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mcnep schrieb am 21.6. 2003 um 01:14:57 Uhr über

Türkpop

Ungekrönter König des Türkpops ist derzeit Ibrahim Tatlises, ein stattlicher Herr, schätzungsweise im Alter von Grönemeyer und Müller-Westernhagen. Anders als Jungspunde wie Hakan Peker, Rober Hatemo, Davut Günoglu oder Tarkan ist er auch der ideale Schwiegersohn für alle türkischen Familien: statt verwestlicher Schönlinge mit vordergründig leicht schwulem Einschlag präsentiert sich Ibrahim als Mustertürke mit perfektem Schnauz und dem Talent zu jenen langen melismatisierenden Gesangsbögen, die seine Landsleute so lieben, dargebracht in einer ausgesprochen tonsicheren Stimme, die auch zu einem wenngleich etwas nasalen Tenor fähig ist. Seine Rolle als Sänger für alle Türken demonstriert er mit den Fotos auf seiner neuen Platte »Tek Tek« - ist er auf dem Cover noch in posierender Haltung auf einem Bahnhof zu sehen, in einer gutgeschnittenen Jeans (was bei einem Mann seines Körperbaus nicht unbedingt hauteng heißen muß) und mit einer dem kundigen Beobachter unmittelbar ins Auge springenden Hosenbeulung, zeigt ihn das Innenbild in geradezu stattsmännisch wirkendem Halbnahporträt im einfühlsamen Gespräch mit zwei bekopftuchten Seniorinnen. Die Musik ist Türkpop der ersten Güteklasse: Traditionelle Skalen finden sich ebenso wie westöstliche Streicharrangements, die besten Stücke des neuen Albums, wie der geschickt gewählte Opener 'Tabi tabi', das Titelstück oder der grandiose Rausschmeißer 'Gün ola harman ola' mit seinem regionstypischen Frauengejaule und dem technoverstärkten Janitscharenkammerorchester sind eine Bereicherung für jede Plattensammlung. Jeder in Istanbul kennt Tatlises, und als ich heute zum Einkauf einiger türkischer Feinkostartikel zwecks Ausrichtung einer kleinen Homecomingparty durch die Westfalenstraße fuhr und das Bose Soundsystem mit 'Al al al' zu viel zu selten erreichten Höchstleistungen peitschte, meine ich, das eine oder andere erfreute Lächeln auf einem Immigrantengesicht bemerkt zu haben, während eher konservativ gesonnene Einheimische dem etwas groß geratenen Auto mit der es umgebenden Dezibelwolke vermutlich mit dem Gefühl nachblickten, sie beobachteten einen vollgepumpten Drogenhändler bei der ultimativen Kanakattack. Sollen sie glauben, die Türkisierung des Düsseldorfer Nordens hat gerade erst begonnen.


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