Friedensnobelpreis 2003 für die Iranerin SchirinEbadi
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Politiker aus aller Welt begrüßten die Entscheidung des Osloer Komitees, den Friedensnobelpreis an die iranische Menschenrechtlerin SchirinEbadi zu vergeben.
Doch die staatlichen Medien im Iran berichteten nur zögerlich, die Ajatollahs in Teheran schweigen.
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Oslo/Teheran - UNO-Generalsekretär KofiAnnan bezeichnete die Zuerkennung des Preises an SchirinEbadi als wichtiges Signal. SchirinEbadi sei eine »mutige Frau«. Die Ehrung für sie werde hoffentlich mehr Frauen ermutigen, öffentlich ihre Rechte einzufordern, sagte Annan in New York.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister JoschkaFischer (Bündnis90DieGrünen) sandten Glückwunschtelegramme an Ebadi. Schröder würdigte ihr »Engagement für ein tolerantes Zusammenleben und für das Verständnis anderer Kulturen«. Dies sei ein wichtiger Beitrag für eine friedliche Entwicklung unserer Welt, schrieb Schröder. Fischer nannte die Juristin eine »engagierte Streiterin für die Menschenrechte in Iran«. Sie habe sich nicht nur für die Rechte von Kindern und Frauen, sondern auch unerschrocken für Meinungsfreiheit und Toleranz in Iran eingesetzt.
Ganz anders wurde die Osloer Entscheidung in Iran aufgenommen. Die staatlichen Medien des Landes berichteten am Freitag nur zögernd darüber. Der staatliche Rundfunk verbreitete die Nachricht mehr als drei Stunden nach der Bekanntgabe in Oslo als letzte Meldung seiner Nachrichtensendung. Die amtliche Nachrichtenagentur Irna veröffentlichte eine kurze Meldung unter Berufung auf »internationale Nachrichtensendungen«. Regierungssprecher Abdollah Ramesansadeh sagte auf Anfrage, es gebe dazu keine offizielle Stellungnahme.
SchirinEbadi war von der Zuerkennung des Preises völlig überrascht. »Als Oslo angerufen hat, war es ein Schock«, sagte sie auf einer in Paris angesetzten Pressekonferenz in der Zentrale der Internationalen Vereinigung für Menschenrechte. »Und dann war ich sehr glücklich und froh.«
Sie betrachte den Friedensnobelpreis nicht nur als persönliche Bestätigung, sondern als Anerkennung »für alle Menschen, die für Menschenrechte und Demokratie in Iran arbeiten«.
Die 56-jährige Juristin habe bei ihrem Einsatz nicht auf eine Bedrohung ihrer eigenen Person Rücksicht genommen, hieß es in der Begründung des Nobelkomitees. Ebadi habe »in einer Zeit der Gewalt stets die Gewaltfreiheit unterstützt«, erklärte das Gremium. Als bewusst lebende Muslimin sehe sie keinen Konflikt zwischen dem Islam und der Achtung der Menschenrechte. Wichtig sei ihr stets der Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen.
Als Rechtsanwältin, Richterin, Autorin und Aktivistin habe Ebadi in ihrer Heimat eine klare und deutliche Sprache gefunden, die weit über die Grenzen des Landes hinaus Wirkung entfaltet habe. Ebadi sei »eine Frau, die Teil der muslimischen Welt ist und auf die diese Welt stolz sein kann - zusammen mit allen, die für die Menschenrechte eintreten, wo immer sie auch leben.«
In einer ersten Reaktion auf die Entscheidung hatte Ebadi gesagt: »Ich bin Muslimin, man kann also Muslim sein und die Demokratie unterstützen.«
Die Entscheidung sei für die Menschenrechte im Iran, vor allem für die der Kinder, von großer Bedeutung. »Ich hoffe, dass ich nützlich sein kann«, sagte Ebadi.
Der Preis ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Er wird am 10. Dezember, am Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Oslo feierlich übergeben.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, sprach von einer »wunderbaren Entscheidung« des Komitees. Mit der Menschenrechtlerin werde eine Frau ausgezeichnet, die ein »Symbol für Rechtstaatlichkeit und Gewaltlosigkeit« sei, sagte die Grünen-Politikerin
Ebadi habe sich jahrelang für die Rechte der Kinder eingesetzt und immer wieder Lücken in der iranischen Gesetzgebung verdeutlicht. »ie hat schwierigste politische Fälle mit Mut übernommen«, sagte Roth. SchirinEbadi leiste eine »klare und kompromisslose Arbeit für die Unteilbarkeit der Menschenrechte«.
Als Favoriten hatten Papst Johannes Paul II. und der frühere tschechische Präsident Vaclav Havel gegolten. Havel sprach von einer »erfreulichen Nachricht«. Ebadi habe den Nobelpreis »zweifellos verdient«, sagte der frühere Bürgerrechtler und Dramatiker. »Ich gratuliere herzlich.«
Im vergangenen Jahr war der frühere US-Präsident JimmyCarter für seine jahrzehntelangen diplomatischen Bemühungen geehrt worden. Letzter deutscher Preisträger war 1971 der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) für seine Politik der Annäherung gegenüber Osteuropa und der Regierung der DDR.
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