Rolf Dieter Brinkmann
(1940 - 1975)
Ein gewöhnliches Lied
"Ich schlag euch nieder,
ich weiß nicht, ob aus Wut,
dann kommen die Lieder
besonders gut,"
brüllte er in das Dunkel, wo die
Gesichter waren, die er nicht kannte, nie
hatte er sie gesehen,
alles zu viel.
In der darauf folgenden Stille
gabs nur das Atmen.
Die Instrumente warteten, berührt zu werden.
Aber es geschah nichts.
Sie warteten und hörten, was geschehen würde.
»Ja, ja,« sang er und atmete.
Er flüsterte, laut, tanzte.
Sie schauten ihm bei dieser Arbeit zu,
von den bezahlten Sitzen aus, stumm, eine Art
der Wiederholung, wie Menschen
Menschen anschauen,
aus dem dunklen Fetzen heraus, an.
Wenn er sie aufforderte zu singen, sangen sie,
was er gesungen hatte, noch einmal, bevor er
weiter sang: "Mein Lied
ist gewöhnlich, mein Lied ist
ein Dreck. und ihr sitzt da
und seid ganz weg. Am besten
ist, ich geh nach Haus, wenn der
Weg nicht zu lang wär.
Also gebt mir das Geld, ich muß den
Flug bezahlen, das Hotel,
und die Band."
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