Zu den Sekundärtugenden gehören Charaktereigenschaften, die zum Gelingen der Gesellschaft beitragen, die aber den unmittelbaren Tugenden nachgeordnet werden, da sie für sich alleine ethisch keine Bedeutung haben, solange sie nicht als Umsetzung dieser Primärtugenden gemeint sind.
Zu den Sekundärtugenden zählen insbesondere Sauberkeit, Fleiß, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungssinn, Höflichkeit, oder Treue und Gehorsam. Anders als bei den Kardinaltugenden ist es von der jeweiligen Gesellschaft abhängig, was als eine Sekundärtugend angesehen wird. Pflicht- und Ordnungssinn sowie Gewissenhaftigkeit wurden etwa als typisch deutsche Sekundärtugenden angesehen.
Kritik und Gegenkritik [Bearbeiten]Kritiker verwandten den Begriff nach 1968 (Studentenbewegung) zunehmend verächtlich. Sie verwiesen darauf, dass das Hochhalten dieser Tugenden im Nationalsozialismus die Nationalsozialisten nicht an unmenschlichen Verbrechen gehindert habe. Stattdessen wurden Postmaterialistische Werte wie Menschlichkeit, Kreativität und Selbstverwirklichung betont. Berühmt ist eine Äußerung Oskar Lafontaines, der auf eine Sekundärtugenden lobende Äußerung Helmut Schmidts in einem Interview mit dem Stern vom 15. Juli 1982 sagte: »Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben.«
Verteidiger eines harmonischen Tugendkomplexes und damit Gegner der 68er Tugendkritik argumentieren unter anderem mit folgendem Satz: „Alle hat, wer eine hat und keine beleidigt, und keine hat und alle beleidigt, wer eine beleidigt.“ Damit wollen sie ausdrücken, dass die Tugenden alle zusammen hingen. Wer beispielsweise Gerechtigkeit ohne Taktgefühl und Ordnung lebe, könne im wahren, tugendhaften Sinn nicht gerecht sein, da Gerechtigkeit stets darin bestehe, jedem das seine zukommen zu lassen, was ohne geordnete Scheidung von Gleich und Ungleich nicht möglich sei.
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