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prediger schrieb am 18.1. 2007 um 11:54:47 Uhr über

Totgeburt

Kurz vor meinem 21. Lebensjahr, im April 1983, heirateten mein Mann und ich. Bald darauf beendete ich mein Studium und wurde schwanger. Wir waren glücklich. Alles verlief nach unseren Vorstellungen. Doch in der 8. Schwangerschaftswoche hatte ich eine Fehlgeburt. Ich war traurig, sehr traurig, konnte nicht fassen, was da geschehen war.

Im Oktober 1984 kam mein Sohn mit nur 1290 g in der 28. Schwangerschaftswoche auf die Welt. Aufgrund einer Querlage mit Armvorfall wurde er per Kaiserschnitt entbunden. Ich erholte mich nur langsam, plagte mich mit einer schweren Gebärmutterentzündung und meine Wunde heilte sehr schlecht. Dann die Angst um unseren Sohn. Erst nach einem Vierteljahr durften wir ihn mit nach Hause nehmen. Er hatte es geschafft, war gesund und wir überglücklich.

Unser Sohn sollte kein Einzelkind bleiben, die Schmerzen der ersten Entbindung waren schnell vergessen. Doch ich wurde nicht schwanger. Erst einige Jahre später erfuhr ich die Ursache. Meine beiden Eileiter waren aufgrund der Gebärmutterentzündung nicht mehr durchgängig. Mein Wunsch, ein weiteres Kind zu haben, sehr groß. Ich stimmte einer Operation zu. Große Hoffnung machten mir die Ärzte jedoch nicht.

Doch es klappte. Noch einmal wurde ich schwanger, jedoch endete diese Schwangerschaft sehr schnell mit einer erneuten Fehlgeburt. Ich verstand die Welt nicht mehr! Den Kinderwunsch versuchte ich aus meinem Kopf zu verdrängen.

Völlig überraschend, ich konnte es nicht fassen, wurde ich doch schwanger und dieses Mal keine Anzeichen einer Fehlgeburt. Es kamen jedoch andere Probleme auf uns zu. Wir mussten umziehen und mein Vater lag im Sterben. Außerdem diagnostizierte mein Arzt eine Zervixinsuffizienz. (Der Muttermund schließt sich nicht wie gewöhnlich bei einer Schwangerschaft mit einem Schleimpfropf.) Er riet mir zu einer Cerclage. Im Krankenhaus wurde meinen Muttermund zur Sicherheit mit einer Naht verschlossen. Ich musste mit der Einnahme eines wehenhemmenden Mittels beginnen.

Nur zwei Tage im neuen Heim, wurde ich von meiner neuen Ärztin in das dortige Krankenhaus eingewiesen. Ich durfte es bis zur Geburt nicht verlassen, viel liegen, Ruhe, Wehenhemmer!

Am Ende der 27. Schwangerschaftswoche waren die Wehen sehr stark. Man riet mir zu einer Verlegung in ein Klinikum mit angeschlossener Frühgeburtenstation. Ich stimmte zu, war dort jedoch sehr unglücklich. Ich lag im Schmutz und war nicht einverstanden mit der ärztlichen Betreuung. Die Wehen hörten auf, also eine Rückverlegung in das kleine Krankenhaus, wo ich bereits viele Wochen unter guter und fürsorglicher Betreuung gelegen hatte. Ich hoffte so sehr, mein Kind würde noch einige Wochen in meinem schützenden Leib verbringen dürfen, um bei der Geburt die nötige Reife zu haben.

Es kam anders. Nach 29. Schwangerschaftswochen waren die Wehen nicht mehr aufzuhalten. Wieder ließ ich mich in das Klinikum mit Frühgeburtenstation - zum Wohl meines Kindes - verlegen. Im Nachhinein sollte sich dies als großer Fehler herausstellen. Die verantwortliche Ärztin zog den Cerclagefaden nicht korrekt, eine Hebamme weigerte sich Hilfe zu holen, als meine Gebärmutter am Zerreißen war und ich vor Schmerzen schrie. Meinem Mann, der in das Geschehen eingriff, habe ich zu verdanken, dass ich noch am Leben bin. Ich habe es geschafft, unsere Tochter musste sterben.

Zwei Tage ließ man meinen Mann nicht zu mir. Ich war nicht imstande zu begreifen, dass meine Katja tot war, wir sie beerdigen lassen mussten. Ich hatte nicht die Kraft sie zu sehen und zu berühren. Man machte mir auch keinen Mut. Es wurden keine Fotos gemacht, wir haben keine eine Erinnerung an sie, außer ihrem Namen auf dem Grabstein.

Zwei Wochen lag ich in diesem Klinikum ohne dass man am Tod unserer Katja Anteil nahm. Für mich Tage der Qual und Verständnislosigkeit.

Kurz darauf betreute ich für einige Wochen meinen Vater. Erst jetzt verstand ich, wie wichtig es ist, einen Menschen zu sehen, ihn zu berühren, mit ihm zu sprechen, um überhaupt eine natürliche Trauer zu beginnen. Als auch mein Vater für immer die Augen schloss, brach ich seelisch zusammen.

Erst ein Jahr später hatte ich die Kraft, einen Rechtsstreit gegen das Klinikum, in dem unsere Tochter starb, aufzunehmen. Er zog sich über vier lange Jahre hin, kostete viel Kraft. Aber ich würde es immer wieder tun.

Um meine Trauer, die Wut und die Verzweiflung aufzuarbeiten, schrieb ich mir alles von der Seele. Immer wieder tauchte ich in die Vergangenheit ein. Daraus entstand mein BuchZum Sterben geboren“, in dem meine Katja weiter lebt. Ich habe es überlebt. Heute geht es mir wieder besser. Aber es war ein schwieriger Weg. Meine Katja lebt in meinem Herzen und auch wenn sie nicht lebt, werde ich sie aufwachsen sehen. Trauer gehört nun zu meinem Leben dazu. Die Vergangenheit kann man nicht löschen. Man muss lernen, mit ihr zu leben.



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