Sepia war das erste Mittel, das in meinem Kurs an der Samuel-Hahnemann-Schule erarbeitet wurde. Es hat mich persönlich sehr berührt. Aber anstatt meine Betroffenheit zu zeigen oder mit jemandem darüber zu sprechen, habe ich mir auf eigene Faust Sepia verordnet. Ich war zwar bei Andreas in Behandlung, habe meine Selbstbehandlung jedoch nicht mit ihm abgesprochen, sondern ihn nur darüber informiert. Dieser Umgang mit der eigenen Betroffenheit ist charakteristisch für Sepia. Es ist sehr typisch für sie, daß sie selbst weiß, was für sie gut ist und daß sie dann danach handelt.
Als mich Andreas ein 3/4 Jahr später fragte, ob ich diesen Artikel schreiben wolle, war ich nicht sonderlich überrascht, da ich schon damals angefangen hatte, meine Gedanken und Erfahrungen zu Sepia zu sammeln. Als Andreas mich fragte, erschien es mir nur folgerichtig, sie auch zu veröffentlichen.
Das war nicht immer so. Zu der Zeit, als ich mich mit meiner eigenen Sepia-Problematik auseinandersetzen mußte, erschien es mir vor allem ungefährlicher, über meine Gedanken und Erfahrungen zu schweigen als um die Akzeptanz meiner Sichtweisen zu kämpfen. Der Gedanke, daß ich vielleicht auch ohne Kampf irgendwann darüber schreiben oder sprechen könnte oder sogar darum gebeten würde, kam mir gar nicht - angesichts dieser schrecklichen, patriarchal strukturierten Schule, an der die Sprache nur Väter, Schüler und Götter kennt.
Was hat sich also geändert? Immerhin war ich nicht mal mehr überrascht. Geändert hat sich mein Umgang mit diesen Strukturen, ich hatte einen folgenreichen Heilungstraum (s. u.) und stehe heute auf dem Standpunkt, daß eine patriarchal strukturierte Schule auch ihre Vorteile hat, wenn die Männer an dieser Schule bestimmte Teile in sich erlöst haben und das System nicht um des Systems willen existiert, sondern weil die besseren Systeme erst wieder erarbeitet werden müssen.
Ich werde zunächst Sepia als Tier beschreiben, um dann das Arzneimittelbild mit dem Schwerpunkt der sepischen Psyche darzustellen.
Dazu möchte ich vorher einige Erläuterungen geben. Wir arbeiten mit feinstofflichen Energien, Hochpotenzen, und beeinflussen dabei miasmatische Probleme und karmische Verbindungen. Wir sprechen von dem Prinzip von Tod und Wiedergeburt und der Aufgabe, die das Leben den einzelnen stellt und bei deren Bewältigung unsere homöopathischen Arzneien Wege zeigen, vor allem Kraft geben können, diese Wege auch zu beschreiten.
Es liegt nahe, diese Dinge bei der Betrachtung eines Mittels mit einzubeziehen statt sie nur immer wieder zu theoretisieren. Was ist mit »miasmatischer Bereich« gemeint? Wenn wir von miasmatischen Vorbelastungen sprechen, meinen wir die kollektive Vergangenheit, in der es bestimmte Themen noch zu bearbeiten gibt. Das miasmatische Problem ist nicht in diesem Leben entstanden, sondern die auslösende Ursache liegt länger zurück. Wenn über Miasmen oder kollektive Felder gesprochen wird, kann man jedoch auch den Ausdruck Karma verwenden. Das kollektive Feld bezieht sich auf die Vergangenheit der einzelnen Konstitutionstypen, d.h. jede homöopathische Konstitution hat eine bestimmte Aufgabe, deren Bewältigung in diesem Leben Thema ist. Die Aufgabe von Lycopodium ist z.B die Übernahme von Verantwortung einerseits und der konstruktive Umgang mit der eigenen Schwäche andererseits. Einfacher ausgedrückt liegt jedem Konstitutionsmittel ein kollektives Karma zugrunde. Dieses kollektive Karma äußert sich beim Menschen individuell. Der nächste Schritt besteht darin, die heutigen Probleme von Menschen mit früheren Inkarnationen in Verbindung zu bringen. Anhaltspunkte können die Arzneimittel sein. Davon ausgehend liegt es nahe, sich die Vergangenheit der Problematik oder zentralen Idee eines Mittels einmal genauer anzusehen.
Sepia kann in ihren heutigen Erscheinungsformen nur verstanden werden, wenn die Geschichte der Frau in den letzen Jahrhunderten bekannt und bewußt ist. Diese Vergangenheit ist die Vergangenheit von Sepia und die Geschichte von der Entwürdigung der Frau.
In dieser Arbeit geht es also um die Würde der Frau, um ihre Sexualität und den Feminismus.
Sepia gilt als »Frauenmittel«. In einer homöopathischen Behandlung, die sich nicht nur mit dem Wegmachen vordergründiger Symptome begnügt, sondern auch die initiatische Ebene einer Therapie berücksichtigt (Tore öffnen), kommt fast jede Frau an das Thema der kollektiven Würdeverletzung und des kollektiven Mißbrauchs von Frauen heran - und damit auch an die in ihr seit 1000en von Jahren lebenden Wurzeln weiblichen Wissens und matriarchaler Göttinnähe. Ich spreche daher im allgemeinen immer von Frauen. Auf Männer und Sepia werde ich gesondert eingehen.
Sepia, das Tier und seine Analogien zum Arzneimittelbild
Der Tintenfisch Sepia officinalis gehört zur Familie der Dekapoden und ist eine zweikiemige Cephalopode, das heißt ein Kopffüßler. Hier findet sich die erste Analogie zum Arzneimittelbild. Die Füße, sprich Fangarme, als ausführende Organe, setzen am Kopf an. Auch bei der Sepiafrau gehen die ausführenden Organe vom Kopf aus. Kopf und Ratio sind sehr dominant, oft fehlt ihr der »Bauch«, d.h. sie kommt nicht an ihre Gefühle heran und läßt keine Schwäche zu. Sepia geht brutal mit ihrer eigenen Verletzlichkeit um (worauf ich später noch näher eingehen werde).
Die Heimat von Sepia ist das Mittelmeer. Auch Sepiafrauen lieben das Meer, ihren Urlaub verbringen sie gerne in Griechenland, dabei schimpfen sie ständig auf die katastrophalen patriarchalen Verhältnisse und die ständige Anmache der Griechen, deren Eroberungsdrang gerade durch ihre herausfordernd offenen und direkten Augen angestachelt wird. Der griechische Ausdruck »Kiamaiki« wird wörtlich mit Harpunieren übersetzt, umgangssprachlich verwenden ihn die griechischen Männer für »Frauen aufreißen«.
Die hauptsächlich im Mittelmeer vorkommende Sepia ist 20-30 cm lang. Ihre Fangarme sind genauso lang und umgeben die Mundöffnung. Sie sind besetzt mit jeweils vier Reihen von Saugnäpfen, mit denen sie ihre Nahrung, kleine Fische, fangen und festhalten kann. Außerdem hat sie noch zwei längere Fangarme, die nur an den Spitzen Saugnäpfe tragen. Die Sepia fällt auf durch ihre großen dunklen Augen, die weit auseinander an den Seiten des Kopfes liegen, sowie durch die Fähigkeit, willkürlich einen schwarzbraunen, fischartig riechenden Saft auszuspritzen, der sich in einer bis zu 6 cm langen und 3 cm dicken Blase im Unterleib befindet. Diese Blase öffnet sich trichterförmig zum Hals hin. Die sog. Tinte wird ausgespritzt, wenn dem Tintenfisch Gefahr droht und er seine Verfolger abschütteln will. Genau wie der Tintenfisch hat auch die Sepiapatientin, die in die Praxis kommt, große dunkle, tiefe Augen, die einen klaren Blick für die Schwächen anderer haben. Durch diese Augen wirkt sie ehrfurchtgebietend, königlich und würdevoll. Oft drücken ihre Augen Angst aus; sie können aber auch Angst auslösen. Wie der Tintenfisch dem möglichen Feind die Sicht raubt und verschwindet, startet die Sepia-Frau Angriffe in Form von scharfen verletzenden Vorwürfen, mit denen der andere erst mal klarkommen muß, während sie von ihren eigentlichen Gefühlen und ihrer Verletztheit ablenkt. Wie der Fisch sucht sie die Einsamkeit, flieht jedoch auch vor der Zuneigung, die ihr entgegengebracht wird (2).
Die Sepia hat wenig natürliche Feinde, der gefährlichste Feind ist der Mensch. Auffallend ist die Fangmethode. Taucher steigen hinab ins Meer, um die Tintenfische einzeln mit einer Harpune aufzuspießen. Anschließend schlägt man ihnen auf einem Stein die Tinte aus dem Bauch, damit sie schön sauber in den Verkauf wandern können. Das Arzneimittel Sepia hat eine starke Affinität zum Unterleib, besonders im Zusammenhang mit Entwürdigung, die hier durch die Schläge auf den Bauch symbolisiert ist.
Der Schmerz, der dem Tier zugefügt wird, taucht häufig in den Träumen von Patientinnen auf.
Beispiele:
1.Traum:
Der spirituelle Meister der Patientin schenkt ihr einen Dreizack (Sepia schließt sich gerne spirituellen Meistern an).
2.Traum derselben Patientin nach Sepia:
Sie schwimmt im Meer und sucht den Dreizack am Grund des Bodens.
3.Traum, einer anderen Patientin:
Sie ist im Netz gefangen, und Männer stoßen ihr einen Dreizack in den Rücken.
Erlebnis einer weiteren Patientin:
Sie liegt mit ihrem Freund im Bett, und er liest ihr aus dem Buch:»20000 Meilen unter dem Meer« von Jules Verne vor. Als eine Riesenkrake mit Beilen und Dreizacken bekämpft wird, erlebt sie selbst den Schmerz physisch an ihrer Seite.
