Meine Jugendzeit erlebte ich als Schüler Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger Jahre. Als Einzelgänger hatte ich nur wenig Anschluss an Alterskameraden. Nur in der Schule war ich zwangläufig immer in ein Gruppengeschehen einbezogen. Am intensivsten war das Gemeinschaftserlebnis für mich im Sportunterricht, auch wenn ich mich hier nicht besonders hervortat, obwohl mich sportliche Leistungen und Körperbeherrschung immer fasziniert haben.
Es kam das Alter, in dem ich einen Blick entwickelte für die männlichen Qualitäten meiner Klassenkameraden. Von mindestens vier Mitschülern war ich tief beeindruckt. Einerseits waren sie nette Kerle, obwohl ich keinen rechten Zugang zu ihnen hatte, andererseits kam ihre jugendliche Maskulinität im Sportunterricht voll zur Geltung, denn Sie waren alle gute Sportler, was ich von mir nicht sagen konnte. Ich liebte es, wenn sie bei der Gruppenbildung zu der Gruppe zählten, denen gesagt wurde: „Hemden aus“. Ihr durchtrainierter Oberkörper, die muskulösen Oberschenkel wie bei Fußballern üblich und nicht zuletzt der Anblick der von knappen Turnhosen bedeckten strammen Hinterteile regten meine heimlichen Phantasien nachhaltig an.
Damals waren Turnhosen anders als heute. Man sieht den frappierenden Unterschied, wenn man sich alte Fußball-Länderspiele aus dieser Zeit im Fernsehen ansieht. Die Hosen waren wirklich kurz und nicht so bermudamäßig lang und schlabbernd wie heute. Sie gaben den ganzen Oberschenkel bis zum Poansatz frei. Bei manchen Bewegungen durfte es auch etwas mehr sein, denn wir waren ja anders als unsere Turnhosen alle im Wachstum begriffen. Alle Turnhosen waren aus dünnem Baumwollstoff und nicht wie heute aus noch so raffinierten Kunstfasern, die aber eine Eigenschaft nimmermehr bieten können: Baumwolle passt sich beim Tragen den Rundungen des Körpers perfekt an, wie man es heute allenfalls noch von Blue Jeans kennt, wenn sie denn auf Passform getragen werden. Und eine Turnhose lebt von den vielen ausgeprägten Rundungen, die es, wenn auch knapp, zu bedecken gilt. In meinen Augen ist sie jeder modernen Radlerhose oder auch jeder Badehose überlegen, dadurch, dass sie eben nicht hauteng wie eine Wurstpelle sitzt und damit auch nicht die Körper-Rundungen verformt. Außerdem lebt die echte Turnhose davon, dass sie am Schenkelansatz zwar eng genug geschnitten ist, aber dennoch Luft und Spielraum lässt.
Der emotionale Höhepunkt jeder Sportstunde war für mich das Ende im Umkleideraum und in der Dusche. Einige von den „richtigen“ Sportlern, zu denen ich nicht zählte, waren verschwitzt genug um Duschen zu gehen. Und sie waren frei genug, sich dazu schon im Umkleideraum nackt auszuziehen, manchmal nur auf Armeslänge von mir entfernt. Einer von ihnen hatte damals schon Krafttraining gemacht und hatte eine Figur wie ein junger Gott. Beeinträchtigt war der Anblick nur durch die ausgesprochene Löwenmähne, zu der er sein Haupthaar hatte heranwachsen lassen. Ein anderer war ein „dunkler Typ“, fast so groß wie ich, im Sommer immer tief gebräunt, allerdings nicht nahtlos, wie man im Umkleideraum feststellen konnte. Er hatte ein sonniges Gemüt und, was mir besonders zusagte, eine relativ kurze Haartracht mit schwarzem gewelltem Haar, das ihm sehr klassisch in Locken in die Stirn hing. Ein dritter war Vereinsturner, und das sah man ihm auch an; besonders eindrucksvoll waren natürlich seine muskulösen Oberarme. Manchmal gab er Kostproben seines Könnens, sei es beim Geräteturnen oder auch nur so zum Spaß. Besonders beeindruckend, wenn er sich im Stand nach vorne fallen ließ und sich dann im letzten Moment wie im Liegestütz mit den Händen abfing. Ein vierter war gut im Sport ohne dass ich außer Fußball einen besonderen Schwerpunkt seines Talentes nennen könnte. Aber er war immer fröhlich und zu Späßen aufgelegt und mein heimlicher Liebling. Und sah selbstverständlich gut aus, auch mit schwarzem gewelltem Haar, das er gescheitelt trug.
