die den Trampelpfad ersetzt hat und fahre nachhause. Ich habe eine Fahrkarte. Ein anderer Reisender nicht. Mir kommt das alles nicht im Geringsten seltsam vor.



Erste Sequenz:

Ich habe beschlossen, an irgendeinem Kurs für Amateurbiologen teilzunehmen. Mein Mikroskop steht vor mir auf dem Tisch und ich projiziere mein Präparat auf den Schirm. Dabei muss ich die Lampe festhalten, und alles schwankt etwas. Der Raum erinnert an einen Keller; das Licht ist gedämpft und grünlich. Es stammt aus den Aquarien hinter uns. Ich sitze an einer Werkbank in der letzten Reihe. Diese Bank ist alt, verschlissen und wirkt stabil.

Hinter mir erklärt die Dozentin, was bei der Haltung von Wassermäusen zu beachten ist. Ich habe nie zuvor in meinem Leben Wassermäuse gesehen oder auch nur von ihnen gehört. In einem der Becken hinter mir wuselt ein kleines, von Luftblasen versilbertes Säugetier durch sein Aquarium. Über der Wasseroberfläche ist eine kleine Höhle angebracht.

Neben mir sitzt meine Cousine. Sie hat die Embryonen aus Hühnereiern präpariert und eine Entwicklungsreihe erstellt. Ich bin maßlos neidisch. Es gibt sogar einen kurzen Film! Eigentlich ist sie nur Krankenschwester, aber plötzlich hat sie nebenbei das Abitur gemacht und irgedeinen Diplomstudiengang abgeschlossen. An einer FH. Ich fühle mich miserabel, weil ich gerade mal mein Grundstudium abgeschlossen habe. Mit durchschnittlichen Ergebnissen. Ich könnte kotzen vor Neid.

Irgendwoher kommt ihre Famile. Ihre Mutter und ihre Schwester sind schwarz und nackt. Das Lampenlicht glänzt auf ihren perfekten Körpern. Irgendwem raune ich zu, ich würde doch sterben, wenn meine Famielie nackt und frisch gefickt irgendwo auftauchen würde, und so täte, als wäre nichts dabei.

Zweite Sequenz:

Ich bin auf dem Heimweg vom Präparierkurs. Meine Cousine hat mir das Leben sauer gemacht. Ich fühle mich wie ein Versager und will sterben. Irgendwie muss ich nachhause. Irgendwer - ich glaube, es war die Cousine - hat mir gesagt, ich muss durch das Fenster in die Wohnung meiner Tante. Dort wohnt aber jemand anders. Gut. Irgendwie komme ich durch das Fenster in die Wohnung. Ich sehe fern. Was ich dort soll, weiß ich nicht. Die Wohnung ist eng und vollgestellt. Ich mag dem Besitzer nicht begegnen und gehe weg, um endlich nachhause zu kommen. Allerdings hält mich der Besitzer auf. Ich hätte etwas kaputt gemacht. Ich bin der Ansicht, es sei nicht meine Schuld. Ein Lampenschirm, der durch das Einschalten des Fernsehers zerbrochen ist. Ich soll ihn ersetzen. Ich vertröste den Besitzer auf morgen; ich würde ihm den Schaden ersetzen. Allerdings ist er ein Prolet und sitzt mit seinen Proletenfreunden zusammen. Die haben angefangen, sich zu streicheln. Einer fummelt an meinem Bein herum, aber er ist hässlich wie die Nacht. Trotzdem gefällt es mir. Sie versuchen herauszufinden, wer schwul ist, indem sie sich gegenseitig streicheln. Wer eine Latte kriegt, hat ein Problem. Irgendwie verdrücke ich mich.

Dritte Sequenz:

Ich komme von irgendwo und laufe zu den Klärteichen. Dabei singe ich in Kopfstimme »By the rivers of Babylon«. Der Himmel ist bedeckt aber hell. Das Gras zu meinen Füßen ist fett und grün. Ich rase den Weg hinunter, der plötzlich stark gewunden ist und ich singe. Niemand kann mich hören, und ich singe der Welt einen unsterblichen Choral. Die Teiche sind zu riesigen Seen geworden. Das Wassser ist natürlich überdüngt und die Pflanzen sind fett. Ein fruchtbarer, satter und feuchter Geruch steigt mir in die Nase. Ich rase vorbei an einem Wachturm. Der ist neu. Er steht halb im Wasser und ich erkenne Wohnungseinrichtung. In meiner Hand halte ich einen Steckling, den ich am Überlauf einpflanzen soll/will/muss. Das geschieht auch, aber ich bin merkwürdig zweigeteilt. Ein alter Mann und ein Junge mit einem Steckling.

Vierte Sequenz:

Ich erfahre, dass ich die Prüfung doch nicht bestanden habe. Ich trinke Alkohol und kann nicht mehr gehen. Mein Kopf ist übernatürlich klar. Mein Vater fragt, ob ich was getrunken hätte. Ich bejahe. Er verachtet mich, weil ich die Prüfung nicht bestanden habe und besoffen gegen die Karosserie einen Oldtimers getorkelt bin. Ich beschließe, ihm Einiges an den Kopf zu werfen: dass er mich nie als Sohn anerkannt hat, weil ich mich nicht für seine Scheiß Technik interessiere. Ich bin wütend und verletzt. Oben in der Wohnung versuche ich, mich selbst zu verletzen. Es gelingt mir nicht. Ich rase und tobe, werfe mit Flaschen und Münzen. Meine Mutter versucht schwach, mich aufzuhalten. Ich nehme einen Strick und gehe auf den Dachboden. Ob Mutter mir folgen wird? Ich hoffe es. Nichts passiert. Ich lege den Strick um einen Balken. Es gelingt nicht. Der Balken ist nur noch ein dünnes Brett. Ich lege mir die Schlinge um den Hals und würge mich selbst ein wenig. Sterben will ich nicht; ich will nur, dass die permanente Frustration durch das Leben an sich endet. Ich will wieder ein toller Hecht sein! Wie früher!

Fünfte Sequenz:

Ich bin unterwegs mit Professor Wotjak und einigen Mitschülern. Wir diskutieren, aber eigentlich liegt Abschied in der Luft. Oder besser Aufbruch. Alle befinden sich in der Wohnung meiner Großmutter. Es gibt Sekt, und ich trinke mit schlechtem Gewissen. Eine Mitschülerin hat einen luziden Einfall. Figuren im Roman als Fenster der Seele. Jeder Mensch versammele ein Kaleidoskop von unterschiedlichsten Welten in sich. Dies finde Ausdruck im Roman. Ich greife ihre Idee auf und spinne sie weiter, aber niemand achtet darauf. Irgendetwas ist zerbröselt auf dem Teppich. Ich muss Staub saugen. Ich entschuldige mich für den Krach. Meine Verwandtschaft taucht auf.


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