Die Sepia officinalis hat ein sehr interessantes Geschlechtsleben, bei dem vor allem auffällt, daß sie sich nicht zugucken läßt. Nachdem ein Sepiapärchen lange Zeit nebeneinanderhergeschwommen ist, ohne sich ein einziges Mal berührt zu haben, übergibt der männliche Tintenfisch sein Sperma in einem abgetrennten Arm incl. eines kleinen Beutels an den weiblichen Tintenfisch. Auch Sepiamenschen brauchen beim Liebesspiel eine sehr lange Annäherungsphase, die sehr störempfindlich ist. Wenn während des Vorspiels das Telefon klingelt, der Partner etwas Unpassendes sagt oder ein WG-Mitglied ins Zimmer guckt, läuft nichts mehr. Hierzu die Aussage einer Patientin: »1000 Kerzen müssen brennen«. Sepiatypisch wäre auch die Aufforderung von Carmen:»Tanz für mich!«
Wenn das Tintenfischweibchen die befruchteten Eier abgeworfen hat, verläßt es die Brut. Bei Sepiafrauen verschlimmert sich das Allgemeinbefinden und die Symptome während und nach der Schwangerschaft (3). So hilft Sepia oft bei morgendlicher Übelkeit in den ersten 3 Monaten, die nach dem Frühstück besser werden kann. Sepia ist dann angezeigt, wenn eine Frau Schwierigkeiten hat, mit der traditionellsten Rolle der Frau als Mutter umzugehen. Diese innere Ablehnung kann sich in einer körperlichen Abneigung gegen die Schwangerschaft manifestieren.
Die homöopathische Entdeckung der Sepia
Die Tinte des Tintenfisches wurde als die unter dem Namen Sepia bekannte Malerfarbe verwandt. Maler leckten ihre Pinsel ab, und Hahnemann fiel auf, daß das bei der Farbe Sepia nachteilige Folgen haben konnte. Darauf prüfte er sie und fand sie der Aufnahme in die Reihe der homöopathischen Arzneimittel für würdig.
Der Stoff Sepia enthält hauptsächlich Calcium carbonicum, Magnesium carbonicum, Natrium sulfuricum, Kochsalz und den Farbstoff Melanin (4).
Die Sepiapathologie
Für Vithoulkas entsteht die Sepiakonstitution aus der hormonellen Stase, die sich auf alle Ebenen des Seins ausdehnt, bis das Bild von der vermännlichten, gefühlskalten und frigiden, harten oder abgeschlafften Frau erreicht ist, die gegenüber allem und jedem gleichgültig ist, Abneigung gegen Sex hat und ihre Mitmenschen mit scharfen, treffenden Bemerkungen verletzt (5). Physiologisch gesehen führt hormonelle Stase zu diesen Symptomen. Es gibt jedoch auch für die hormonelle Stase eine Ursache in der Störung der Lebenskraft, die sich zuerst im Wesen des Menschen, in seiner »Moral« manifestiert hat (6). Für Sepia gibt es eine typische Störung der Lebenskraft, zu deren Verständnis ich im folgenden einen Weg vermitteln will.
Zentrale Idee
Das erste und wichtigste Thema bei Sepia ist die Würde. Sie erkrankt infolge verletzter Würde und kann sich gegen fortgesetzte Würdeverletzung nicht wehren. Würdeverletzung kann für Sepia viele verschiedene Gesichter haben, da sie sehr sensibel gegen von außen kommende Einflüsse ist. Der Begriff Würde taucht auffallend häufig in ihrem Sprachgebrauch auf. Es gibt eine arzneimittelspezifische Erkennungsfrage, die oft zum Wendepunkt der Anamnese wird: »Wie ist es mit der Würde?« In diesem Zusammenhang hat das Wort Würde den Charakter eines Losungswortes aus längst vergangenen Zeiten. Es ist, wie wenn ein Vorhang zurückfällt, der bisher zwischen Therapeut/in und Patientin gehangen hat. Sepia braucht jemanden, der/die die Spielregeln kennt, der/die Sepia kennt und mit ihr so umgehen kann, daß ihre Würde gewahrt bleibt. Nachdem das Losungswort gefallen ist, beschreibt die Patientin ihre Würde als zertreten, verloren oder zusammengeschlagen. Diese Reaktion kann auch in bezug auf die kollektiv verletzte Frauenwürde auftreten. »Würde« ist das Reizwort oder Losungswort für die Sepiaproblematik, und Sepia hat einen sehr geringen Toleranzbereich, was die Verletzung ihrer Würde angeht, d.h. es ist sehr einfach, Sepia an diesem Punkt zu treffen. Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz. Aber daß die Würde der Frau antastbar ist, zeigen die Geschichte und Sepia.
Sepiakrankheit entsteht durch Verletzung von Würde, meist im Zusammenhang mit Sexualität. Sepia ist das meistbenutzte Mittel für sexuellen Mißbrauch im Kindesalter. Häufig sind Frauen, die Sepia brauchen, als Kind oder als Erwachsene sexuell mißbraucht worden, häufig durch Väter, Großväter oder Bekannte. Nach Angaben von 'Wildwasser' wird jedes vierte Mädchen von Vater, Onkel oder Stiefvater sexuell mißbraucht. 'Wildwasser' definiert sexuellen Mißbrauch so: »...all das, was Mädchen vermittelt, daß sie nicht als Mensch interessant und wichtig sind, sondern daß Männer frei über sie verfügen dürfen; daß sie durch ihre Reduzierung zum Sexualobjekt Bedeutung erlangen; daß sie mit körperlicher Attraktivität und Einrichtungen ausgestattet sind, um Männern Lust zu verschaffen. Hierzu gehört jeder Übergriff auf die Mädchen; egal ob es heimliche vorsichtige Berührungen sind, die sie über sich ergehen lassen oder selbst vornehmen müssen, erzwungener Oralverkehr oder eine regelrechte Vergewaltigung« (7). Jede Handlung oder jeder Gedanke, bei dem ein Mensch nicht als solcher, sondern aufgrund seines Geschlechtes wahrgenommen und benutzt wird, ohne daß er die Freiheit hat, sich dem zu entziehen, ist sexueller Mißbrauch. Sexueller Mißbrauch ist also nicht nur erzwungener Geschlechtsverkehr, sondern auch Berührungen, Blicke, Worte, anerkennende oder 'fachmännische' Bemerkungen über den Zustand von Po und Busen bei heranwachsenden Mädchen. Diese Formen von sexuellem Mißbrauch haben wir fast alle erlebt. Und wir haben geschwiegen und uns geschämt oder verlegen gelacht. Es war nur selten möglich, sich diesen Situationen dauerhaft zu entziehen, aggressive Abwehr war sozial nicht erwünscht und aufgrund der Abhängigkeit von diesen Männern, die oft Väter, Verwandte oder gute Freunde der Familie waren, nicht möglich. Es gibt Mädchen, denen machen diese subtileren Mißbräuche weniger aus. Bei Sepia graben sie sich tief ins Gedächtnis und lösen eine konsequent ablehnende Haltung gegen Männer aus oder/und eine Verachtung für sich selbst und ihren Körper, der so oft Auslöser für peinliche Situationen und Scham war. Zudem ist Sepia sehr sehr nachtragend, was diese Dinge angeht. Zusammen mit Natrium muriaticum. ist es das Mittel der Materia Medica, das am schlechtesten verzeihen und am längsten Rachegedanken hegen kann.
Oft hat die Entwürdigung schon früher angefangen, nämlich bei der Zeugung. Vergewaltigung in der Ehe ist immer noch nicht strafbar und daher auch kein Thema. Lange war Geschlechtsverkehr für Frauen nur eine eheliche Pflichterfüllung, zu der sie sich mißbrauchen ließen, ohne jemals eigene Lust kennengelernt zu haben. Sie haben hingehalten und sich gefügt. Zeugungen im Zustand der Würdelosigkeit verursachen Sepiakrankheit bei der Frau und bei dem Ungeborenen. Ungewollte Kinder wachsen im Zustand der Würdelosigkeit im Bauch der Mutter heran, ohne sich gegen die Ablehnung der Mutter wehren zu können. Kinder, die Abtreibungsversuche überlebt haben, können Sepia brauchen; Mädchen, die Jungen werden sollten und versuchen, ihren Eltern den Sohn zu ersetzen und dabei ihre eigene Weiblichkeit leugnen, brauchen es. Wenn Frauen nach Abtreibungen unter Schuldgefühlen leiden, kann ihnen Sepia helfen. (Traum einer Patientin nach Sepia: Sie ist auf einem fernen Planeten. Sie begegnet dem Kind, das sie abgetrieben hat. Es sagt zu ihr, daß es ihm gut geht und daß sie sich auf einer anderen Ebene wiederfinden werden.)
Frauen haben zu allen Zeiten über Geburt und Abtreibung selbst bestimmt. Abtreibung ist nicht grundsätzlich entwürdigend, aber die Art und Weise, wie sie heute vorgenommen wird, ist es in hohem Maße: die vielen Fragen, die zu beantworten sind, die zu erbringenden Nachweise und letztendlich der Vorgang selbst in Kliniken oder Praxen, der oft Verachtung und Verletzung bedeutet.
