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Gronkor schrieb am 14.11. 2005 um 19:39:46 Uhr über

Spaßguerilla

BLÖDOJE IN 5 THESEN FÜR DIE SPASSGUERILLA


1. WIR LEBEN IN EINER WELT, DIE IN ZWEI SYSTEME GETEILT IST, WOBEI DER FUNKTIONSMECHANISMUS DES EINEN DENJENIGEN DES ANDEREN BEREITS ANSATZWEISE HERVORBRINGT.

1.1 'funktionsmechanismus' soll heissen: regelung, mit der das jeweilige system sein - zunächst rein wirtschaftliches - überleben organisiert.

1.1.1 die redensweise 'das system organisiert ...' soll nicht heissen, dass irgendwelche 'organisatoren' als personen verantwortlich gemacht werden können. die jeweilige regelung des systems erfolgt im gegenteil durch scheinbare 'sachzwänge', auf die sich die verwalter der herrschaft berufen können und berufen.

1.1.2 'zunächst rein wirtschaftlich' will sagen, dass auch alle nicht-wirtschaftlichen sozialen teilsysteme in dem betreffenden system so organisiert sein müssen, dass sie dessen wirtschaftliches überleben zumindest nicht ernsthaft gefährden.

1.1.3 der funktionsmechanismus des jeweiligen systems ist in erster linie ein funktionsmechanismus der psychen der unter dem system lebenden menschen. erst auf seiner grundlage kann die 'regelung, mit der das jeweilige system sein - zunächst rein wirtschaftliches - überleben organisiert' bestand haben.

1.1.3.1 es sind stets die unter dem system lebenden menschen, deren funktionieren den bestand des systems garantiert.

1.1.3.2.1 'veränderung der psychen' hat ihren ort im alltag und dessen eingeschliffenen gewohnheiten, über die sich herrschaft stabilisiert.

1.1.3.2.2 'zerstoerung des funktionsmechanismus des systems' i s t also veränderung des alltagslebens.

2. DIE BEIDEN SYSTEMTYPEN UNSERER WELT SIND KAPITALISMUS UND ETATISMUS.

2.1 der kapitalismus produziert sein überleben mittels konkurenz anonymisierter einzelkapitalien auf dessen markt.

2.1.1 im kapitalismus dominiert die ökonomie die politik und den alltag.

2.1.2 die krisenform des kapitalismus, die in seinem funktions-mechanismus angelegt ist, äußert sich ökonomisch als überproduktionskrise.

2.1.3 der kapitalismus legitimiert sich durch die behandlung der unter ihm lebenden menschen als formal gleiche und freie wareneigentümer.

2.1.3.1 'formal gleich' soll heißen: gleich vor recht und gesetz.

2.1.3.2 dieses legitimationsmuster wird durch e i n e n teil der unter dem kapitalismus zu machenden alltagserfahrungen bestätigt.

2.1.3.2.1 auf dieses legitimationsmuster gründen sich zahlreiche andere vorstellungen der menschen über sich und die gesellschaft, die allesamt vom modell des rationalen verhaltens des wareneigentümers auf und um den markt abgezogen sind.

2.1.3.2.2 auch sie werden durch einen teil der alltagserfahrungen bestätigt.

2.1.3.3 das persönlichkeitsmodell, das sich auf die verinnerlichung der legitimationsmuster des kapitals gründet, ist die autonome persönlichkeit.

2.1.3.3.1 der andere teil der unter dem kapitalismus zu machenden alltagserfahrungen - materielle ungleichheit der lohnabhängigen und aller schicksalhaft auf lohnabhängigkeit bezogenen gegenüber dem (anonymen und potentiellen) käufer ihrer arbeitskraft. erlebnis des misserfolgs eines nach dem modell rationalen verhaltens auf dem markt gestalteten verhaltens - widerspricht dem legitimationsmuster des kapitals.

2.1.3.4 wegen dieser gegensätzlichen alltagserfahrungen befindet sich die autonome persoenlichkeit in einer schwelenden krise, da die legitimationsmuster der kapitalistischen herrschaft durch den schizoiden alltag ebenso bestätigt wie in frage gestellt werden.

2.1.3.5 die krisenform des kapitalismus äußert sich also sozialpsychisch als identitätsdiffusion.

2.1.4 der kapitalismus bildet in wirtschaft und politik bürokratische organisationsformen heraus, die jedoch seinem funktionsmechanismus untergeordnet bleiben, so sehr sie ihn grundsätzlich in frage stellen.

2.2 der etatismus produziert sein überleben mittels planung durch eine anonyme buerokratie mit politischer spitze.

2.2.1 im etatismus dominiert die politik die ökonomie und den alltag.

2.2.2 die krisenform des etatismus, die in seinem funktionsmechanismus angelegt ist, äußert sich ökonomisch als mangelkrise.

2.2.3 der etatismus legitimiert sich durch die behandlung der unter ihm lebenden menschen als material gleiche und freie produzenten, denen eine gemeinsame aufgabe gestellt ist.

