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wuming schrieb am 18.4. 2003 um 02:28:51 Uhr über

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Mehr (Ivan) Illich



Tagesschau 04.12.2002

Kulturphilosoph Ivan Illich gestorben

Der Theologe und Kulturkritiker Ivan Illich ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Wie sein Verleger mitteilte,
erlag Illich in Bremen einem schweren Krebsleiden. Der gebürtige Österreicher wurde in den 50er Jahren
bekannt, weil er als katholischer Priester in einem Elendsviertel New Yorks arbeitete und in Gegensatz zur
Amtskirche geriet. 1969 verzichtete er auf das Priesteramt. Illich veröffentlichte bis in die 80er Jahre hinein
mehrere gesellschafts- und kulturkritische Werke.

Armenpriester, Zivilisationskritiker, Reformpädagoge

Ivan Illich galt als radikaler Denker. Als Sohn eines katholischen Kroaten und einer lutherisch getauften deutschen
Jüdin mit spanischen und amerikanischen Vorfahren sprengte er von Geburt an jeden Rahmen. Illich sprach acht
Sprachen; er hatte Geschichte, Kristallographie, Philosophie und Theologie jeweils bis zum Abschluss studiert.
Zuletzt lehrte er an der Universität Bremen. Er sprach vor höchst gemischtem Publikum unter anderem über die
»Zumutungen des richtigen Lebens«.

Nach der Priesterweihe wurde Illich Armenpriester in Puerto Rico, gründete eine Alternativuniversität (CIDOC)
in Mexiko, die angeblich »der Treffpunkt aller lateinamerikanischen Guerilleros« war, und bereitete der
katholischen Kirche einen beispiellosen Skandal: Der streitbare Geistliche konterte ein Glaubensverfahren der
Kurie mit der Offenlegung eines geheimen Dokuments. Er schmuggelte die 85 Fragen, die ihm die Kongregation
für die Glaubenslehre - Nachfolgerin der Inquisition - in einem Keller-Verhör in Rom vorlegte, an die
Öffentlichkeit und stellte die Kurie damit bloß. Anschließend verzichtete Illich darauf, weiterhin priesterliche
Funktionen auszuüben und seine kirchlichen Titel Päpstlicher Hausprälat und Monsignore zu führen. Im gleichen
Atemzug erklärte er jedoch, weder vom Breviergebet (in der katholischen Kirche das den Klerikern und
Ordensleuten vorgeschriebene Gebet zu bestimmten Tageszeiten ) noch dem Zölibat befreit werden zu wollen.

Vereinzelte aber gezielte Provokation

Illich galt als einer der frühen und wegweisenden Zivilisationskritiker. Seit 1991 lehrte der gebürtige Wiener mit
amerikanischem Pass in Bremen. Außerdem war er als Professor an der Staatlichen Universität von Pennsylvania
tätig. In den Medien war es seit längerem stiller geworden um den Gelehrten, der in den 70er und 80er Jahren
noch mit wissenschaftlichen Aufrufen zur »Entschulung der Gesellschaft«, zur »Selbstbegrenzung« und zur
»Nemesis der Medizin« auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Illich hat zahlreiche Bücher geschrieben. Statt einer umfassenden Philosophie bot er vereinzelte, aber gezielte
Provokationen. Als Gast auf einem Ökonomenkongress zum Beispiel sprach er über die Geschichte des Abfalls,
auf einer Tagung über das Thema »Entropie« über die »Entwertung« der Verrichtungen des Körpers im
Zusammenhang mit der Verbreitung der Toilette. Zu den Zuhörern an der Uni Bremen gehörten nicht nur Studenten,
sondern auch Geschäftsleute, Ärzte und Lehrer.

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