Sepia und die Medizin
Die Schulmedizin in ihrem heutigen Zustand ist extrem würdeverletzend und zerstörerisch, und das, seitdem dieser Bereich den Frauen entzogen wurde. Es geht nicht mehr um Menschen, nur noch um Teile und Maschinen. Kinder erleben Ärzte, die mit kalten unpersönlichen Fingern ankommen und ihnen wehtun oder sie nur anfassen, ohne sie als Wesen wahrgenommen zu haben. Sie sind ihnen hilflos ausgeliefert. Krankenhausaufenthalte und medizinische Behandlungen in der Kindheit führen oft zur Sepiapathologie. Die Verletzung durch die Medizin geht weiter, wenn Mädchen in die Pubertät kommen und zum Gynäkologen gehen. Sich ausziehen, auf den Stuhl legen mit nacktem, offenem Unterleib, ohne den/die, der/die seine/ihre Finger oder Metallteile dort hineinstecken wird, überhaupt gesehen, geschweige denn mit ihm/ihr gesprochen zu haben, ist in hohem Maße würdeverletzend. Es gibt die Allgemeinmedizin und die Gynäkologie. Die Allgemeinmedizin war die Medizin des Menschen, der Mann ist, während die Gynäkologie die Spezialmedizin für das Abweichende, oder zumindest das Besondere ist, nämlich für die Frau. In den letzten Jahrzehnten ist die Andologie entstanden, die Männerheilkunde, die sich mit Bau und Funktion der männlichen Geschlechtsorgane befaßt. Die Gynäkologie entstand im 19.Jh. als unmittelbare Reaktion auf eine erste Welle des Feminismus. Sie war und ist darauf ausgerichtet, die weibliche Würde zu zerstören, zu beschneiden, indem sie der Frau die Weiblichkeit nimmt, ihren Zyklus und die Naturverbundenheit, ihre Lust und Sinnlichkeit und nicht zuletzt ihre Gebärfähigkeit (Pille, Klitoridektomie, Hysterektomie, Mastektomie, Östrogen usw.).
Hierzu Mary Daly in ihrem Buch »Gyn/ecology« (S.3):
»So lehrte im Jahre 1848 - dem Jahr der ersten Frauenrechts-Konvention - Dr. Charles Meigs seine Studenten, das Studium der weiblichen Organe werde sie in den Stand setzen, das Innerste, das Bewußtsein und die Seele der Frauen zu verstehen und zu kontrollieren. Die Klitoridektomie, zehn Jahre danach von dem englischen Isaac Baker 'erfunden', wurde von einigen amerikanischen Gynäkologen enthusiastisch begrüßt als eine 'Kur' gegen weibliche Selbstbefriedigung. 1852 erhob Dr. August Kinsley Gardner Kriegsgeschrei gegen 'liederliche Frauen' und dazu gehörten für ihn Frauenrechtlerinnen, Bloomer-Trägerinnen (Bloomers sind weite wallende Pumphosen, B.S.) und Hebammen. In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verkündeten Dr. Isaac Ray und seine Zeitgenossen, die Ursache für die Neigung der Frauen zu Hysterie, Irrsinn und Kriminalität läge in ihren Geschlechtsorganen. Das Jahr 1873 verzeichnet die Veröffentlichung von Dr. Robert Batteys Erfindung der «weiblichen» Kastration, nämlich die Entfernung der Eierstöcke zur Heilung von «Wahnsinn». Die nächsten Jahrzehnte hindurch wurde die Eierstockentfernung bei den Gynäkologen zur Besessenheit; man behauptete, sie höbe die Moral der Patientinnen, fördere bei ihnen Umgänglichkeit, Ordnungsliebe, Fleiß und Sauberkeit.« Unter diesen Umständen konnte das Symptom »gleichgültig gegenüber ihren nächsten Pflichten im Haushalt« und sepische Aufsässigkeit von vornherein ausgemerzt werden. Dies sind also die Anfänge der Gynäkologie.
Was hat das mit heute zu tun? Heute ist das doch alles ganz anders. Wirklich? Der letzte Trend geht zu Hysterektomien. Um diese Form der Kastration zu legitimieren, wird der Uterus z.B. als »eine mögliche Brutstätte für Krebs« und als ein potentiell »tödliches Organ« beschrieben. Frauen werden eingeschüchtert, bis sie jegliches Vertrauen und jeden Kontakt zum eigenen Körper verloren haben und all die medizinischen Schritte für nötig halten. Dabei wird ihnen verschwiegen, »daß die Quote von Hysterektomien tatsächlich höher ist als die Sterblichkeitsquote bei Uterus/Gebärmutterhalskrebs.« (8) Doch damit nicht genug, gleichzeitig hat sich der Brustoperationswahn entwickelt. »Gegenwärtig scheint die prophylaktische Entfernung von fast dem ganzen Brustgewebe die einzige Art, bei einer offensichtlich gefährdeten Frau Brustkrebs zu verhindern«, schreiben die Autoren eines Artikels über Brustkrebs (9). Und weiter heißt es: »Einige befürworten dieses Vorgehen als die wirkungsvollste prophylaktische Methode bei Patientinnen mit hohem Risiko, ganz zu schweigen davon, daß die Gefährdung durch diagnostische Bestrahlung wegfällt«. Solange Frauen Angst haben, sind sie gefügig und manipulierbar. Die Angst vor diesen Krankheiten wird ihnen eingepflanzt. Verschwiegen wird, das sie zum großen Teil iatrogen sind. Vergessen haben Frauen, daß ihnen aus machtpolitischen Gründen von der aufstrebenden Männermedizin und der daran ebenso beteiligten Kirche ihre uralte (Selbst-) Heilbefugnis und Kraft genommen wurde.
Sepia ist ein wichtiges Mittel für Probleme in den Wechseljahren. Frauen werden mit Propaganda überschwemmt, die sie überzeugen soll, die Wechseljahre seien eine Krankheit, die »behandelt« werden müsse. Das Absinken des Östrogenspiegels gilt als krebsauslösend und als Ursache für Hitzewallungen und Schweißausbrüche, sowie für psychische Beschwerden wie Reizbarkeit, Unlust und u.ä.. Es wird niemals erwähnt, daß es sich beim Klimakterium um einen natürlichen und allgemeinen Vorgang bei Frauen handelt, der auch in den Teilen der Erde stattfindet, wo Krebs unbekannt ist. Welche Bedeutung hat die Menopause für Frauen? Wenn die Möglichkeit, schwanger zu werden, nicht mehr besteht, entfällt eine der traditionellen Mittel, Frauen eingesperrt und unbeweglich zu halten - jedoch nicht durch die oben genannten Möglichkeiten der Kastration, sondern durch natürliche Vorgänge im weiblichen Körper, die sich in ihrer Konsequenz der Kontrolle durch die Medizin entziehen. Diese Kontrolle wird durch die Gabe von Östrogen als Standardtherapie erneuert. Außerdem entspricht die Frau im Klimakterium immer weniger dem Ideal von der für Männer attraktiven Frau. Sie wird alt. Damit beginnt für sie die Zeit, in der sie ihren dritten Aspekt leben soll, nämlich den der alten weisen Frau. Es gibt drei Aspekte der Göttin, die sich in den Jahreszeiten und im Leben jeder Frau wiederfinden. Der erste Aspekt ist die Jungfrau, die freie ungebundene Junge Frau, die sich nimmt, was sie braucht und ihr Leben aktiv gestaltet, die junge verführerische Hexe. Der zweite Aspekt ist die Mutter, das lebenspendende Prinzip, die Frau in der Blüte ihres Lebens. Der dritte Aspekt ist die weise, Heilung und Tod bringende Alte, Herbst und Winter. Diese Zeit im Leben einer Frau gehört ihr selbst. Die Frau nach den Wechseljahren ist eine potentielle Ausbrecherin, Abweichlerin, eine weise alte Frau. Genau wie die ersten Feministinnen im 19.Jh. muß sie davon geheilt werden. Frauen, die den gesamten diagnostischen und therapeutischen Showdown an sich selbst erfahren mußten und es nie geschafft haben, sich davon und von der psychischen Abhängigkeit zu befreien, werden niemals zu weisen alten Frauen, sondern zu leergesogenen Karikaturen ihrer selbst.
Die körperliche Enteignung und Entwürdigung durch die Gynäkologie findet auf anderer Ebene durch die Psychiatrie und die Psychologie statt. Vertraut ist das »Die-Mutter-ist-schuld-Syndrom« der Psychoanalyse. Zur totalen Kastrierung von Frauen ist es notwendig, ihre echten Mütter zu diskreditieren. Zur Zeit der Hexenverbrennungen haben sich Frauen gegenseitig denunziert, um es ihren Männern und der Kirche recht zu machen. Töchter mußten zusehen, wie ihre Mütter verbrannten, und kleine Mädchen mußten, nachdem sie zugesehen hatten, wie ihre Mutter verbrannte, mehrmals barfuß durch die glühende Asche laufen.
In den Praxen der Gynäkologen und in den Krankenhäusern sind Frauen, Arzthelferinnen und Krankenschwestern die ausführenden Organe. Die Schmerzen, die Frauen in Krankenhäusern und Praxen zugefügt werden, werden ihnen von Frauen zugefügt. Die Ärzte/Innen bewegen sich im Hintergrund. Auch auf diese Weise wird alles getan, damit sich Frauen nicht in Schwesternschaft und Vertrauen zusammenschließen. Märchen zeigen, daß die einzig guten Mütter die toten Mütter sind. Die lebenden Mütter sind die bösen Stiefmütter (z. B. Aschenputtel, Schneewittchen).
Für Sepiafrauen, die ein Gefühl für ihre eigene Würde bekommen haben, ist es das Letzte, in die Hände von klassischen Medizinern zu fallen und das Allerletzte, in die Hände von Gynäkologen zu fallen. Unter den Wahnideen steht Sepia mit »denkt, drei Ärzte kommen«. Sie gehen zur Heilpraktikerin und zur Homöopathin, um all dem zu entgehen. Werden sie aus diagnostischen Gründen oder aufgrund einer gefährlichen Symptomatik an Schulmediziner überwiesen, weigern sie sich oder sie verlassen sang- und klanglos den/die BehandlerIn. Es bedeutet für sie einen Vertrauensbruch oder sie fühlen sich weggestoßen. Es kann sehr kritisch werden, wenn sich Sepia-Patientinnen aufgrund einer akuten Unterleibssymptomatik weigern, sich gynäkologisch untersuchen zu lassen. Auf der anderen Seite weiß Sepia oft selbst, was für sie gut ist.
