>Info zum Stichwort Träume | >diskutieren | >Permalink 
jochbert schrieb am 1.2. 2025 um 22:34:12 Uhr über

Träume

S. frequentirte nach Absolvirung des Gymnasiums vorläufig den Antikensaal der Akademie, ohne sich daselbst besonders heimisch zu fühlen, und doch erhielt sein für Formenschönheit scharf empfängliches Auge hier schon ein ausgeprägtes Stylgefühl und eine classische Gewandtheit, selbes zum künstlerischen Ausdrucke zu bringen. Ebenso förderte ihn, gleichfalls mehr als er je zugestehen wollte, die Aufnahme und Beschäftigung im Atelier des damals auf der Höhe seines Ruhmes angelangten Professors Ludwig Ferdinand v. Schnorr, dessen Mysticismus und Farbeneffecte indessen auf den lustigen S. ebenso unsympathisch wirkten, wie der Rumor in Peter Krafft’s Schlachtenbildern. Da Schwind’s Verhältnisse eigenen Erwerb sehr wünschenswerth machten, so zeichnete er Neujahrskarten undTurniereals Bilderbogen für J. Trentsensky, unter welchen die ringenden Ritter (No. 22 dieser bis in die neueste Zeit immer noch beliebten und vielfach nachgedruckten Blätter) unwillkürlich an die nachmaligen „Akrobaten-Spiele“ (in No. 251 und 252) der „Münchener Bilderbogen“ gemahnen. Aus dieser Zeit stammt eine ganze Reihe von Skizzen, welche S. zu Kenners Balladen von „Stillfried und Sigunde“ zeichnete; leider kamen weder die Dichtung noch die Illustrationen in die Oeffentlichkeit; auch von den zwölf „Vignetten“ zu einer von Schubert (als Op. 38 bei Cappi und Comp. 1825) componirten Dichtung Kenners gelangte nur eine derselben als Titelverzierung zum Druck. Außerdem wurden viele Porträts gemalt z. B. der Hofschauspielerin Sophie Schröder (lithographirt bei Trentsensky als Beigabe zu Hormayr’sArchiv“ 1823 No. 146); in einem an Schober gerichteten Briefe vom 6. Mai 1824 beziffert S. die Zahl schon auf dreißig! und allerlei Genrebilder, darunter ein alter, brodabschneidender Knappe (der sog. „Brodschneider“) und ein biblischer Stoff, wieJoseph im Kerkerdem Mundschenk und Bäcker die Träume auslegt. Dann entwarf er eine Serie von sechzig Grabdenkmälern (die sog. „Gräber“) für allerlei Leute und drei Blätter zuBalladenfür Trentsensky, einen großenChristophund dieVision eines Ritters“, welcher eine gefesselte Jungfrau erlösen will (später alsRitters Traumbild“ umgearbeitet als No. 128 der Wiener Schwind-Ausstellung 1871) und allerlei andere Scenen, in welchen er nach Goethes Vorbild, seines Herzens eigene Erlebnisse lyrisch-künstlerisch gestaltete. Zu Anfang des Jahres 1825 entstand in angestrengtem, alles vergessendem Schaffen, der „Hochzeitszug des Figaro“ – der erste große Flügelschlag des seiner Kraft bewußtwerdenden Genius! Es sind über hundert Figuren auf 29 Blättern: Eine Fülle von Schönheit, Adel und Sicherheit der Form, wie sie nur unserm Schwind eigen war. Reiter eröffnen den Zug, dann folgen Trompeter und Pauker, zwei Bläser und ein Waldhornist, zwei Geiger und ein Baßspieler – ächte Musikanten wie sie nur S. schaffen mochte; auf einem Blatt hat er auch sein Porträt untergebracht, wie denn überhaupt viele seiner Freunde mit unverkennbarer Aehnlichkeit hier mitspielen. Das Brautpaar sind Figaro und Susanne; der Graf und die Gräfin gehen auch mit, dazu Tänzer, Soldaten, Gäste und Masken; der verliebte Papageno, die vier Jahreszeiten, darunter schon jene Personification des Winters, wie er aus dem „Radir-Almanach“, zuerst mit Versen von Hermann Rollett in No. 124 der „Fliegenden Blätter“ (VI. Bd. No. 4) und darauf in No. 5 der „Münchener Bilderbogen“ die Reise um die Welt machte. Schon damals sahen, wie Wilhelm Chezy in seinen Erinnerungen (Schaffhausen 1863, II, 81) berichtet, einzelnedie Bürgschaft einer großen Zukunftin diesem Werke; Frau Helmine v. Chezy („Unvergessenes“ Leipzig 1858 II, 266) [451] gerieth darüber in gerechtes Entzücken, sie lobte nächst dem überschwänglichen Humor die Gedankenfülle, Heiterkeit und Kraft. Auch Grillparzer freute sich innig daran, übrigens vielleicht mehr aus musikalischem Interesse als künstlerischem Verständniß, welch’ letzteres bei dem großen Dramatiker immer stark unausgebildet blieb. Durch Grillparzer kamen die Zeichnungen zu Beethoven, welcher selbe noch in seiner letzten Krankheit bewunderte. Nach seinem Tode gingen sie an S. zurück, aus dessen Nachlaß diese Perle wieder zum Vorschein kam, leider blieb das Werk bisher noch immer Manuscript und fand nicht den Weg in die Oeffentlichkeit, wie denn in des Künstlers Nachlaß noch ein ganzer Schatz „Inedita“ zu einem interessanten „Schwind-Albumvorhanden liegt. – Indessen wogte in der Phantasie des jungen Meisters eine ganze Fülle von Entwürfen, dazu gehören die Illustrationen zu einer Classikerausgabe, wovon uns ein paar Blätter zu Hans Benedix und Nathan dem Weisen bekannt geworden, ein Cyclus „Kinderbelustigungen“, ein großes Tableau mit „Zriny’s Ausfall aus der belagerten Festung Szigeth“ – ein Kapitalblatt mit figurenreicher Composition (lithographirt bei Trentsensky; ebendas. erschien auch ein lithographirtes Porträt desNikolaus Grafen von Zriny“). Dazu sechs Blätter zu Robinsons Aventüren (ebendas.); eine große Anzahl Titelvignetten zu Clavierstücken aus dem Barbier von Sevilla, zu Tancred, Othello, zur diebischen Elster u. s. w. Auch eine durch S. illustrirte Ausgabe von „Shakspeares sämmtlichen dramatischen Werken, übersetzt im Metrum des Originals“ (von E. v. Bauernfeld, Ferdinand Mayerhofer und anderen), Wien 1826 bei J. Sollinger ist hier zu verzeichnen. Zu jedem Drama, welches auch in einzelner Ausgabe erschien, zeichnete S. auf den Titelumschlag eine bei Trentsensky lithographirte Vignette; auf dem Titel die schwebenden Figuren der tragischen Muse mit dem Lustspiel und einer gekrönten Tuba-Bläserin (Fama). Dann die Titel-Bildchen zuTausend und Eine Nacht“ (deutsch von Max Habicht, Fr. H. v. d. Hagen und Karl Schall, Breslau 1824 ff. in 15 Bänden; 4. Aufl. 1836; 5. Aufl. 1850), ein Auftrag, der durch Schober’s Vermittelung aus Breslau an S. gelangte und jedenfalls schon 1823 gezeichnet sein mußte, da die ganze Ausgabe lieferungsweise im Jahre 1824 begann; sie errang den Beifall Goethes, welcher den jungen Künstler mit einer wahren dithyrambischen Anerkennung (im 6. Band von Kunst und Alterthum, abgedruckt in der Vorrede zum „Radir-Almanach“ und bei Führich S. 14) begrüßte. Wenn Goethe über diese verhältnißmäßig jugendlichen Leistungen in solche Begeisterung gerieth, was hätte er dann erst überRitter Kurts Brautfahrt“ und die späteren unvergleichlichen Zeichnungen Schwind’s sagen müssen, worauf unsere neuesten Impressionisten freilich mit chauvinistischer Verachtung herabzublicken belieben. Die Kinderkrankheit der Pleinairmalerei ist indessen nur eine Modesache – glücklicherweise verfiel S. niemals der wechsellaunigen Mode und wird somit als ächter Künstler über allem Parteihader verbleiben.


   User-Bewertung: +1
Zeilenumbrüche macht der Assoziations-Blaster selbst, Du musst also nicht am Ende jeder Zeile Return drücken – nur wenn Du einen Absatz erzeugen möchtest.

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »Träume«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »Träume« | Hilfe | Startseite 
0.0184 (0.0086, 0.0084) sek. –– 868589234