Eigentlich hatte ich mich auf ein Leben der friedlichen Koexistenz mit den Ameisen eingestellt, die uns in unserem Wintergarten besuchen kamen. Zuerst ging es ja auch wirklich gut, höchstens ein oder zwei von ihnen fanden wir morgens am Frühstückstisch, wie aus einer Ahnung heraus mich jedoch an die bärtigen Waldgänger und Vorhuten des Siedler–Spiels erinnernd. Ich hab ihnen nichts getan, ihnen sogar noch unter tadelnden Worten meines Intimpartners Zuckerkrümel zur Atzung gereicht, wohlwollend amüsiert, wenn die Kerlchen (es war eine ziemlich kleine Spezies) am versuchten Abtransport verzweifelten und sich dem Glukoseberg dann zutzelnd näherten. Wobei ich nicht weiß, ob die Nahrungsaufnahme von Ameisen mit zutzeln richtig umschrieben ist. Aber aus zweien wurden vier, dann acht, und irgendwann hatte ihr Wachstum die Potenzschritte verlassen und ich fand sie in exponentieller Fülle in unseren türkischen Süßigkeiten, die ich am Vorabend auf dem Tisch hinterlassen hatte. Nun war mein Widerstand gegen den Genozid gebrochen, Lebendfallen, wie sie noch vor einigen Jahren bei Mäusebesuch zur Anwendung kamen, wurden schnell als pseudobuddhistisches Geschwafel verworfen, das vor dem drohenden Ansturm eines Ameisenheeres sträfliche Dummheit gewesen wäre. Vor einigen Minuten habe ich es getan: 5 Liter eines als hochwirksam gepriesenen Ameisengiftes habe ich über die Steine der Terasse gegossen, eben in jene Ritzen, die ich noch vor wenigen Tagen in träger Hingelümmeltheit mit all ihrem emsigen (=ameisenhaften) Verkehr beobachtet habe. Ich komme mir vor wie ein Massenmörder und schreibe dies noch im Schauder meines Selbstekels befangen. Ich hoffe, es ist ist wenigstens eine Art hochdosiertes Schlafmittel, auf daß sie sanft herüberbarscheln.
|