Seit acht Jahren lebe ich hier, und kenne von Thüringen doch so gut wie nichts - kaum Meiningen, in dem ich lebe. Es ist eine sehr schwierige kleine Stadt - äusserlich hüpsch anzusehen mit ihrem historischen Ambiente, und dem kulturellen Monolithen des »Meininger Theaters«, das immer noch von den seinerzeitigen Verdiensten und dem hohen Anspruch seines 1916 verstorbenen »Theaterherzogs« getragen wird, also durchaus ein Ziel des Kulturtourismus - so ist Meiningen im Alltag doch eine triste Stadt. Das fängt an von dem deutlich unter Bundesdurchnitt liegendem schlechten Wetter, der eingeengten Lage zwischen Rhön und Thüringer Wald geschuldet. Es setzt sich fort in schlechten Verkehrsanbindungen, die jede kleine Reise auch nur in die nähere Umgebung zu einem zeit- und nervenraubenden Abenteuer machen. Das schwierigste indessen sind die Menschen hier. Bei oberflächlicher Freundlichkeit sind die Menschen sehr verschlossen und auf sich bezogen. Um Fremden gegenüber feindlich zu sein, brauchen sie keine Türken, Afrikaner oder Vietnamesen - es reicht, wenn jemand aus Schmalkalden oder Hildburghausen kommt, um ihn aus tiefsten Herzen abzulehnen. Ich habe viele Städte erlebt, auch viel kleinere als Meiningen, Gegenbach im Badischen zum Beispiel - die sagen »Ja« zum Fremden - heissen ihn willkommen, öffnen sich dem Fremden in hohem Maße. Meiningen hingegen sagt: »Nein«, sagt: »Wir wollen Dich nicht haben hier!« Es dauert Jahre, sich hier als Fremder wohl zu fühlen. Eine bleierne Borniertheit liegt über dieser Stadt, Jahrhunderte ist sie alt, und der Blick auf die jungen Meiningen zeigt wenig gutes. Die Weltoffenen, Lebensbejahenden, Freundlichen - sie gehen irgendwann weg. Was bleibt, sind die Rankesüchtigen, Mißgünstigen und diejenigen, die die Borniertheit ihrer Vorväter schon längst verinnerlicht haben. Eine traurige Stadt.
Peter K.
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