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gerichteter Graf schrieb am 21.11. 2018 um 15:51:32 Uhr über

Sozialneid

Die Sache ist auf individueller Ebene immer ganz einfach:
Entweder du glaubst, dass du deinen Wohlstand, deine irgendwie privilegierte Situation oder was auch immer VERDIENT hast, dass du also ein Anrecht auf diese materiellen oder immateriellen Güter hast
oder du glaubst es NICHT.

Im ersten Fall ist die Situation eigentlich ganz einfach: Du tust alles in deiner Macht stehende, um deinen Status zu erhalten. Völlig egal ob du ein französischer Adliger im Exil, der eingearbeitete Erbe eines Familienbetriebes oder ein »wissenschaftlicher Honoratior« bist.
Je nachdem, wie klug du bist, wirst du also den Anschein der Legitimität deines Anspruches bei anderen Leuten in Rechnung stellen, dir Sicherheiten und kleine Vorteile verschaffen oder eben nicht.

Der zweite Fall ist psychologisch interessanter. Wenn eine Person glaubt, im Besitz unangebrachter Privilegien zu sein, ist der einfachste Weg natürlich, diese einfach abzuschaffen und sich gleichzustellen mit Leuten, die man als gleich anerkennen kann.
Der bequemste Weg ist es, die Privilegien zu behalten und voll auszunutzen. Nur wird man das eben immer schamvoller tun und deshalb langfristig Ärger bekommen. Die Standesgenossen erkennen nämlich, dass hier eine gefährliche Übung entsteht und ein Präzedenzfall. Der potenzielle Erbe, der vielleicht keine Probleme mit seinen Vorrechten hat, sieht seine natürlichen Rechte gefährdet und manch ein Konservativer wird sarkastisch feststellen, dass das die gesamte sittliche Ordnugn gefährdet.
Interessant ist, dass die Mehrheit der Leute offenbar weder den einfachen, noch den bequemen Weg wählt, sondern durch Inkonsequenz komplexe Lösungen sucht. Werfen wir einen Blick auf die englische Monarchie. Dort haben sich die Normannen von Anfang an auch als Wahrer von Recht und Ordnung (Doomsday-Book, Entwicklung des Recht an königlichen Gerichtshöfen) aufgespielt.
Oder nehmen wir die große Selbstsicherheit, mit der selbst Bummelstudenten mit mittelmäßigen Abschlüssen oder gar ohne solche für sich gesellschaftliche Privilegien erwarten. Die Parlamente laufen ja über von diesen Leuten.

Die ganze große Emanzipationsgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts lässt sich auf diese Weise rekonstruieren. Der Adel scheint sich während der Aufklärung nicht mehr klar gewesen zu sein, ob seine Vorrechte überhaupt noch legitim sind. Die Gründerväter zweifelten schon an der Sklaverei, wollten sie dann aber doch nicht aufgeben.
Oft hat man auch einfach Angst, dass sich die »befreiten Massen« an den zu Unrecht bevorzugten Rächen könnten.

Nur die chinesischen Mandarin und die siegreichen Heere der islamischen Expansion schienen nie an ihrer Legitimität gezweifelt zu haben. Wobei letztere durch ihr Religionsgesetz sowieso ein wenig in die Rolle der Normannen kamen...


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