Der Spracherwerb ist eine komplizierte Angelegenheit und wird noch nicht völlig verstanden. Wie lernt das Kind seine Muttersprache?
Zunächst muss es seine Welt als strukturiert erkennen. Der Keim solcher Gliederungen und Muster wird vermutlich vor der Geburt gelegt. Später dann, wenn die Brust beim Stillen leer wird, sagt die Mutter »So.« und wechselt die Sitzposition. Das Erkennen und Gliedern der Welt ist notwendig, da auch Sprache durch Strukturen gekennzeichnet ist.
Eine weitere wichtige Bedingung ist das gemeinsame Handeln. Der Erwachsene kommentiert, was er gerade tut. Er erregt die Aufmerksamkeit des Kindes und lenkt sie auf bestimmte Erscheinungen der Umwelt, die wiederum kommentiert werden. Das vorsprachliche Kind versteht die Situation, ohne die Sprache zu verstehen. Dies schafft eine Stein-von-Rosetta-Atmosphäre, in der das Kind begreift, dass dieses pelzige Ding, das da bellt, ein Wauwau ist. Dieses Teilen von Bewusstsein wird »joint attend« genannt.
Der Erwachsene führt beim gemeinsamen Handeln mit dem Kind Pseudodialoge. Er kommt den Bedürfnissen des Kindes entgegen, in dem er sehr viel langsamer spricht als mit anderen Erwachsenen. Obendrein bildet er kuze Sätze und betont die Schlüsselelementde übertrieben stark.
Der Einwortsatz markiert eine neue Etappe. Das Kind sitzt im Laufstall und sagt »Ball!«. Die Mutter hat eine Theorie dessen, was das Kind damit sagen möchte und reagiert entsprechend. Dabei wird deutlich, wie sehr Sprache von der Situation abhngt. In unterschiedlichen Situationen kann »Ball!« Verschiedenes bedeuten:
»Ich möchte den Ball.«
»Ich bin glücklich durch Ballbesitz.«
»Der Junge hat einen schönen Ball.«
»Der Ball ist kaputt.«
Die Äußerung des Kindes ist ein Sprechakt, der eine Schnittstelle zwischen Mutter und schafft.
Zweiwortsätze zeigen, wie das Kind sich syntaktische Regeln aneignet. Es entwickelt eine Pivot-Grammatik, die nach und nach vervollständigt wird. Das Agens des Satzes steht an erster Stelle, das Patiens an zweiter Stelle. Wieder muss der Erwachsene eine Theorie dessen aufstellen, was das Kind sagen möchte. Und wieder ist Interaktion nötig.
Leute, parkt eure Wänster nicht vorm Fernseher! Lernen heißt, aktiv zu sein. Spracherwerb vollzieht sich im Miteinander, nicht im TV.
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