Während meiner Behandlung mit Sepia bekam ich eine schmerzhafte Eierstockentzündung, aufgrund derer mir mein Behandler riet, eine Gynäkologin aufzusuchen (Heilpraktikergesetz). Er, dem ich sowieso nicht traute, wollte mich zu einer gynäkologischen Untersuchung bewegen. »Aha, Du bist auch einer von diesen Frauenschändern und willst mich ausliefern«, dachte ich und behielt meine Enttäuschung darüber, daß er mir nicht helfen konnte oder wollte (?), für mich, natürlich, wie auch sonst? (Das Opfer, das seine Betroffenheit nicht zeigt, wird zum Täter gegen sich selbst!) Ich weigerte mich hartnäckig, und mein Behandler riet mir zu einigen Mitteln, die ich der Reihe nach ausprobieren sollte, bis eines half. Sepia war nicht darunter. Keines der Mittel half. Ich hatte Angst, weigerte mich aber weiterhin, mir eine/n Gynäkologen/in zu suchen. Ich war natürlich seit Jahren nicht mehr in gynäkologischer Behandlung. Irgendwann, als ich nicht mehr weiterwußte, habe ich mich hingesetzt und meinen Körper gefragt, was er will. Das hatte ich noch niemals zuvor getan. Irgendwann kam eine alte Frau, die sagte: »SEPIA«, und es war ganz einfach, wie sie es sagte. Ich nahm Sepia, und nach ein paar Stunden waren meine Schmerzen verschwunden. Nach einer Woche bekam ich eine Zwischenblutung und ich ging wieder nicht zum Arzt, obwohl gerade jetzt im Unterricht auf die Gefahr hingewiesen wurde, die hinter diesem Symptom lauern können, Myome, Krebs usw.. Ich hatte das Gefühl, daß diese Blutung gerechtfertigt war, als ob es einen wichtigen Grund dafür gäbe. Mir ging es gut dabei. Ich empfand es als reinigend. Irgendwann hat sie aufgehört, und seitdem habe ich nichts mehr davon gespürt. Da ich während meiner Sepiaphase aufgrund mangelnden Vertrauens nie ganz offen zu meinem Homöopathen war, konnte er mir gar nicht helfen. Ich ließ es nicht zu. In dieser Situation war es für mich wichtig, den Kontakt zu meinem Körper und zum sepischen Archetypus herzustellen und selbst herauszufinden, was mir fehlte. Ich habe in dieser Situation meine eigene Autonomie und Würde wiedergefunden, d.h. ich mußte die Eierstockentzündung erleben, um der alten Frau begegnen zu können und damit an meine Selbstheilungskraft zu gelangen.
In der seelischen Behandlung von Frauen folgt man dem Beispiel Freuds, der schrieb:»Ich nehme einfach die Rechte des Gynäkologen- oder vielmehr sehr viel bescheidenere als diese - für mich in Anspruch.« (10)
Tatsächlich war er dabei noch maßloser als die Gynäkologen, er wollte in die Seelen der Frauen eindringen und ihre tiefsten Geheimnisse freilegen. Freud ist der Vater der Psychologie und seine Gedanken spuken immer noch in vielen Theorien herum, ganz zu schweigen von den vielen Freudianern, die es tatsächlich immer noch gibt. Was hat Freud mit Sepia zu tun? Wie gesagt, entsteht Sepia-Krankheit durch den würdelosen Umgang mit weiblicher Sexualität und dem weiblichen Unterleib. Das Problem am sexuellen Mißbrauch ist, daß Mädchen und Frauen nicht genügend geschützt sind und daß die Täter gesellschaftlich geschützt werden. Was bei Frauen zurückbleibt, sind Scham, Angst und Ekel, Gefühle, die für Papa Freud Grund zur Therapie gaben, wie der Fall Dora zeigt. Dora litt angeblich an Hysterie, seit sie mit 14 Jahren einen sexuellen Angriff erlebt hatte. Einem alten Mann, Freund der Familie, war es gelungen, mit Dora allein zu sein. Er »preßte plötzlich das Mädchen an sich und drückte ihm einen Kuß auf die Lippen.« Dazu die Analyse Freuds: »Das war wohl die Situation, um bei einem 14-jährigen unberührten Mädchen eine deutliche Empfindung sexueller Erregtheit hervorzurufen. Dora empfand aber in diesem Moment einen heftigen Ekel, riß sich los und eilte an dem Manne vorbei zum Haustor.« (10) Er negiert damit Doras normale Reaktion von Abscheu und Selbstschutz und behauptet, sexuelle Berührung, das Wort Belästigung kennt er gar nicht, müsse ein sexuelles Verlangen hervorrufen. Und weiter: »In ...dieser Szene ist das Benehmen des 14-jährigen Kindes bereits ganz und voll hysterisch. Jede Person, bei welcher ein Anlaß zur sexuellen Erregung überwiegend oder ausschließlich Unlustgefühle hervorruft, würde ich unbedenklich für hysterisch halten, ob sie nun somatische Symptome zu erzeugen fähig seien oder nicht... Anstatt der Genitalsensation, die bei einem gesunden Mädchen gewiß nicht gefehlt hätte, stellt sich bei ihr die Unlustempfindung ein, welche dem Schleimhauttrakt des Eingangs in den Verdauungstrakt zugehört, der Ekel.« (10)
Jegliche sexuelle Berührung, also auch unfreiwillige, ist ein Anlaß zur sexuellen Erregung, und wer diese nicht spürt, ist krank. Wir können uns vorstellen, was aus Dora geworden ist, die auf diese Art behandelt wurde. Eine Psychologie, die auf solchen Annahmen über Frauen beruht, vom Penisneid ganz zu schweigen, konnte Frauen nichts Gutes bringen, im Gegenteil, sie führte zu noch tieferer Demütigung und Entfremdung.
Leider zeichnet sich nicht nur Freud durch Frauenfeindlichkeit aus, sondern auch C.G.Jung. Bei ihm ist es nicht so bekannt. Er geht offen gegen starke Frauen vor, die vom Animus geritten werden. Durch seine Begriffe Animus und Anima legt er ganz deutlich fest, wie Frauen und Männer zu sein haben. Das Abweichende wird therapiert. Und wie? »In vielen Fällen hat der Mann das Gefühl (und hat nicht ganz unrecht damit), daß einzig Verführung oder Verprügelung oder Vergewaltigung noch die nötige Überzeugungskraft hätten.« (11) »Die gehört mal richtig durchgefickt« höre ich Männer über anscheinend unbefriedigte Feministinnen sagen. »Denen fehlt doch bloß ein richtiger Mann, der ihnen sagt, wo's langgeht«. Die wenigsten Frauen, die heute mit Jung sympathisieren, kennen diese Empfehlung. Sie sollten sich überlegen, welche Konsequenzen eine Psychologie für Frauen hat, der diese Meinung über vom Animus gerittene Frauen zugrunde liegt.
Das Thema aus dem Fall Dora ist ein großes Sepiathema und besonders die sepischen Feministinnen setzen immer wieder an dem Punkt an. Es ist wichtig, daß Frauen ein eigenes Lustempfinden entwickeln, ihre Körperlichkeit und ihre Sinnlichkeit wiederfinden, unabhängig davon, ob sie dann noch dem männlich geprägten Bild von der Frau entsprechen, die einen erigierten Penis nur zu spüren braucht, um in äußerste Verzückung zu geraten.
Die Sepiapatientin und ihr Homöopath
Oft lassen sich Sepiapatientinnen nur von Frauen behandeln und genießen einen geschützten Raum, in dem keine Männlichkeit zugelassen ist, genauso wie sie sich in Frauencafés, Frauenbuchläden oder Frauengesundheitszentren organisieren und so Räume zurückerobern, in denen sie Frausein neu definieren können. Für viele Frauen ist gerade dieser Zusammenhalt unter Frauen und die gegenseitige Hilfe sehr heilsam. Trotzdem gibt es viele, die sich einen Therapeuten suchen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Wir sind in einer Welt aufgewachsen, in der alle übergeordneten Autoritäten Männer waren: Kinderarzt, Gynäkologe, Pfarrer, Schulleiter, immer wieder Lehrer, Politiker, überall immer nur Väter, die wissen, was für uns gut ist und uns danach formen, wie Gottvater uns aus der Rippe von Adam nach »seinem« Bild geformt hat. Was liegt näher, als sich auch einen männlichen Therapeuten zu suchen als einen neuen Vater, der weiß, was für uns gut ist und uns nach seinem Bild formt? Inwieweit sich unter diesen Frauen Sepiacharaktere verbergen, weiß ich nicht.
Ein anderer möglicher Grund liegt in dem vielleicht unbewußten Wunsch, gerade diese Problematik zwischen Mann und Frau in der Gesellschaft zu bearbeiten. Dies geschieht dann zunächst stellvertretend in der therapeutischen Beziehung. Die Sepiapatientin gehört nicht zu denen, die den Therapeuten nach der Anamnese erstmal umarmen, weil so eine tiefe Verbundenheit entstanden ist und sie sich so verstanden fühlt (Puls.). Sie signalisiert »Komm mir nicht zu nahe«. Als Therapeut/in spürt man bei sich oft eine ehrfurchtsvolle Distanz, die sich auch in der Körperhaltung ausdrücken kann. Man will alles tun, um die Grenzen dieser Frau zu wahren. Mit ihrer Kühle und Distanziertheit verbirgt sie ihre Verletzlichkeit. Außerdem dauert es lange, bis sie dem Therapeuten vertraut. Bevor sie sich ihm öffnet, muß er zeigen, daß er desen würdig ist. Von ihrem Therapeuten fordert Sepia das, was sie eigentlich von allen Männern fordert, nämlich Wahrung ihrer Würde, Schutz und Förderung ihrer inneren Stärke. Weil jedoch Sepia meistens aufgrund von Würdeverletzung im sexuellen Bereich und bei Unterleibsbeschwerden indiziert ist, ist diese therapeutische Beziehung nicht leicht. Die Sepiaprobleme stellen für den Therapeuten häufig sehr heikle Themen dar, weil er sich mit seinem kollektiven Feld als Vergewaltiger und Frauenschänder verbindet oder an seine eigene Inzestproblematik rührt. Gerade im gynäkologischen Bereich versucht er entweder, sich relativ weit herauszuhalten, weil er der Patientin nicht zu nahe treten will, oder den Kontakt auf eine sehr formelle Ebene zu reduzieren, als Schutzmechanismus für sich und die Patientin. Auch mit diesem eher vermeidenden Umgang ist Sepia nicht einverstanden. Sie hat einen absoluten Anspruch an ihren Therapeuten und wünscht sich eigentlich einen nahen, wohl ehrfürchtigen, aber nicht verdrängenden Umgang mit ihren seelischen und gynäkologischen Problemen. Immerhin steht der Therapeut für alle Männer, und genau das fordert sie auch von allen Männern.
