ARD-Ratgeber schrieb am 30.1. 2005 um 11:16:44 Uhr über
Studiengebühr
Hilfeschrei des Bildungsetats.
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Hier haben wir ein Prachtexemplar einer Propagandalüge Goebbels'schen Ausmaßes. Es sind schließlich die gleichen parlamentarischen Mehrheiten, die für Studiengebühren stimmen und gleichzeitig die Bildungsetats zusammenstreichen. »Kein Geld da!« ist heute zu einem beliebten, wenn auch immer öfters verlogenen, Argument gewortden.
Man muss sich nur die Rahmendaten anschauen. Ist das Bruttosozialprodukt gefallen? Nein! Haben wir ein Handelsdefizit? Nein! Deutschland ist Exportweltmeister! Also bitte, wie kommt es, dass Deutschland jetzt zu arm sein soll, sich Zahnspangen und anständige Hochschulen leisten zu können? Deutschland erhebt einfach zu wenig Steuern. Unternehmensgewinne werden in kaum einem Land der Welt so wenig besteuert, wie in Deutschland.
Zurück zu den Universitäten. In (West)Deutschland waren Studiengebühren bis in die 1960er Jahre völlig normal. Die Universitäten waren kleine Clubs, in denen die Söhne (nur in Ausnahmefällen Töchter) der Oberschicht sich unter der wohlwollenden Aufsicht der Professoren zum Magister oder Doktor durchwurstelten und anschließend eine geradezu garantierte Anstellung beim Staat oder verwandten Organisationen fanden. (Zur Erinnerung: damals gab es noch bei Banken und Versicherungen sogenannte Privatbeamten.)
Es hat nach dem sogenannten Sputnik-Schock noch einige Jahre gedauert, bis man wirklich begriff, welches Potential man freisetzt, wenn man, wie in der Sowjetunion und der DDR, die Kinder der Arbeiter und Bauern studieren lässt. Es gab dann in der BRD eine Öffnung der Universitäten, die dafür sorgte, dass zumindest die Sprösslinge auch der unteren Mittelschicht eine gewisse Chance hatten, zu studieren und damit in höhere Gehaltsregionen und soziale Schichten vorzustoßen. Das sind die Leute, die man heute als 68er bezeichnet und die jetzt in den Regierungen sitzen. (Peinlich genug, dass die Gewinner der Reform von damals heute sattgefressen in die Schüssel spucken und die Tür hinter sich abschließen.)
In den 1970ern hatte die Veränderung der Universitäten und Hochschulen einen Punkt erreicht, an dem man die innere Struktur und das gesamte Curriculum hätte neu diskutieren müssen. Das Bundesverfassungsgericht brach dieser nötigen Reform mit seinem unseligen Urteil, dass in allen Gremien die Professoren die Mehrheit haben müssten, das Genick. Ab da hatten die Unis nur noch Hoffnungen auf Reform von außen, die nicht kommen konnte, weil in den Parlamenten ja die Leute von Gestern und Vorgestern saßen, die gar nicht begriffen, was in den Hochschulen los war.
Die rabiate Einführung der Bachelor/Master Studiengänge ist ein (untauglicher) Versuch, die überkommenen Verhältnisse mit Gewalt aufzubrechen. Es wird sich zeigen, dass das Beharrungsvermögen des Systems größer ist, als gedacht. Außerdem gibt es dem alten, »bewährten«, aber völlig falschen Prinzip des 'Hauptsache einen Abschluss' wieder Vorschub. Die Studiengebühr haut in die gleiche Kerbe. Es sollen nur noch die studieren, die Geld mitbringen. Zusammen mit der Regelung, dass nur 20% eines Jahrgangs Master studieren dürfen, sind wir dann wieder bei der alten Uni der 1950er Jahre. Der Abschluss ist die Eintrittskarte der Kinder der Oberschicht in die Oberschicht.
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