Ein Mann kommt nach Deutschland.
Er war sehr lange weg, der Mann. Sehr lange. Vielleicht zu lange. Und er kommt ganz anders wieder als er wegging. Äußerlich ist er ein naher Verwandter jener Gebilde, die auf den Feldern stehen, um die Vögel (und abends auch manchmal die Menschen) zu erschrecken. Innerlich auch. Er hat tausend Tage draußen in der Kälte gewartet. Und als Eintrittsgeld mußte er seine Kniescheibe bezahlen. Und nachdem er nun tausend Nächte da draußen in der Kältegewartet hat, kommt er endlich doch noch nach Hause.
Ein Mann kommt nach Deutschland.
Und da erlebt er einen ganz tollen Film. Er muß sich während der Vorstellung mehrmals in den Arm kneifen, denn er weiß nicht, ob er wacht oder träumt. Aber dann sieht er, daß es rechts und links neben ihm noch mehr Leute gibt, die alle dasselbe erleben. Und er denkt, daß es dann doch wohl die Wahrheit sein muß. Ja, und als er dann am Schluß mit leerem Magen und kalten Füßen wieder auf der Straße steht, merkt er, daß es eigentlich nur ein ganz altäglicher Film war, ein ganz alltäglicher Film. Von einem Mann, der nach Deutschland kommt, einer von denen. Einer von denen, die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Und ihr Zuhause ist dann draußen vor der Tür. Ihr Deutschland ist draußen, nachts im Regen, auf der Straße.
Das ist ihr Deutschland
- Prolog, Draußen vor der Tür; Wolfgang Borchert
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