2.2.3.1 'material gleich' soll heißen: gleich vor recht zu und gesetz u n d optimale gemeinsame teilnahme am gesellschaftlichen reichtum.

2.2.3.2 auf dieses legitimationsmuster gründen sich zahlreiche andere vorstellungen der menschen über sich und über die gesellschaft, die allesamt vom modell rationalen verhaltens des produzenten in und um eine(r) bürokratische(n) hierachie abgezogen sind.

2.2.3.2.1 die etatistischen legitimationsmuster werden durch einen teil der unter dem etatismus zu machenden alltagserfahrung bestätigt, durch einen anderen teil derselben alltagserfahrungen widerlegt.

2.2.3.3 das persönlichkeitsmodell, das sich auf die verinnerlichung der legitimationsmuster der etatistischen buerokratie gründet, ist die heteronome persönlichkeit.

2.2.3.4 die krisenform des etatismus äußert sich sozialpsychisch als identitätsdiffusion.

2.2.4 der etatismus bildet in politik und wirtschaft ansätze eines marktorientierten handelns aus, die jedoch seinem funktionsmechanismus untergeordnet bleiben, so sehr sie ihn grundsätzlich in frage stellen.

3. DER ANSATZWEISE ÜBERGANG DER FUNKTIONSMECHANISMEN DER SYSTEME INEINANDER ÄUSSERT SICH SOZIALPSYCHISCH ALS ÜBERGANG VON AUTONOMER UND HETERONOMER PERSÖNLICHKEIT, WORAUF SICH EINE - SUBJEKTIV ALS ANGRIFF AUF 'DAS' SYSTEM VERSTANDENE - HALTUNG TRADITIONELLER POLITIK GRÜNDET.

3.1 die haltung traditioneller politik wird nicht nur von manchen gegnern des jeweilign systems eingenommen, sondern auch - und immer - von seinen verwaltern und verteidigern.

3.1.1 die verwalter und verteidiger des systems müssen darauf setzen und hinarbeiten, daß die befehle, die sie geben, befolgt und dadurch die entscheidungen, die sie treffen, verwirklicht werden.

3.2 traditionelle politik geht explizit oder implizit von einem gesellschaftsbild aus, wonach an der spitze der gesellschaft einige - oder eine gruppe von - drahtzieher(n) sitzen, die die gesellschaft zum - materiellen oder psychischen - schaden (oder nutzen) ihrer untertanen kommandieren.

3.2.1 dieses gesellschaftsbild ist - so sehr es in beiden systemen eine reale illusion ist - falsch, weil herrschaft sich über verinnerlichung von legitimationsmustern herausbildet und befestigt. nur w e i l diese legitimationsmuster bestehen - und so lange sie bestehen - lassen sich befehle mit scheinbaren 'sachzwängen' legitimieren.

3.2.1.1 die 'sachzwänge' im kapitalismus ergeben sich aus der stets unvollständigen information über den markt. die 'sachzwänge' im etatismus ergeben sich aus der gemeinsamen arbeit an einer lösenden aufgabe, deren 'lösung' durch die art und weise, wie sie bewerkstelligt wird, sich selbst verhindert (etwa: 'aufbau des sozialismus' bei innerer tendenz zur hierachisierung. oder 'bewältigung der ökologischen krise' bei innerer tendenz ihrer ständigen reproduktion).

3.2.2 traditionelle politik, die das system angreifen will, von dem sie sich ein falsches bild macht, nimmt nun an, daß es in einem ersten schritt darum gehe, die 'drahtzieher an der spitze der gesellschaft' zu entfernen.

3.2.2.1 'entfernen' kann heißen: töten (bewaffneter kampf) oder abwählen (parlamentarischer kampf).

3.2.2.2 beiden kampfmethoden ist gemeinsam - und das ist entscheidender als der unterschied der gewählten mittel -, daß sie sich politik als 'krieg' zwischen klar erkennbaren fronten vorstellen, den sie mit argumenten oder waffen führen wollen.

3.2.2.2.1 'politik als krieg' spielt mit den psychen der menschen so wie sie sind, ohne sie zu verändern.

3.2.2.3 'wenn der krieg vorbei ist', stellen auch traditionelle politiker sich - sofern sie das system bekämpfen wollen - eine veränderung des alltagsleben vor. die käme dann wie aus dem nichts. denn die eigenschaften, die der traditionelle politiker braucht - ob sie nun parlamentarisch oder militaerisch sin -, werden 'dann' jedenfalls nicht mehr gebraucht.

3.3 die haltung der traditionellen politik in systemgegnerischer absicht beachtet nicht, wie sehr sie selbst jener veränderung des alltagslebens entgegensteht, die sie subjektiv anstreben mag.

3.3.1 wenn traditionelle politik irgendwann und irgendwo zu einer zerstoerung der systeme führen würde, dann käme diese nicht wegen, sondern trotz ihr zustande: weil sich dann unterhalb der haltung traditioneller politik eine spassguerilla entwickelt und schließlich durchgesetzt hätte.

