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Freno d'Emergenza schrieb am 27.4. 2014 um 16:47:40 Uhr über

Slenderman

Die Richterin am Verwaltungsgericht Friderike Slenderman wurde allgemein »die kühle Blonde« genannt. Sie war ein deutlich norddeutscher Typ. Ein für seine Spottlust bekannter Geschäftsstellenbeamter pflegte sie öfters mit dem nationalsozialistischen Rassenideal zu vergleichen: groß, schlank und wohlgestalt, blond »bis hinten wider« und blauäugig. Die großen Brillengläser schienen die Wirkungen der stahlblauen Augen der Richterin Slenderman noch zu verstärken. Im Verkehr mit ihren Kollegen war die Richterin Slenderman bereits von einer herablassenden Kühle, die sich im Umgang mit den Geschäftsstellenbeamten, Wachmeistern und Schreibkräften geradezu frostig gestaltete. In den Verhandlungen trug sie als Berichterstatterin mit einer schneidenden Präzision vor, und schneidend kalt war auch ihre Verhandlungsführung, die ihr öfters von ihrem Kammervorsitzenden übertragen worden war. Die Richterin Slenderman mit ihren zwei Prädikatsexamen galt als hervorragende Juristin, der man insbesondere mit dem Einsetzen der Frauenförderung im öffentlichen Dienst seinerzeit große Karrierechancen zusprach, zumal Friderike Slenderman, obschon mitte Dreissig, unverheiratet geblieben war, und in wilder Ehe mit einem Studienrat zusammenlebte, wie man sich erzählte. Die Richterin Slenderman selbst erzählte nie etwas davon, und selbst ihre Kammerkollegen hüteten sich, sie danach befragen zu wollen, seit sie einem neugierigen Assossor beschieden hatte, sie weigere sich, in einem Reihenhaus zu verkommen. Zu dieser Arroganz passten auch hervorragend die apparten, knapp geschnittenen Kostüme und figurbetonten Hosenanzüge, die Slenderman bevorzugte, und ihre Angewohnheit, anstatt mit ihren Kammerkollegen in der Kantine des Landratsamtes Mittag zu machen, raschen Schrittes in die Fußgängerzone zu enteilen, wo sie in wechselnden Lokalen »lunchte«, wie sie selbst es nannte. Einer ihrer Kammerkollegen hatte seine Kollegin Slenderman einmal zu einem dieser Mittagessen begleitet, und berichtete anderntags voller ehrlichem Entsetzen über die Preise dieses lunchs. Der neue Kollege Wattenberg war Slenderman ein paarmal auf den Gängen des Gerichtsgebäudes begegnet. Man hatte sich freundlich zugelächelt. Nach Slendermans Auffassung war der Richter auf Probe Wattenberg der einzige halbwegs gutangezogene Richter im Verwaltungsgericht - daß er grundsätzlich ohne Kravatte erschien, war für die Richterin Slenderman ein durchaus sympathischer Zug. Die Kombinationen von leuchtendem Rot, Grün oder Gelb mit Schwarz - Jacke, Marken-Tshirt, Bundfaltenhose - stach wohltunend ab von der Maßkonfektion ihrer Kollegen. Als man die Richterin Slenderman in der mittäglichen Märzsonne mit dem Richter auf Probe Wattenberg gemeinsam Richtung Fußgängerzone enteilen sah, während sich die beiden angeregt unterhielten, waren einige Angehörige des Verwaltungsgerichtes sofort überzeugt, daß sich da ja die beiden Richtigen gefunden hätten. Darin wurden sie bestärkt, als eine Geschäftsstellenangestellte angeregt berichtete, daß sich die beiden, als sie sich im Treppenhaus des Gerichtsgebäudes danach verabschiedet hatten, sogar geduzt hätten, was seinerzeit im richterlichen Dienst ausgesprochen ungewöhnlich war.


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