Welchen Umgang wünscht sich Sepia mit der sepischen Gynäkologie; ist dieser Umgang heute überhaupt möglich oder bedeutet er eine Überforderung des Therapeuten? Diese Fragen können hier nicht erschöpfend beantwortet werden, aber ich möchte alle Frauen, die etwas mit Sepia zu tun haben, auffordern, mir ihre Gedanken und Lösungsvorschläge zu diesem Thema mitzuteilen!
Die Unterleibssymptome von Sepia
Sepia kann an allen Formen von Unterleibserkrankungen und -störungen leiden, von Dysmenorrhoe, Amenorrhoe, Fluor und Vaginalentzündungen über Myome, Endometriose, Eierstockentzündung bis zu Gebärmutterkrebs und Gebärmutterhalskrebs. Typisch ist das Symptom »Gefühl, als wolle die Gebärmutter unten heraus fallen« (3), welches durch Beinekreuzen gebessert wird. Die Ätiologie »weibliche Würdeverletzung« erklärt diese Symptome zum Teil, die Logik dieser Symptome wird erst deutlich, wenn man den allgemeinen Umgang mit dem weiblichen Unterleib in Gegenwart und Vergangenheit betrachtet, was ich teilweise schon dargestellt habe. Ich möchte zunächst näher auf Menstruationsbeschwerden eingehen.
Wie geht die Gesellschaft heute mit der Regelblutung um? Nichts sehen, nichts fühlen, nichts riechen. Niemand darf es merken. Tampons, gebleicht und chemisch behandelt, werden Binden vorgezogen. Wissenschaftlich liegt der Schwerpunkt der Erforschung beim Eisprung, da im Kinderkriegen ja auch die hauptsächliche Aufgabe der Frau liegt. Im Aufklärungsunterricht erfährt man, daß die Blutung das Zeichen dafür ist, daß kein Kind entstanden ist. Nirgendwo ist auch nur die leiseste Vermutung zu finden, daß die Menstruation auch noch eine andere Bedeutung, vielleicht nicht für die Gesellschaft, sondern für die Entwicklung der Frau haben könnte. Und wie war das früher? Die offizielle Geschichte erinnert sich nur noch daran, daß Frauen, die ihre Regel haben, unrein sind und von den anderen ferngehalten werden müssen (vgl. Genesis). Mir selbst wurde erzählt, daß Frauen nicht einkochen und bestimmte Nahrungsmittel nicht berühren dürfen, wenn sie ihre Periode haben.
Das war nicht immer so. Als das Jahr noch 13 Monate hatte und ein Monat genau 28 Tage nach dem Monatszyklus der Frau zählte, war die Zeit der Menstruation ein heiliger Zustand, in dem Frauen besondere Fähigkeiten hatten und besonders empfänglich für Visionen und Prophezeiungen waren. Die Zeit der Menstruation entspricht genau wie die Menopause dem oben erwähnten dritten Aspekt. Das Blut wurde aufgefangen und für rituelle Handlungen oder zur Herstellung heilender Substanzen verwendet. Aber das ist alles lange her. Wir wissen heute nur noch wenig über diese Dinge. Es ist jedoch an der Zeit, sie uns wieder zugänglich zu machen. Dabei kann Sepia helfen. Der weibliche Zyklus verläuft parallel dem Mond- und dem Jahreszeitenzyklus. Die Menstruation entspricht dem Neumond, dem Winter und in der matriarchalen Mythologie dem Abstieg der Göttin - und somit jeder Frau - in die Unterwelt, aus der sie im Frühling, bzw. bei zunehmendem Mond, reich an Wissen und gereinigt wieder zur Erde und zum Leben emporsteigt (13). Diesen Abstieg in die Unterwelt können wir heute als Kontakt zum Unbewußten deuten. Er bedeutet Auseinandersetzung mit dem Schatten.
Akzeptieren dieser magischen Schattenseite bedeutet Akzeptieren der Menstruation. Das Problem von Sepia ist, daß sie die Menstruation und Frausein im allgemeinen nicht akzeptieren kann aufgrund individueller und kollektiver Würdeverletzung im Sexualbereich.
Männer bluten nicht. Dafür kennen ihre Religionen Opferblut von Tieren und das Blut Christi in Form von Wein. Im Blutvergießen der Frau liegt etwas Unkontrollierbares, Archaisches, Geheimnisvolles. Der männliche Umgang damit zeigt die Angst vor diesem Unkontrollierbaren, wie sich am Beispiel der 9 Millionen aufgrund von Hexerei ermordeten Frauen verdeutlichen läßt. Im Malleus Maleficarum, dem Hexenhammer heißt es: »Du sollst nicht das Blut einer Hexe vergießen!« Hexen wurden ertränkt oder verbrannt, nie jedoch enthauptet oder zerstückelt, obwohl auch das gängige Hinrichtungsmethoden waren. Warum? Diesem Tabu liegt der Glaube zugrunde, daß die Macht einer Frau in ihrem Blut liegt. Es geschieht »alle Hexerei aus fleischlicher Begierde, die bei Frauen unersättlich ist.... Drei Dinge sind nicht zu sättigen, und das vierte spricht nicht: Es ist genug, das ist der Mund der Gebärmutter.« Dazu Shuttle/Redgrove in ihrem Buch »Weise Wunde Menstruation« :»Wenn nun der Muttermund das Satanische der Hexe ist, dann ist es klar, daß die den Hexen zugeschriebenen Kräfte jene sind, die seit ewigen Zeiten auf die natürlichen monatlichen Funktionen dieses Teufels, auf die menstruierende Vagina, zurückgeführt werden.« Ich möchte dieses Buch jeder und jedem empfehlen, der mehr über diese Zusammenhänge wissen will, die ich hier nicht weiter ausführen kann.
Was zeigt uns die Vergangenheit? Das Angstmachende muß so zurechtgestutzt werden, daß es nicht mehr wiederzuerkennen ist. Dies ist so gut gelungen, daß nicht nur Männer es nicht mehr wiedererkennen, sondern auch wir selbst haben den Zugang zu dem verloren, was der Kirche und den Männern solche Angst gemacht hat, nämlich dem magischen Teil unserer Weiblichkeit. Wir haben in Jahrhunderten gelernt, daß es nur Nachteile hat, eine Frau zu sein. Unsere Erfahrungen reichen vom Sati in Indien, den Hexenverbrennungen, über das Füßeeinbinden in China bis zur heute noch unter katastrophalen Bedingungen in Afrika und verschiedenen islamischen Staaten praktizierten Klitoridektomie zum Zwecke der »Reinigung«, der »kosmetischen Verschönerung« der weiblichen Geschlechtsteile und der Vorbereitung auf die Ehe. (Anmerkung: Klitoridektomie bezeichnet die Entfernung der Klitoris. In nicht zivilisierten Ländern geschieht sie als Initiationsritus bei geschlechtsreifen Mädchen ohne Narkose unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. Teilweise wird auch die Vagina zugenäht und nur zum Zwecke des Geschlechtsverkehrs und beim Kinderkriegen aufgetrennt. Heute wird sie teilweise auch schon in Krankenhäusern durchgeführt. Wenn irgendwo auf der Welt gefoltert wird, schaltet sich Amnesty International ein. Die Verstümmelung von Frauen hat religiöse Gründe und gehört zu den Traditionen, die mann nicht zerstören darf. Aus diesem Grund halten sich die Männer dort heraus.)
Was liegt näher, als so sein zu wollen, wie die, denen wir diese Nachteile zu verdanken haben. Was liegt näher, als unsere Weiblichkeit zu verleugnen oder so zu leben, wie es gesellschaftlich erwünscht ist, d.h. die dunkle archaische Seite zu negieren. Sepia verleugnet ihren Unterleib und bleibt nur im Kopf (vgl. Tintenfisch). Sie wollen keine Gefühle mehr zulassen, weil sie so oft mit Füßen getreten wurden. Unser Körper erinnert sich besser als wir selbst und rebelliert. Er läßt sich nicht verleugnen, sondern schlägt um sich. Für die Sepiapatientin mit Menstruationsbeschwerden und allen anderen Unterleibsbeschwerden ist es notwendig, wieder ein Gefühl zu ihrem Unterleib und zu ihrer Blutung zu bekommen, dem nicht mehr nur ablehnend gegenüberzustehen. Wenn die Periode nur als lästiges Übel betrachtet wird, das dafür sorgt, daß frau in dieser Zeit nicht so funktioniert, wie die Gesellschaft es fordert, verschwinden die Beschwerden nie. Wir können ihnen empfehlen, in dieser Zeit besonders sensibel für sich selbst zu sein und bewußt die Dinge wahrzunehmen, die in ihnen passieren. Was ich für ganz wichtig halte, ist das tatsächliche Fließen des Blutes. Tampons können befreiend sein, vor allem, wenn man im täglichen Leben präsent sein muß. Aber das Blut sollte auch die Möglichkeit haben, frei zu fließen, allerdings nur in einem geschützten Rahmen, da es eine besondere Empfindlichkeit mit sich bringt. Energie muß fließen und dieses Blut hat auch eine bestimmte Energie. Sie werden merken, daß es nicht ständig fließt, sondern daß es in regelmäßigen Abständen durch rhythmische Kontraktionen des Uterus herausgepreßt wird. Wenn diese unwillkürlichen Gebärmutterkontraktionen durch aktive Muskelkontraktionen unterstützt werden, kann allein das schon sehr erleichternd sein.
