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hga schrieb am 9.4. 2000 um 22:12:40 Uhr über

Sonnenfinsternis

Schönheit in den Augen der Betrachter
Die totale Sonnenfinsternis vom 11. 8.1999

Urlaub im Elsass, Nähe Colmar! Hoffnung auf die Sonnenfinsternis! Schlechtes Wetter! SWR und SR empfehlen die Region zwischen Karlsruhe und Saarbrücken: Je weiter im Westen, desto besser! Das französische Info-Radio setzt auf die Champagne. Nehmen wir die Reise auf uns?! Keine Autobahn - die ist verstopft (»bouché, bouché, bouché«) -, nur Straßen über Berg und Feld!
Erst nach Norden - hinein in die Zone der totalen Verfinsterung! Östlich von Nancy diese erreicht, doch es regnet. Ein fast hoffnungsloses Unterfangen! Würde mir jetzt einer anbieten, fünf Sekunden lang die Korona sehen zu können, ich würde für tausend Francs einschlagen. Doch da ist keiner ... Also ab nach Nordwesten! Wir könnten es ja noch bis Verdun schaffen.
Autoschlangen - auch auf den kleinen Straßen. Aber alle fahren vernünftig. Alle, das sind neben Franzosen auch Deutsche, Schweizer, Belgier, Luxemburger, Holländer, Briten, Dänen ... Zehn Millionen sollen es in Frankreich sein. Südlich an Metz vorbei, es regnet. An jeder Straßenecke stehen Menschen und schauen in den Himmel. Die Folienbrillen werden nass. Wir fahren über die Mosel. Der Himmel reißt kurz auf über Pont-à-Mousson. Soeben hat die Sonnenfinsternis begonnen. Hier bleiben? Nein, wir fahren weiter nach Westen. Doch es regnet wieder. Direkt an der Saar soll es blauen Himmel geben. Falsche Richtung? Radio aus! Weiter nach Westen!
Wolkenlücke! Anhalten! Blick nach oben: Der Mond knabbert die Sonne an. Wieder bedeckt: nuageux! Weiterfahren! Und noch ein paar Mal: Wolkenlücke, anhalten, kurz schauen, nuageux, weiterfahren! Immer mehr Menschen stehen am Straßenrand und hoffen. Wir hoffen auch und fahren weiter. Wer jetzt noch fährt wie wir, sucht nach dem goldnen Platz.
Verdun! Die Maas - französisch: Meuse! Und dann ein Sonnenhang! Feldweg nach oben! Da stehen sie und schauen und staunen. »Ich habe Erwachsene mit Kinderaugen gesehen«, sagte am Morgen ein Finsternis-Erfahrener im Rundfunk. Doch ich sehe nur Brillen.
Der Himmel reißt über uns auf. Glücklicher Blick nach Süden: Zu drei Vierteln hat der Mond die Sonne schon verschluckt. Ganz allmählich wird es dämmrig. Schafft es die blöde Wolke, über den Hang zu kommen? Sie quält sich. Wir bangen.
Noch eine schmale, helle Sichel! Kühl ist es geworden; vom Westen weht ein heimlicher Wind. Abendstimmung um 12.25 Uhr! Die Venus zeigt sich heut als Mittagsstern.
»Merveilleux!« Die Menschen sind jetzt schon begeistert. Die Sichel ist hauchdünn - ein roter Punkt ist es noch - mit einem Schlag ist es dunkel - ein Blitz: die Fabriklichter gehen an - die Korona der dunklen Sonne ist zu sehen. Freudenschreie, Applaus, Tränen! Nun sehe ich die Kinderaugen der Erwachsenen. Warum staunen wir so selten?
Auf der Uhr ist es 12.27 Uhr. Brillenloser Blick nach oben: Die Augen schießen Fotos für die Seele. Ein überwältigendes Gefühl des Einsseins mit der Welt! Frieden! - Sonne, Mond und ich, wir stehen in einer Linie.
Eine Sonnenblume am Himmel; ich würde sie so gern dem schenken, der sie nicht sieht, sie nicht sehen kann. Die Wolke kommt näher, aber sie ist langsam. Hell erstrahlt die Venus, wohlwollend, als küssten sich die schönen Himmelskörper bei ihrem himmlischen Rendezvous. -
Vorbei! Die Korona erlischt, die Sonne strahlt wieder - ein winziger Punkt nur, doch es wird hell, überraschend hell. Es ist so, als hätte jemand im dunklen Zimmer das Licht angeknipst. Wir sind geblendet. Die Fabriklichter gehen wieder aus. Blick nach unten: 12.29 Uhr. War's das schon?
Ein großer Kuss meiner Liebsten, die mit mir dieses Schauspiel verfolgt hat! Entspannung! Glücksgefühl! Gedanken-Austausch mit den Eltern! Es war beeindruckend.
Es wird heller und heller. Die meisten fahren nun fort. Nur einige bleiben. Eine Gruppe Franzosen verlagert ihre Aufmerksamkeit auf das Picknick. »Bon appetit
Sieben Minuten nach der totalen Finsternis wird es wieder etwas dunkler. Die Wolke schiebt sich vor die Sonnensichel. Sieben Minuten - Glück gehabt!
Ab und zu lugt die immer breiter werdende Sichel zwischen den Wolken hervor. Als der Mond die Sonne wieder fast freigegeben hat, entscheiden wir uns für ein Mittagessen in Verdun.
Hier, wo meine Urgroßväter heillose Kriege führen mussten, haben Europas Völker einträchtig die Schöpfung betrachtet. Für eine halbe Stunde hat sich der verhangene Himmel über der blauen Maas aufgetan - für den Frieden, für die Sonnenblume, für die Kinderaugen.


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