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nicht jeden Tag hin und her, sondern mieten in einem Caf@ einen Haken, an dem sie ihr Schuhputzzeug aufhängen.  Der Besitzer kassiert dafür pro Nacht 3 Soles.  Der Anblick eines Hakens löst in diesen Kindern Haß gegen ihre Notlage aus.  Eine Königskrone, Uncle Sam oder ein Foto von Nixon beeindruckt sie nicht im geringsten.
Es ist recht einfach, einem Menschen, der niemals fotografiert
 hat, zu zeigen, wie man mit einem Fotoapparat umgeht.  Wie aber
 soll man ihm zeigen, wie man mit den komplexen Ausdrucksmitteln des Theaters umgeht?  Das erste Wort des Theatervokabulars ist der menschliche Körper.  Um die Ausdrucksmittel des Theaters beherrschen zu können, muß man den eigenen Körper beherrschen; damit er ausdrucksfähig wird, muß man ihn kennen.  Erst dann kann man Theaterformen anwenden, mit denen man sich schrittweise aus der »Zuschauer«-Situation befreit und zum »Akteur« wird.  Nur so ist man nicht länger Objekt, sondern wird zum Subjekt, von einem Zeugen des Geschehens zu seinem Protagonisten.  Diese Entwicklung vom Zuschauer zum Handelnden läuft über vier Phasen:
 
 1. Seinen Körper kennenlernen
 
 übungsfolge, um sich seines Körpers, seiner Fähigkeiten und Grenzen, seiner gesellschaftlich bedingten Deformation und der Möglichkeiten seiner Wiederherstellung bewußt zu werden.
 
 11.	Seinen Körper ausdrucksfähig machen
 
 Folge von Spielen, in deren Verlauf man sich nur in' 't seinem Körper, unter Verzicht auf gewohnte und alltägliche Mitteilungsformen, auszudrücken lernt.
 
 III.  Theater als Sprache
 
 Theater als lebendige Gegenwartssprache und nicht als fertiges Produkt, das Bilder aus der Vergangenheit vorführt.
 i. Simultane Dramaturgz'e
 Zuschauer »schreiben«, Schauspieler agieren.
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 2. Statuentheater
 Zuschauer greifen direkt ein.  Sie »sprechen«, indem sie die anderen zu lebenden Bildern gruppieren.
 3- Forumtheater
 Die Zuschauer greifen direkt ein in die dramatische Handlung, ersetzen die Schauspieler und agieren selbst.
 
 
 IV. Theater als Diskurs
 
 Einfache Formen, mit deren Hilfe man sein Bedürfnis, sich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen oder bestimmte Aktionen zu proben, in Theaterhandlungen umsetzt:
 Unsichtbares Theater
 Fotoroman-Theater
 Mythos-Theater
 Masken und Rituale.
 
 
 1. Seinen Körper kennenlernen
 
 Der erste Kontakt zu einer Gruppe von Bauern oder Arbeitern ist äußerst schwierig, wenn man sich vornimmt, »Theater zu machen«.  Wahrscheinlich ist ihnen »Theater« Oberhaupt kein Begriff, und wenn, dann haben sie eine vom Fernsehen, von schlechten Filmen oder irgendeinem Wanderzirkus verzerrte Vorstellung davon.  Sehr oft wird von ihnen »Theater« mit Müßiggang oder Luxus assoziiert.  Man muß sehr behutsam vorgehen, auch wenn der erste Kontakt von einem Mitarbeiter aus der gleichen sozialen Schicht angeknüpft wird, auch wenn er mitten unter ihnen, in
 1	einer ähnlichen Hütte, im gleichen Elend haust.  Schon die Tatsa che, daß er mit dem Auftrag, zu alphabetisieren, gekommen ist, was als Zwangsaktion wirkt, schafft Abstand.  Wir haben uns in unserer Arbeit mit der Landbevölkerung von außen nach innen vorgetastet.  Wir beginnen mit etwas, was den Teilnehmern nicht fremd vorkommt, wie das oft bei der Unterweisung in konventionellen Theatertechniken der Fall ist.  Wir fangen mit dem Körper an. Der Teilnehmer soll sich seines Körpers bewußt werden, seiner körperlichen Vermögen ebenso wie der Deformationen, denen sein Körper durch die ihm auferlegte Arbeit ausgesetzt ist.
 
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