Sepiabeschwerden werden durch heftige Bewegung gebessert, vor allem durch Tanzen. Sepiafrauen tanzen gerne. Sie mögen Discos, in denen es nicht zu eng ist, z.B. das FAR OUT in Berlin. Gegen 23 Uhr sieht man sie am Eingang. Kurz wird gepeilt, ob der Weg frei ist, dann schreitet sie schnurstracks zur Tanzfläche. Anmacher werden mit sezierenden Blicken in die Flucht gejagt oder abgetanzt. Nach zwei Stunden selbstvergessenen Tanzens verlassen sie die Disco unauffällig, nachdem sie sich vergewissert haben, daß der Fluchtweg frei ist. Oft sind sie unter Flamencotänzerinnen zu finden, verständlich, da Flamenco ein unheimlich stolzer und machtvoller Tanz ist, der einen tänzerisch ausgedrückten Kampf darstellt. Auch orientalischer Tanz kann sehr hoheitsvoll getanzt werden und für Sepia ist er empfehlenswert, weil besonders durch diesen Tanz ein Gefühl für den eigenen Unterleib wieder hergestellt werden kann. Beides sind Tänze, bei denen Frauen lernen können, sich wieder schön zu finden. Sepia findet sich nicht mehr schön, sie lehnt ihren Körper aus den bekannten Gründen ab. Diese Ablehnung geht bis zum absichtlichen Häßlichmachen, in Säcken herumlaufen. Bei Sepia hängt alles, auch die Kleidung.
Die Haut
Sepia ist ein wichtiges Mittel bei vielen Hauterkrankungen. Sepiamenschen scheiden über die Haut Dinge aus, die sie besser anders ausscheiden sollten, nämlich Wut und Verletztheit. Außerdem sorgen die Hautsymptome dafür, daß sie noch unattraktiver werden, worin für sie ein Schutz besteht. Durch auffällige Hautkrankheiten läßt sich leicht Distanz zu anderen schaffen. Dies ist vor allem bei Pubertätsakne von Bedeutung. Sepia hilft oft bei Neurodermitis und Dyshydrosis. Vor allem letztere tritt häufig bei Hausfrauen auf, die ihre tiefe Abneigung gegen die Hausarbeit verleugnen, dabei aber immer tiefer in die Sepiapathologie rutschen. Ebenso häufig ist Sepia bei Herpes labialis angezeigt. Es ist ein Distanzherpes, der anzeigen kann, daß spätestens jetzt wieder Distanz angesagt ist. Wie bei Natrium muriaticum drückt der Herpes Ekel und Ablehnung gegen bestimmte Eindringlinge aus. Häufg tritt auch Herpes genitalis auf. Hier ist der Bezug zur Sexualität deutlich.
Traum: Der Mann der Patientin will Geschlechtsverkehr und bedrängt sie abends vor dem Einschlafen. Er versucht es mehrmals und jedesmal lehnt sie ab. Um endlich Ruhe zu haben, läßt sie es über sich ergehen. Am nächsten Morgen hat sie einen manifesten Herpes genitalis.
Die Sepia-Patientin
Ausgehend von der psychischen Problematik lassen sich zwei Sepia-Typen unterscheiden, davon jeweils eine extremere und eine abgeschwächte Form.
Da ist einmal die Frau, deren Würde am Boden zerstört ist, häufig durch erniedrigende Beziehungen zu Männern, die in ihnen nur Objekte sehen und kein Interesse an ihrer Persönlichkeit haben. Ihre Individualität wird nicht gewürdigt, genausowenig wie die Arbeit, die sie oft als Hausfrau leistet. Sie hat keinen Beruf, nur den Haushalt und die Kinder. Eigene Interessen konnte sie nicht entwickeln. Ihr Mann ist der Herr im Haus, für den sie immer zur Verfügung stehen muß. In der Sexualität geht es ihm nur um seine Lust, er geht nicht auf sie ein. Aufgrund ihrer Sozialisation hat sie gar nicht erst gelernt, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und kann sie deshalb auch nicht äußern oder ihr Recht auf eigene Sexualität einforden. Sie hat keine Sexualität und ist nur Werkzeug. So entsteht irgendwann Abneigung gegen den Mann und gegen die Sexualität. Sepia hat Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, was nicht verwundert: der Körper reagiert auf würdelosen Umgang. Außerdem hat sie Verschlimmerung aller Symptome nach Koitus. Sexualität ist für sie schmutzig und unangenehm, eben eine lästige Pflichterfüllung. Sie hat nicht gelernt, mit dem eigenen Körper umzugehen und Forderungen zu stellen. Patientinnen mit dieser Problematik sind meist um die 40 Jahre alt. Wenn sie ins Klimakterium kommen, beginnt das, was Vithoulkas Stase nennt, nämlich die Gleichgültigkeit und das Schlaffwerden der Organe, besonders der Gebärmutter, die herauszufallen scheint. Früher wurden gerade diese Patientinnen als frigide abgestempelt. Coulter nennt diese Patientinnen »Waschfrauentyp«. Sie haben ein trauriges, aufopferungsvolles Leben hinter sich, in dem sie die Funktion eines Schuhabtreters hatten.
Für diese Frauen ist es wichtig, ihre eigenen Bedürfnisse kennenzulernen, d.h. wenn sie Abneigung gegen ihren Mann und den Verkehr mit ihm haben, diese Abneigung auch zu leben und sich abzugrenzen. Dies hilft ihnen, sich selbst langsam wieder spüren zu lernen. Sie können eine ungeheure Kraft und Konsequenz entwickeln, für die in ihrer Ehe natürlich kein Platz ist. Manchmal werden sie von ihren feministischen Töchtern aktiviert. Oft beginnen sie selbst noch, sich mit Emanzipation zu beschäftigen und wollen sich selbst verwirklichen. Es kommt zur Trennung und der Mann schimpft auf die Frauenbewegung.
Bei jüngeren Frauen sieht das Bild noch nicht ganz so drastisch aus. Oft sind es die Töchter der alten Sepiafrauen. Sie wollen anders leben als ihre Mütter. Aber auch sie stecken in Lebenssituationen, die sie krank machen, ohne daß sie es merken. Sie sind nach außen hin recht selbständig und emanzipationsbewußt, tun jedoch ständig Dinge, die ihren tatsächlichen Bedürfnissen widersprechen oder sie zumindest mißachten. Auch hier geht es oft um Partnerprobleme und um Sexualität. Die Rollenverteilung ist nicht mehr so extrem wie früher, aber auch diese Frau hat Probleme mit ihrem Freund. Sie fühlt sich nicht genügend ernstgenommen. Oft hat sie Abgrenzungsprobleme, die sich besonders wieder im Bereich der gemeinsamen Sexualität zeigen. Sie schläft mit ihm, obwohl sie eigentlich keine Lust hat. Sie schläft mit ihm, um Zärtlichkeit und Nähe zu bekommen. Wenn jemand aus diesen Motivationen heraus mit PartnerInnen schläft, entsteht Sepiapathologie. Der Eros verschwindet. Sepia entwickelt Abneigung gegen Sex und Beschwerden dadurch. Nach dem Koitus wird sie depressiv. Sie ist tief verletzt, aber zeigt ihre Verletztheit und ihre Bedürfnisse nicht. Ihr Freund ist nicht mehr der Pascha von einst, sondern eher der jungsche Diplomsofti, bei dem der Chauvinismus nicht mehr offen rüberkommt. Aber auch sein Interesse gilt hauptsächlich sich selbst. Für die Sepiafrau gilt wieder das eben Gesagte. Sie muß lernen, sich zu spüren und überall dort abzugrenzen, wo sie sich Verletzung aussetzen könnte.
Der dritte Sepiatyp läßt sich folgendermaßen beschreiben. Im Leben dieser Frau spielen Gleichberechtigung und Emanzipation eine große Rolle. Da ist einmal die radikale Feministin, für die alle Männer Schwanzträger sind und die nur noch mit Frauen zusammen ist. Sie trägt herbe, fast schon männliche Gesichtszüge und sehr kurze Haare. Auf ihre Kleidung legt sie oft nur sehr geringen Wert, vor allem, um sich vom Bild des hübschen, adretten und anschmiegsamen, auf Stöckelschuhen dahertrippelnden Weibchens zu unterscheiden. Sie hat gelernt, daß es eigentlich nur Nachteile mit sich bringt, eine Frau zu sein und lehnt demzufolge ihre Weiblichkeit ab. Sie ist hart und kämpft an allen Ecken und Enden für die Rechte der Frauen, für eine Entpatriarchalisierung auf allen Ebenen; von der Sprache bis zur Gesellschaftsordnung, gegen die Kirche, für die Göttin und für die Rehabilitierung der Hexen. Ihre Forderungen sind hart und radikal: »Feuer und Flamme fürs Patriarchat!«, »Frauen, bildet Banden!«, »Frauenpower«. Sie kennt die Geschichte der Frau und leidet, manchmal stellvertretend für ihre eigenen Wunden, unter der Vergangenheit des Kollektivs. Vielleicht hatte sie früher mit Männern ähnliche Probleme wie die beiden anderen Frauen, aber sie hat bewußte Konsequenzen gezogen und eine andere Lebensform gewählt. Sie ist ungeheuer dominant, hart und klar. Auch sie hat Abneigung gegen Männer und gegen den Sex mit ihnen, allerdings steht sie dazu, mehr noch, sie hält ein Leben nur mit Frauen für das einzig Wahre. Besonders an diesem Punkt ist sie oft sehr intolerant, auch gegenüber anderen Frauen. Sie hat oft kein Verständnis für die Frauen, die gerne mit Männern zusammenleben, eine erfüllte Sexualität mit ihnen haben und sogar Kinder von und mit ihnen haben wollen. Pulsatilla ist ihr ein Greuel. Wenn sie Kinder haben will, lehnt sie den Mann dazu ab. Sie ist aus Prinzip alleinerziehend. Ihr Bauch gehört ihr, und natürlich kämpft sie für das Recht, ungefragt abtreiben zu können.
