Solarstromanlagen dürfen jetzt das Netz stützen
Neue Wechselrichter statt teurem Netzausbau
Das vorhandene Versorgungsnetz ist für einen Energiefluss vom Kraftwerk zum Kunden konzipiert. Immer mehr Stromerzeuger, die auf der Niederspannungsebene zurück ins Netz einspeisen, waren bei seiner Auslegung nicht vorgesehen. Aber allein in den letzten fünf Jahren hat sich die installierte Photovoltaik-Leistung versechzehnfacht.
Statt teurem und langwierigem Netzumbau hat eine Arbeitsgruppe des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) die Netzanschlussregeln (VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4105) neu definiert, so dass auch kleine dezentrale Erzeuger zur Spannungshaltung beitragen dürfen. Einen entsprechenden Standard gibt es für das Mittelspannungsnetz schon seit 2008 (BDEW, Technische Richtlinie Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz). Im Prinzip überträgt der neue Entwurf diese Kriterium nun auf die Niederspannungsebene.
Die neue Niederspannungsrichtlinie wird im Juli in Kraft treten. Sie weist Photovoltaikanlagen ganz neue Aufgaben zu. In Zukunft sollen sie nicht nur Strom liefern, sondern auch Blindleistung und so die vorhandenen Leitungen wesentlich besser nutzen, damit die vorhandenen Niederspannungsnetze mehr dezentral erzeugten Strom aufnehmen können. Neben dem Einspeisen von Blindleistung sieht die Regelung aber auch vor, dass PV-Anlagen ihre Wirkleistung dem Netzregelungsbedarf gestuft anpassen sollen. Das führte seit letztem Herbst zu 1.200 Widersprüchen gegen die Neuregelung, so dass die Regelung jetzt ein Dreivierteljahr später eingeführt wird. Vor allem Anlagenbetrieber befürchteten Einnahmeverluste, sollten Netzbetreiber ihre Anlagen regeln dürfen.
Alle Erzeuger müssen künftig zur Einhaltung der Spannungsbandes im Niederspannungsnetz beitragen, indem sie bei Bedarf Blindleistung einspeisen. Und alle Erzeuger ab 3,86 kVA müssen mit Verschiebungsfaktoren cos Φ = 0,95 untererregt bis 0,95 übererregt betrieben werden können. Aufgrund des Netzwiderstands hebt sich die Spannung, wenn eine Anlage Wirkleistung einspeist. Bezieht sie dagegen induktive Blindleistung, verhält sie sich wie eine Last, weshalb die Spannungsanhebung im Netz geringer ausfällt. Um diese Anforderungen ohne Verluste bei der Wirkleistungseinspeisung umsetzen zu können, müssen PV-Wechselrichter für Anlagen über 13,8 kVA künftig im Schnitt um 10 Prozent und kleinere Anlagen um 5 Prozent größer als bisher dimensioniert werden.
Da der Wechselrichter rund 10 Prozent der Investitionskosten einer PV-Anlage ausmacht, werden Solaranlagen also künftig um bis zu 1 Prozent teurer. Im Endeffekt ist das aber die wesentlich günstigere Lösung gegenüber einem teuren Netzneubau oder gar dem Ausbremsen des regenerativen Energiewandels.
Matthias Brake08.04.2011
|