Bevor sich dieser 40-jährige Junge nach Art der Greise erhängen wird, wäscht er noch mal Wäsche, das Waschmittel muss wie immer »Sunil« sein (»Top Sauberkeit, rechnen Sie mit dem Besten«), auch seine Mutter hat nur »Sunil« an ihre Wäsche gelassen, und während die Waschmaschine läuft, bestellt er sich eine Pizza (mit Salami, Spinat und Bratkartoffeln), dazu drei Dosen Bier (»Warsteiner«, er mag dieses Tantenbier eigentlich nicht, aber der Pizzadienst führt keine andere Sorte), er muss auch noch ein Geschenk einpacken, die Freundin seines Bruders hat morgen Geburtstag, sie kriegt eine Flasche Parfüm (von Lagerfeld, »Sun Moon Stars«), das gleiche Parfüm benutzt auch die Geliebte, die Unvergleichliche, die Sau, die Verräterin. Es ist Sonntagabend, der 24. Mai 1998, im Fernsehen läuft der Kriegsfilm »Platoon«, draußen, im Hamburger Arbeiterviertel Barmbek, endet gerade ein Straßenfest, er hat dort vorhin zwei Würstchen mit Mutter gegessen und sie angeraunzt, obwohl oder weil sie sich bei ihm einhakte und ihn trösten wollte, er ist mit Mutter noch in ihre Wohnung gegangen und hat dort zwei Flaschen Bier getrunken (»Jever Pilsener«, von Mutter immer für ihn im Kühlschrank gelagert), sie sprachen über Eva – »die blonde Hexe«, sagte Mutter, die blonde Hexe war doch überhaupt nie gut für ihn, die blonde Hexe hat ihn durch Sex verhext und so krank gemacht, jetzt ist sie wieder nach Aachen zu ihrem »Bessergestellten« zurückgekrochen, sagte Mutter.
Uwe Kopf: »Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe« (2017)
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