Mir fehlt etwas. Das heißt: Meine Einstellung zum Leben und zu den Menschen im Allgemeinen unterscheidet sich in mindestens einem Punkt irgendwie ziemlich stark von dem, was ich so tagtäglich als, naja, Usus, also, die »normale« Einstellung zum Leben und zu den Menschen bei anderen erlebe. Die normale Einstellung - so suggeriert mir zumindest meine Wahrnehmung - ist offensichtlich, daß man als Mensch Freunde und Feinde hat, anders gesagt, daß man liebt und haßt. Und tatsächlich: Je besser ich einen Menschen meiner Umgebung kenne, desto mehr fällt mir auf, wen der liebt und wen er haßt. Das wird nicht bei jedem offen herumgetragen. Aber im entspannten Gespräch erzählt jeder früher oder später über diesen einen, den er so abgrundtief verachtet, dieses Arschloch, das ... das also irgendwie ganz, ganz schlimm ist und deshalb seinen Haß verdient.
Anders gesagt: Ich kenne keinen unter den mir näher Befreundeten, der nicht irgendjemanden haßt. Und so macht es mich doppelt ratlos, wenn ich in mir suche und suche und einfach niemanden entdecke, der ein Gefühl des Hasses in mir weckt. Als Kind hatte ich hier und da mal Anflüge von Haß. Als Pubertierender habe ich mal einen zynischen Artikel in der Schülerzeitung veröffentlicht, weil ich einem bestimmten Lehrer zeigen wollte, daß ich mit seinen Methoden absolut nicht einverstanden bin. Aber seitdem... Ich könnte keine Person benennen, die bei mir den Status des Todfeinds hat. Könnte nicht einmal irgendjemandem den Status »Feind« angedeihen lassen. Mal abgesehen von diversen unerreichbaren Prominenten wie KaiDiekmann.
Menschen interessieren mich grundsätzlich. Und grundsätzlich unterstelle ich ihnen gute Motive.
Das ist vielleicht der Fehler, der mir einst zum Todfeind werden könnte.
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