Der Mann am Ende der Warteschlange auf dem Postamt hatte spärliche Haare, die in fettigen Strähnen streng nach hinten gekämmt waren. Abgeschabte Anzugshosen, die an den Knien glänzten, und Schuhe mit abgestoßenen Spitzen sowie ein dezenter Alkoholgeruch nachmittags um 15 Uhr deuteten darauf hin, dass er kein Geld hatte. Im Westfälischen wird ein solcher Mensch ein »Lodderkopp« genannt. Gleiches strahlte K durch seine aus dem Leim gehenden Turnschuhe, das unrasierte Kinn und die Art aus, wie er sich ungeniert mit der rechten Hand am Bauch kratzte, während die linke Hand eine Plastiktüte mit der Aufschrift »LIDL« trug. K´s Frage, ob er an der Schlange anstehe, beantwortete der andere grinsend dahingehend, dass er noch darüber nachdenke. Nachdem K ihm versichert hatte, dass er ebenfalls keinerlei Eile habe und den anderen jederzeit vorlassen werde, wenn dieser sich entsprechend entschließen sollte, plauderten die beiden fachmännisch über Warteschlangen. Einig waren sie sich darin, dass sich die prächtigsten Exemplare davon stets auf Postämtern finden lassen, und beide waren gleichermaßen beeindruckt von der langen Reihe der Wartenden in der Postfiliale am Mannheimer Paradeplatz, die nur noch durch diejenige übertroffen wird, die bei der KFZ-Zulassungsstelle anzutreffen ist.
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