4. DIE SPASSGUERILLA GEHT AUS DEM TÄGLICHEN WIDERSTAND HERVOR UND SETZT DEN FUNKTIONSMECHANISMUS DER SYSTEME AUSSER KRAFT. SIE RICHTET SICH NICHT NUR GEGEN DIE TRADITIONELLE POLITIK, DIE DIE SYSTEME BESTENFALLS INEINANDER ÜBERGEHEN LÄSST; SONDERN GEGEN ALLE TRENNUNGEN, DIE DIE MENSCHEN PSYCHISCH FÜR HERRSCHAFT EMPFÄNGLICHER MACHEN.

4.1. 'täglicher widerstand' soll heißen: jene - spontan affirmativen - verfremdungen, zu denen die menschen zuflucht nehmen, um ihrer alltäglichen identitätsdiffusion zu entgehen.

4.1.1 die identitätsdiffusion ist so verschieden wie die beiden systeme, in denen sie auftritt: im kapitalismus ist es die falt von gegensätzlichen anschauungen, meinungen und gefühlen, die die autonome persönlichkeit - im etatismus ist es die von oben gesetze normierung der anschauungen, meinungen und gefühle, die die heteronome persönlichkeit zu einem nichts zu machen zu droht.

4.1.2 so verschieden jedoch der jeweilige grund der indentitätsdiffusion auf den ersten blick erscheint: in beiden fällen ist es derselbe (okzidentale) rationalismus, der die welt als produkt seines denkens darstellen und gestalten will, eines denkens, das sich definitorischer trennungen bedient und auf eindeutigkeit zielt. aus diesem denken geht ein handeln hervor, das die welt und die menschen in gegenstände und gruppen trennt und dessen trennungen auch die psychen der menschen durchziehen und zerstören, nur daß im kapitalismus dieser hierachisierende rationalismus am markt und im etatismus an der planung seine grenze findet.

4.1.2.1 es geht nicht darum, den rationalismus in irrationalismus aufzulösen. sondern darum, die t r e n n u n g zwischen rationalem und irrationalem abzuschaffen.

4.2 verfremdungen k ö n n e n sich gegen die systeme wenden, wenn sie analoges gegen eindeutiges so ausspielen, daß sie die eindeutigkeit zerstören und dadurch dem rationalismus seine grenze ziehen. in diesem fall sind sie kritische verfremdungen.

4.3 kritische verfremdungen setzen regeln außer kraft, gerade indem sie sich auf sie einlassen.

4.3.1 genau das tut die spassguerilla: sie setzt jede bürokratische organisation außer kraft - sei es durch modellstreik, sei es durch andere arten passiver resistenz, sei es durch imitation einer bürokratie, die anordnungen herausgibt, die von ihr nicht erwartet werden.

4.3.2 damit entwickelt die spassguerilla ein wirksames instrumentarium zur lahmlegung jeder bürokratie, wie es im etatismus spontan sntsteht (und dessen krisenform ausmacht). dieses intrumentarium ist auch auf alle bereiche des kapitalismus übertragbar, die bürokratisiert sind: betriebe und staatliche verwaltung.

4.3.3 aber auch die obstruktion im parlament, das argumentieren gegen den strich in ernseh- und allen beliebigen anderen diskussionen bis zu den aufführungen verfremdender darstellungen in beliebigen alltagssituationen zerstören die rationalität, auf die die systeme sich gründen.

4.4 wo immer die herrschaft des rationalen sich errichtet, hat spaßguerilla ihren ansatzpunkt.

4.5 die spaßguerilla verhindert nicht nur den übergang des einen systems in das andere, sondern sie ermöglicht den menschen, sich gegen a l l e trennungen zu wehren. sie wird so lange möglich sein, wie diese trennungen existieren: bis zur anarchie.

4.5.1 spassguerilla wendet sich gegen die 'herrschaft' des rationalen, nicht gegen rationales an sich. auch in der anarchie wird - unbuerokratisch - gemeinsam diskutiert, geplant und gehandelt werden müssen. das trägt immer die gefahr des rückfalls in traditionelle politik an sich. wo immer solche rückfälle auftreten, kann spassguerilla einhaken. erst wenn die anarchie verwirklicht ist - wenn alle trennungen abgeschafft sind -, verliert sie ihren sinn.

4.5.1.1 die spassguerilla unterscheidet sich von der haltung traditioneller politik, weil sie an die alltäglichen identitätsdiffusion anknüpft, diese methodisch aufnimmt und den funktionsmechanismus der systeme zerstört, indem sie hier und heute schon ein spielerisches, die trennung zwischen rationalem und irrationalem überwindendes verhalten vorrausgesetzt und eingeübt.

4.5.1.2 traditionelle politik verbleibt dagegen in der auswegslosigkeit des rationalismus. deshalb wird sie auch stets vom irrationalen eingeholt.

4.6. spassguerilla hat kein programm - außer: daß jede(r) zum clown werden muß.

4.6.1 '... werden m u ß' - denn das ist die einzige chance, je zur anarchie zu kommen.

5. DEUTSCHLAND MUSS STERBEN. DAMIT WIR LEBEN KÖNNEN.

(Aus dem Buch »Spaßguerilla« - eine klasse Systemanalyse!)


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