Was unsere Gesellschaft und das Verhältnis der Frau zum Mann in Vergangenheit und Gegenwart angeht, haben diese Frauen viel durchschaut. Wir haben ihnen viel zu verdanken. Sie leiden darunter, und gleichzeitig entfesselt es in ihnen eine ungeheure Wut darüber, daß sie, die sie die patriarchalen Spielregeln durchbrochen haben und keine feminisierten Püppchen dem Manne zu Gefallen mehr sind, eine Minderheit darstellen und Frauen ständig überall weiter entwürdigt, vergewaltigt und auf alle erdenklichen Arten gedemütigt werden. Ihre Intention ist der immerwährende Kampf und der immerwährende Vorwurf. Was die Vergangenheit angeht, sehen sie sich nur als Opfer. Ihnen fehlt der Blick für den Gesamtzusammenhang. So haben sie sich zurückgezogen in Frauengruppen, Frauenbuchhandlungen, Frauenprojekte, Frauenpower. Aktive Auseinandersetzung mit Männern lehnen sie ab. Doch um Männer und die gesellschaftlichen Rollenvorgaben zu ändern, müßten sie einige Männer an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. In ihrer Abgeschlossenheit erscheinen sie oft sehr starr und verbissen. Um sich selbst als Frauen in einer Bewegung erstmal zu definieren, war es absolut notwendig, sich zunächst abzukapseln und ohne Männer neue Wege zu suchen und Dinge aufzuarbeiten. Diese Zeit geht ihrem Ende zu. Genau wie Sepia lernt, mit ihrer Betroffenheit umzugehen und sich auseinanderzusetzen, wird die Frauenbewegung sich auch öffnen müssen.
Wenn eine Sepiafrau von diesem Kaliber in die Praxis kommt und mann ein falsches Wort sagt, geht sie. Ohne ein Wort. Sie diskutiert nicht mehr und gibt keine Chance. Es ist ziemlich leicht, ein falsches Wort zu sagen. Beim geringsten Anschein für eine nach sepischen Gesichtspunkten unlautere Haltung gegenüber der Frau im allgemeinen und der Frauenbewegung und der damit verbundenen Sepia-Thematik im besonderen macht sie nur noch dicht, vielleicht verspritzt sie ein wenig Tinte, indem sie einige vernichtende Bemerkungen macht. Jedenfalls ist sie weg und war damit eine Patientin. Wenn sie bleibt, ist es wieder häufig der Unterleib, der ihr zu schaffen macht. Im Laufe der Behandlung tauchen oft frühkindliche Erlebnisse von sexuellem Mißbrauch, meist durch leibliche oder Stiefväter, auf. Auf dem Weg zur eigenen Würde liegt ein wichtiger Bewußtseinsschritt im Erkennen des eigenen würdelosen Umgangs mit sich selbst, im Erkennen von entwürdigenden Situationen, denen sie sich selbst aussetzt. Das Leugnen von Gefühlen und Verletzlichkeit hatte eine Verhärtung zur Folge, die sich erst löst, wenn sie der eigenen Trauer und Verletztheit den gebührenden Raum einräumt. Wichtig ist, mit der eigenen Betroffenheit umzugehen und andere daran teilhaben zu lassen.
Es gibt eine Variante dieser Sepiaerscheinung, die in allem nicht so radikal ist. Ihre Problematik ist dieselbe, aber sie ist kommunikationsbereiter und vor allem kompromißbereiter. Dabei kann sie große Ähnlichkeit mit dem ersten Sepiatyp haben.
Es gibt ein letztes Erscheinungsbild, das bisher kaum beschrieben wurde. Sein Name könnte »Jenseits des Zorns « sein. Diese Frauen befinden sich im sog. besten Alter, also zwischen 30 und 45. Sie gehören nicht zur feministischen Szene und sind sehr erfolgreich im Beruf. Oft finden sich Managerinnen und andere Führungskräfte darunter. Meistens sind sie alleinstehend und ohne Kinder. Ihr Problem ist die Einsamkeit. Sie finden keinen Partner. Dies sei an einem Beispiel aus der Praxis verdeutlicht. Eine Frau, wie oben beschrieben, lernt immer wieder Männer kennen, die von ihr fasziniert sind und eine sexuelle Beziehung mit ihr anfangen. Wenn sie sich etwas besser kennenlernen, wird sie nach ihrem Beruf gefragt und nachdem sie erzählt hat, daß sie Generaldirektorin bei einer sehr bekannten und großen Firma ist, werden ihre Liebhaber über Nacht impotent. Dieser Frau kann der Kontakt mit Sepiaenergie helfen, sich ihrer eigenen Stärke und Größe bewußt zu werden und einfach andere Männer anzuziehen, die genug eigene Souveränität besitzen, so daß ihre Potenz unabhängig von der beruflichen Position ihrer Partnerin ist. Erlöste Aurummänner erfüllen diese Ansprüche.
Das Sepia-Kind
Auch das Sepia-Kind zeichnet sich durch eine auffallend würdevolle Erscheinung aus. Es ist ernsthaft, klar und sehr bestimmt in seinen Äußerungen und Ansprüchen. Die Augen sind auffallend ernst und groß, oft ist die Stirn in Falten gezogen. Es weiß früh, was es will und fordert das auch. Sepiakinder sind absolut unbestechlich. Auf Versprechungen von Belohnungen reagieren sie mit Verachtung. Sie versuchen grundsätzlich, ihren Willen durchzusetzen und meistens gelingt ihnen das auch. Hier wird schon früh die auch bei der erwachsenen Frau vorhandene Dominanz deutlich. Sepia-Mädchen haben einen starken Bezug zum Vater. Wenn er schwach ist, hat er ihnen gegenüber keine Chance, soweit es um Autorität geht. Sie bestimmen, ohne dabei jedoch zerstörerisch zu sein wie das Tuberculinum-Kind oder schelmisch wie das Phosphor-Kind. Andererseits beschützen sie ihn, d.h. sie bringen viel Verständnis für ihn auf und verteidigen ihn gegenüber der Mutter, wenn es zu Streitereien kommt. Wenn die Beziehung der Eltern konfliktreich ist, sind sie sehr parteiisch und ergreifen meistens die Partei des Vaters. Wenn sie älter werden, fangen sie fast immer an, ihren Vater aufgrund seiner Schwäche zu verachten. Besonders wenn er auf lycopodische Art mit seinen Schwächen umgeht, kommt es zu ernsthaften Konflikten. Sepia durchschaut Lycopodium schon als Kind und zerpflückt es mit schneidender Klarheit. Spätestens jetzt ergreift das Sepiamädchen eindeutig Partei für die Mutter, die oft auch sehr viel mit dieser Problematik zu tun hat. Sepia hat Verlangen nach einem starken Vater, der sie sich entwickeln läßt und sie liebt. Er muß jedoch stark genug sein, seine inzestuösen Gedanken zu sublimieren.
Sepiamädchen lieben große Pferde, und oft träumen sie davon zu reiten. Zu ihren Lieblingsfiguren gehört Pippi Langstrumpf. Oft zeigen sie schon sehr früh Interesse an Selbstverteidigung. Sie ziehen sich gerne bunt an und tanzen gerne.
Der Sepiamann
Männer werden selten konstitutionell mit Sepia behandelt. Das liegt sicher nicht daran, daß Männer keine Probleme mit der eigenen Würde haben, sondern hat wohl eher damit zu tun, daß es nicht zum klassischen Männerbild gehört, Probleme mit der eigenen Würde zu haben. So sind es auch eher Männer, die nicht diesem klassischen Männerbild entsprechen, denen Sepia helfen kann; z. B. Hausmänner, die darunter leiden, daß ihre Arbeit nicht gewürdigt wird. Oft sind es eher weiche, sensible Männer, die sich nicht richtig abgrenzen können. Auch hier kann das Thema sexueller Mißbrauch eine große Rolle spielen. Bei Männern, die Vergewaltigungen erlebt haben, was entgegen der allgemeinen Vorstellung nicht nur im Gefängnis vorkommt oder bei Männern, die als kleine Jungen von ihren Müttern sexuell mißbraucht wurden, ist mit großer Wahrscheinlichkeit Sepia angesagt, ebenso bei verletzenden sexuellen Erfahrungen mit Frauen. Es sind Männer, die aus diesen Gründen im Extremfall keine sexuellen Beziehungen mehr eingehen und körperliche Nähe zu Frauen nicht zulassen. Sie wollen nicht angefaßt werden, auch freundschaftliche Umarmungen sind ihnen zuviel.
Oft sind sie sehr gepflegt und auch eitel. Dabei sind sie sensibel und verständnisvoll und haben viele gute Freundinnen, zu denen sie rein platonische Beziehungen unterhalten. Vor allem im Äußeren widersprechen sie dem weiblichen Sepiabild völlig. Männer, denen Sepia helfen kann, betrachten sich häufig als Opfer weiblicher Heimtücke und lehnen jede Eigenverantwortung ab. Wenn Frauen Männern ähnlich werden, sich ihnen jedoch sexuell entziehen, ist es bei Männern genauso. Sie nehmen einige weibliche Eigenschaften an und suchen Kontakt zu Frauen, klammern aber jegliche Sexualität aus. Keine kriegt Erotik von ihnen. Der Grund ist Angst vor weiterer Verletzung. Jeglicher Art von Körperlichkeit gehen sie aus dem Weg, weil die Grenze zwischen Erotik und Freundschaftlichkeit so schwer zu ziehen ist.