Mit diesem Personal und mit dieser Kulisse pflegte ich meine heimlichen Phantasien zu beleben, wenn ich allein zu Hause war. Mit Details möchte ich hier niemanden langweilen, nur so viel sei gesagt, dass ich immer dafür sorgte, passformgerechte Turnhosen zur Hand zu haben. Und wenn die dann eines Tages wirklich zu Fetzen gingen, musste sofort Ersatz her. Den habe ich selber gekauft. Da habe ich mich auf niemanden verlassen. War auch so schon schwierig genug. Sie mussten einfarbig sein, entweder schwarz oder blau ohne Innenslip. Hosen mit drei weißen Streifen wollte ich nicht, denn ich wollte für niemanden Reklame laufen. Größe 6 passte im Bund schlackerte aber an den Beinen. Größe 5 passte an den Beinen schon besser, war aber im Bund etwas eng. Gekauft habe ich beide. Was blieb übrig? Ich betätigte mich als Änderungsschneider. Ich steckte mit Sicherheits(!)-Nadeln den Schritt enger ab und probierte vor Spiegel und Rückspiegel so lange, bis ich zufrieden war. Bei der Gelegenheit korrigierte ich auch die Beinlänge, die sich durch die Änderung im Schritt zwangsläufig vermehrt hatte. Dann griff ich zu Schere, Nadel und Faden und machte „Nägel mit Köpfen“. In einer stillen Stunde nutzte ich auch Mutters Nähmaschine und säumte und nähte.
Leider gibt es heute wie schon erwähnt, solche Turnhosen nicht mehr zu kaufen. Aber gerade Baumwollstoff hat die dumme Eigenschaft zu verschleißen und fadenscheinig zu werden. Besonders die Sitzfläche wird fadenscheinig. Der Schlitz an der seitlichen Hosennaht reißt gerne ein. Und der Hosenbund wird von Gummi und Zugband nach und nach durchgescheuert. Nach 10 bis 20 Jahren ist auch bei möglichster Schonung der Zeitpunkt gekommen, nach einem herzhaften „Ratsch“ beim Anziehen, sich von dem guten Stück zu verabschieden. Dass ich nicht der einzige bin, der sich schlecht von so einem guten Stück trennen konnte, habe ich bei einem Freund erlebt, der als Vierzigjähriger so ein gutes altes Teil in der Freizeit, und wenn ich nicht irre auch im Sportstudio trug, obwohl Spuren des Verschleißes durch Risse im Stoff unverkennbar waren. Ich war ihm für seine Anhänglichkeit an dieses Kleidungsstück ausgesprochen dankbar, denn es stand ihm sehr gut, wenn er sich darin als talentierter Kraftsportler mit freiem Oberkörper zeigte. Aber auch im T-Shirt, denn dann wurden die Blicke mehr zu den knackigen Oberschenkeln gelenkt, die in der Rückansicht eine deutliche muskulöse Wölbung zeigten, wie sie eigentlich recht selten zu sehen ist. Abgesehen davon hatte er einen selten strammen Po, der in dieser Turnhose bestens zur Geltung kam.
Um den Verlust meiner Turnhosen hinaus zu zögern, wurde ich erfinderisch. Das Flicken von Rissen und das Erneuern der Nähte waren auf Dauer ungenügend. Was tun? Als gewiefter Heimwerker kennt man Silikon aus dem Baumarkt. Damit habe ich den Baumwollstoff von der Innenseite her satt imprägniert. Alle Risse und Schwachstellen habe ich durch Überlagern und Zusammenpressen repariert. Wenn auch gelegentlich weitere Nachbesserungen erforderlich waren, haben die Turnhosen so bis heute gehalten. Der Tragekomfort hat sich durch die Imprägnierung selbstverständlich verändert, insbesondere auf der nackten Haut, und ich muss sagen, durchaus vorteilhaft. Manchmal haben wir noch nicht einmal getrennt geschlafen.
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