Terschelling hat schöne Dünen und eine windige salzige Luft. Aber dennoch fällt mir bei Terschelling immer zuerst jener Junge aus der Kinderfreizeit ein, der sich auf heftigste Weise erbrechen musste, aus einem mir nicht bekannten Anlass, vielleicht ein übles Essen oder die windige salzige Luft. Jedenfalls hatte er völlig weiße Haare und war von Natur aus blass bis zum geht nicht mehr, wie einer der Frietjof oder so heißen muss und als Fischerjunge in den Holzdocks von Trondheim arbeitet. Das Phänomen war aber, dass er ein so weißes Erbrochenes von sich gab wie eben seine Haare waren, was mich als Kind vor diesem jämmerlichen außerordentlichen Brechen fassungslos, ja geradezu fasziniert verharren ließ, mit heruntergeklappter Kinnlade ob jener unbegreiflichen Übereinstimmung seines Inneren und Äußeren. Im Prinzip war in der Tatsache der Unauslöschlichkeit dieser Erinnerung und unter der kindlichen Unschuld schon ein grundmieser Charakter erkennbar. Eine Zwangserinnerung zwar, aber deshalb nicht weniger verwerflich und verkommen, wie auch mein Zwangsgeflüster dieser Tage, als ein Nachbar mit seinem deprimierend und herzzerreißend trägen und alten Hund sich vor die Tür schleppte, bierbauchgehandikapt und mit seiner Frau hintendrein, die ihrer strähnigen Haare wegen immer so einen erschütternd kranken Eindruck macht, obwohl sie es vielleicht gar nicht ist, der aber noch verschärft wurde, als der alte Nachbar seinen Arm liebevoll um sie legte, um diese alte Ehe, als wären es ihre letzten Tage, während der Hund ihrem unendlich langsamen Gang trotzdem kaum folgen konnte, eine Parallelität von Hund und Mensch wie die von Erbrochenem und Haarfarbe, und das alles, als ich nur aus dem Fenster blickte, gänzlich flüchtig an die Nazis dachte und die Nachbarn mich nicht sahen, ich aber sie, und sich dann plötzlich flüsternd, gurgelnd und zwanghaft der Satz »Ich bin Hitler« als Atemhauch an der Scheibe niederschlug, mit der nachgeäfften dunklen, rauhen und alkoholismusverdächtigen Stimme von jenem kuriosen Paul, der an der Schwelle zur Pensionierung seine Tage in Angst vor den Abmahnungen seines Chefs zubringen muss, während all meine bemühte Herzlichkeit ihm nicht zu helfen scheint, dass er selbst vor mir einen Funken Furcht empfindet, was das allerschlimmste überhaupt ist, ein Verdacht, der mir ein so flaues Gefühl im Magen macht wie das Tragen eines ordentlichen Sakkos, vor mir nur ein Atom an Furcht, ein Grund, mich heulend auf den Teppich zu werfen.
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