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Karl schrieb am 19.5. 2001 um 21:28:43 Uhr über

Schuld

Schuldgefühle werden wie Schamgefühle auf interne Ursachen attribuiert, aber im Gegensatz zu letzteren
betreffen sie nicht globale, sondern spezifische Merkmale der Person. Schuldgefühle resultieren aus
wahrgenommenem eigenen Vergehen und beziehen sich typischerweise auf Verhalten bzw. auf
unterlassenes Verhalten. Schuldig fühlen sich Menschen, wenn sie eine Regel oder Norm verletzt haben.
Im nonverbalen Ausdruck vermischen sich Zeichen von Kummer, Sorge, Angst und Unterwerfung. Damit
signalisieren Schuldgefühle auch die Unterordnung unter die Regeln und Normen einer sozialen
Gemeinschaft und drücken die Absicht aus, den verursachten Schaden zu reparieren. Schuldgefühle
motivieren zur Wiedergutmachung eines selbstattribuierten Vergehens und zur Wiederherstellung einer
als gefährdet erlebten Beziehung . Reue, Wiedergutmachung, Sühne, Buße und Strafe sind häufig im
religiösen Rahmen ritualisiert. Ein Schuldgefühl signalisiert eine tatsächliche oder vermeintliche
Verletzung und Vernachlässigung der Rechte und Bedürfnisse des anderen, des sozialen Objektes.
Intrapsychisch betrachtet bedeutet dies: Schuldgefühl taucht bei tatsächlicher oder vermeintlicher
Verletzung bzw. Vernachlässigung prosozialer, „Pro- ObjektTendenzen auf. Letzere stammen entweder
aus stammesgeschichtlichen, schon bei Tieren nachweisbaren „altruistischen“ Tendenzen und/oder aus
dem Über- Ich im engeren Sinne, das heißt aus der Summe der internalisierten Gebote und Verbote der
Eltern und der Gesellschaft. Diese Gebote und Verbote sind auch dort wo sie nicht (wie üblich) direkt
den Interessen des Objektes dienen, doch alsPro- Objekt“-Tendenzen zu verstehen, weil sie dem
Objekt zuliebe oder aus Angst vor dem Objekt internalisiert wurden. Dritte Möglichkeit der Entstehung oft
(hyper-) altruistischer Haltungen wäre der Weg der charakterlichen Reaktionsbildung gegen aggressive
und antisoziale Tendenzen. Auch dieser Weg kann angepaßt verlaufen, wird aber eher konflikthaft. Das
Über- Ich stellt also subjektiv den Vertreter der Ojektinteressen im Menschen dar. Jeder Verstoß, jedes
(durch Selbstbezogenheit, Egoismus, aber auch Autonomie- oder Autarkiestrebungen
motivierte)Zuwiderhandeln gegen die prosozialen Tendenzen wird durch Schuldgefühle signalisiert. Dies
zwingt zur Korrektur (der Phantasie oder der Handlung) oder zu einer Abwehr des Schuldgefühls durch
Verdrängung, Verschiebung, Umdeutung der Realität usw. Dadurch wird vielfach Schuld dem anderen
gegeben, so daß sich schließlich der Konflikt, rein pragmatisch gesehen, in dem konkreten Gegensatz
manifestiert: „ die Schuld bei sich versus die Schuld bei dem anderen zu sehen“. Dies ist alltäglich und
banal. Was analytisch interessiert, ist die unrealistische Entweder- Oder- bzw. einseitige Fixierung und
Festlegung im Sinne einer konstanten Tendenz zur Schuldabweisung oder umgekehrt zu unterwürfiger
und konstanter Schuldannahme. Im Gegensatz zum Schuldgefühl steht der Selbstwertkonflikt- die
Überschneidung von Über- Ich und Ich- Ideal.


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