Traum vom 2. 2. : Ich lasse mich in einem Taxi kreuz und quer durch eine abendliche Stadt fahren, die Züge von Köln, Stuttgart und Iserlohn aufweist. Andauernd steigen kleine Grüppchen gutgelaunter Herren meist mittleren Alters hinzu, die stets vor mir aussteigen und trotz unterschiedlicher Haltepunkte alle dasselbe Ziel zu haben scheinen. Ich bin unsicher, ob es sich um eine Konferenz, ein Geschäftsessen oder einen Betriebsausflug handelt, vermute aber letzteres. Schließlich lasse auch ich mich in einer Kneipe am Berg absetzen, die mir aufgrund des schlechten Wetters und ihrer windschiefen Anmutung wie eine deutsche Version des 'Gasthaus Jamaica' aus dem gleichnamigen Film erscheint. Als ich die stickige und überfüllte Schankstube betrete merke ich, daß sich hier alle Männer versammelt haben, mit denen ich zuvor im Taxi gefahren bin. Sie sind immer noch sehr aufgeräumt, aber keiner von ihnen scheint mich wiederzuerkennen. Der Umschwung vom Kalten in die Kneipenwärme reizt meine Blase, und ich suche die Toilette auf. Die erkenne ich als die recht ungepflegte Örtlichkeit des Düsseldorfer Lokals 'Rheinpark' wieder, und an den Urinalen stehen zwei Herren mit offensichtlichem Interesse füreinander, jedoch ebenfalls in dieser bei solchen Anlässen eher unüblichen kumpelhaften Geschwätzigkeit. Selbstredend nicht schockiert, aber aufgrund meines Harndrangs auch nicht näher interessiert, baue ich mich einige Becken weiter auf, als aus dem Vorraum eine fürchterliche Schimpfkanonade über 'widerwärtige Unzucht', 'die Sünde Sodoms' und so weiter ertönt. Die beiden Herren zu meiner rechten knöpfen sich hastig zu und sind schon verschwunden, als der Urheber dieses Geschreis eintritt: es ist, wie ich an seinen Schläfenlocken, Tefillin, dem Hut und der krähenartigen Umkuttung sofort erkenne, ein orthodoxer Jude, etwa Mitte zwanzig. Komischerweise fängt auch er während seines Geschäfts an, mit mir zu reden, wobei er noch einmal die Sündhaftigkeit unkeuschen Verhaltens betont, mich jedoch, in diesem Falle zu Recht, in keinem Verdacht zu haben scheint. Im Gegenteil, er wird sehr vertraulich, und im Waschraum vertraut er mir ein kleines Päckchen an, mit der Bitte, es auf meiner nächsten Urlaubsreise »einfach ins Meer zu werfen, Sie wissen schon, wo«. Der Nachwuchschassidim geht ab, und ich bleibe mit der schwarzen Schachtel in der Hand einigermaßen verdattert zurück.
Die Versatzstücke des Traums sind alle vergleichsweise leicht aufzuschlüsseln, ihre Deutung selbst vorzunehmen widerstrebt mir fast ein wenig, so eindeutig scheint mir das ganze. Hervorheben möchte ich nur, daß mir dieser genau so stattgehabte Traum den zweifelsfreien Beweis erbracht hat, daß ich in Farbe träume: noch jetzt steht mir wie eine Filmeinstellung das Bild des jungen Juden in seiner schwarzen Einrahmung hinter einer gelben Kachelwand vor Augen, auf dessen Gesicht aus dieser Nähe rötliche Flecken zu erkennen waren, ob es sich um eine ausheilende Akne oder eine Stoffwechsel- oder Durchblutungsstörung handelte, konnte ich nicht herausbringen; das sind auch Dinge, die man orthodoxe Juden nicht im Waschraum einer deutschen Bierkneipe fragen sollte.
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