Sepia und die klassische Homöopathie
Frauen und Homöopathie ist ein großes Sepiathema. Genauso wie alles andere war und ist auch vieles in der Homöopathie frauenfeindlich. Außerdem gibt es nur Väter und Söhne der Homöopathie. Töchter waren nicht zugelassen. Selbst Melany D`Herveilly, die 2. Frau Hahnemanns, von der er selbst gesagt hat, daß sie seine beste Schülerin sei, wurde von seinen direkten männlichen Nachfolgern geächtet und bekämpft. Sie starb in Armut und Einsamkeit. Auf Melanies Würde wurde nach dem Tode Hahnemanns heftigst herumgetrampelt, kein Wunder, sie war ja nur seine Frau und maßte sich auch noch an, Homöopathie zu betreiben. Wenn man die traditionelle Frauenverachtung weiterverfolgt, wundert es nicht, wenn Dorcsi Melanie in einem Buch von 1986 als »hübsch, oberflächlich (und) exzentrisch« beschreibt (14). Auch wenn er sie zwei Sätze später als Hahnemanns gelehrige Schülerin bezeichnet, muß man sich fragen, wie eine Frau, die sich durch die von Dorcsi genannten Eigenschaften auszeichnet, einem Mann wie Hahnemann, den ja sicher auch Dorcsi verehrt, soviel bedeuten konnte.
Patriarchales Denken schlägt sich natürlich nicht nur in der Geschichte der Homöopathie nieder, sondern auch im Repertorium und in den Arzneimittellehren. Ich werde deshalb ein sepisches Beispiel bringen. Das Symptom »hat kein Interesse mehr an ihren nächsten Pflichten im Haushalt« (Mezger) ist sicher jeder/m bekannt. Auffällig ist der Ausdruck »Pflichten«. Wer hat festgelegt, welches die Pflichten der Frau sind? Es ist der blanke Hohn, wenn erwartet wird, daß frau auch noch Freude daran hat; fehlt ihr die Freude an der ihr auferlegten Pflichterfüllung, dann ist das pathologisch und frau muß behandelt werden. Auch hier ist wieder das alte Verhaltensmuster zu erkennen: Frauen, die nicht normal sind, d.h. die nicht in die Norm passen, sind krank, besonders da, wo es um das gesellschaftlich geprägte Bild von Mann und Frau geht.
Der Archetyp von Sepia
Der Archetyp von Sepia ist die Königin. Sepiafrauen machen Angst und strahlen Stolz und Würde aus. Man nimmt ihnen gegenüber von selbst eine ergebene, manchmal schon unterwürfige Haltung ein. Sie strahlen Distanz aus, die man zu wahren hat. Bei der kleinsten Distanzüberschreitung stehen sie auf und gehen oder verspritzen Tinte, oft ohne, daß der andere weiß, warum.
Die Farbe von Sepia ist das lila der Frauenbewegung. Lila setzt sich aus rot und blau zusammen. Rot steht für Eros und blau für Weisheit.
Ein Buch, das einer/m bei der Beschäftigung mit Sepia begegnet, ist »Die Nebel von Avalon« von Marion Zimmer Bradley. Das Buch behandelt die Artussage und die historischen Zusammenhänge aus feministischer Sicht. Es geht um den Umschwung vom Matriarchat zum Patriarchat, um Hohepriesterinnen der Göttin und um den neuen Vatergott und seine männlichen Stellvertreter. Bei der Beschäftigung mit der kollektiven Sepiaproblematik stößt man unweigerlich auf diese Themen. Und wer nach den großen Sepiafrauen in der Geschichte der Frau forscht, stößt mit erschütternder Sicherheit auf die Geschichte der Entwürdigung der Frau.
Die kretische Doppelaxt ist das Symbol des radikalen Feminismus. Sie symbolisiert den Mond in seinen drei Stadien und damit die drei Aspekte der Göttin. Die Doppelaxt ist das Zeichen der höchsten Würdenträgerin im minoischen Kreta. Heute steht sie für kraftvolles und radikales Aufbrechen alter Strukturen, aber auch für Zorn und Rache (15).
Mit Lachesis gehört Sepia zu den Mitteln, die bei unbewältigten Erinnerungen aus früheren Leben angesagt sind, meistens geht es dabei um Hexenverbrennung. Differentialdiagnostisch geht es bei Lachesis um Unterdrückung, während Sepia heute noch unter der Entwürdigung leidet, die vorher stattgefunden hat.
Sepiafrauen haben in diesem Zeitalter die Aufgabe, den Kontakt »hinter den Nebeln« wieder herzustellen, d. h. die Macht der Göttin wieder aufzurichten und die untergehende Männerwelt zu retten, d. h. aber auch, den Kontakt zur alten Welt in uns zu suchen und in die Unterwelt hinabzusteigen. Das kann nur geschehen, wenn Eros und Religion wieder vereint werden, im bedingungslosen JA zum Leben und zur Weiblichkeit! Frauen, die diese Aufgabe angehen können, sind die, die nicht mehr einseitig hassen können und die destruktive Rivalität zum Mann überwunden und begriffen haben, wie Männer zu Opfern ihrer selbst geworden sind, indem sie sich in den letzten 6000 Jahren der Führung der Frau entzogen und die Dinge verdreht haben.
Ein Mann für Sepia oder die Suche nach dem König
Oft haben Sepia-Frauen Beziehungen mit Frauen. Falls sie Beziehungen zu Männern haben, ist es für sie nicht ganz einfach, den »richtigen Mann« zu finden. Wenn der Mann zu schwach ist, macht sie ihn alle. Ist er ein lycopodischer Diplomsofti, der auf der Emanzipationswelle mitreitet und lila Latzhosen trägt, um sich so ihre Gunst zu erwerben, läßt sie ihn links liegen. Ist sie noch unerlöst, hat sie oft Lycopodiummänner, die nicht würdevoll mit ihr umgehen, sondern sie in allen Bereichen kleinzuhalten versuchen, in Partnerschaft und Rollenverteilung und vor allem in der Sexualität. Dem Lycopodiummann ist die Sepiafrau am liebsten, die noch nie Sepia genommen hat. In dieser Beziehung zwischen krankem Sepia und krankem Lycopodium kommt der uralte Konflikt zwischen Mann und Frau zum Ausdruck, der die Unterdrückung der Frau und den heutigen Zustand der Erde zur Folge hatte.
Der Mann, mit dem eine erlöste Sepiafrau eine erfüllte Beziehung haben kann, muß anders beschaffen sein. Kommentar einer Patientin: »Männer müssen nach Eseln riechen!« Eine andere Patientin, die lange mit Frauen zusammen war, lernte nach längerer Sepiatherapie einen Tangotänzer kennen und lieben. Auf die Frage, wie ausgerechnet sie denn zu einem derart »männlichen« Mann käme, antwortete sie: »Der ist einfach klar!«
Er muß fast schon ein Held sein, ein Mann, der soviel eigene Würde und Stärke besitzt, daß er es gar nicht nötig hat, eine Frau kleinzuhalten, ihre Spiritualität, Sexualität und Freiheit zu beschneiden. Er tut es deshalb nicht, weil er ihre Kraft schätzt und sie nicht fürchtet. Ein Mann für Sepia muß eben ein König sein, ein König für die Königin.
Die Erlösung von Sepia
Die Sepiafrau muß ihre Würde wiederfinden. Dazu muß sie erstmal erkennen, daß sie ein Recht auf Würde hat und daß ihre eigene Würde am Boden zerstört ist. Oft fehlt das Bewußsein für die eigene Würde, es ist zerstört und muß erst wieder aufgebaut werden. Dann ist es wichtig zu erkennen, daß der würdevolle Umgang mit sich selbst die Bedingung dafür ist, daß andere mit der eigenen Person würdevoll umgehen. Der nächste Schritt besteht im Erkennen, daß der andere die eigene Würde nur verletzen kann, wenn man es zuläßt. Nur wenn man selbst seine Würde bewahrt und sich nicht selbst entwürdigt, ist man auch vor der Entwürdigung durch andere geschützt. Dann kann sie auch verstehen, daß sie für ihre Würde nicht mehr kämpfen muß. Sie hat sie einfach.
Für die Sepiafeministin ist es wichtig, keinen Stellvertreterkrieg mehr zu führen, sondern ihre eigene Problematik aufzuarbeiten, stellvertretend für die des Kollektivs. Außerdem liegt für sie ein wichtiger Schritt im Erkennen, daß weibliche Befreiung mehr ist als Gleichberechtigung, und daß es nicht damit getan ist, so zu werden wie »die« Männer.
Ein Opfer wird zum Täter gegen sich selbst, wenn es seine Betroffenheit nicht zeigt. In diesem Satz liegt der erste Heilungsschritt für die Sepiapatientin. Sie muß lernen, ihre Verletzung zuzugeben, ohne zu versuchen, auf derselben Ebene zurückzukontern und sich dann mit der eigenen Verletztheit zurückzuziehen, was nur zu neuer Verletzung führt. Auf dieser Ebene stehenzubleiben heißt, sich als ewiges Opfer zu deklarieren und die Schuld bei den körperlichen und seelischen Vergewaltigern zu suchen.
Auf der zwischenmenschlichen Ebene besteht die Aufgabe darin, die Nähe und Distanz zu finden, in der man sich wohlfühlt, die man selbst bestimmt. Bei Sepia ist dieses Verhältnis sehr sensibel. Die kleinste Distanzüberschreitung kann böse Folgen haben. Voraussetzung dazu ist jedoch die eigene Wahrnehmung: erkennen, daß man im Begriff ist, etwas zu tun, das man eigentlich nicht tun will. Tut man es trotzdem, entsteht durch die Mißachtung der eigenen Gefühle neue Würdeverletzung.
Mein Heiltraum:
Nach Sepia XM träumte ich folgendes:
Ich werde morgens wach, und ein Kind liegt weinend in meinem Arm. Ich tröste es. Es ist mein Kind, aber gleichzeitig ein Mann, nämlich Andreas, dessen Tochter vor ein paar Tagen beerdigt wurde und der um sie trauert. Ich bin seine Mutter.
Für mich bedeutete dieser Traum das Ende einer Feindschaft. Aufgrund meines liebevollen Gefühls in diesem Traum konnte ich Andreas keine absichtliche Frauenfeindlichkeit mehr unterstellen. Außerdem habe ich Kontakt zu einem anderen Aspekt meiner Weiblichkeit bekommen, nämlich der Weiblichkeit jenseits von Zorn und Rache.
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