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Die Leiche schrieb am 20.6. 2011 um 14:36:36 Uhr über

Schömberg

Schömberg lag im Bett seines Zimmers in der Reha-Klinik. Es war Sonntagabend, kurz nach acht. Seine Familie war auf Besuch gekommen. Schömberg hatte einen Anzug anziehen müssen, sich beim unbeholfenen Binden einer Kravatte von seiner Frau helfen lassen müssen. Er hatte Entenbraten mit Thüringer Klössen in sich hineinstopfen und sich durch die Wartburg schleppen lassen - aus einem leeren Raum in den nächsten leeren Raum. Er hatte nur Rücken von Besuchern gesehen, ihren Schweiß gerochen, und dem leiernden Vortrag des Führers gelauscht: Herzöge und Landgrafen im Jahre 1482, meine Damen und Herren. Alles war vor ihm verschwommen, und beim gemütlichen Familienkaffee an einem Tümpel namens »Prinzenteich« am Ortsrand von Eisenach, unterhalb der Wartburg gelegen hatte Schömberg es nicht mehr ausgehalten, darum gebeten, in die Reha-Klinik zurückgebracht zu werden. Er sei eben noch zu schwach. Frau Schömberg reagierte zunächst mit Unwillen, der sich auf der Fahrt zur Klinik in demonstrativem schlechten Gewissen umwandelte. Sich von seiner Frau dann noch beim Ausziehen helfen lassen zu müssen, war der krönende Abschluß dieser Veranstaltung gewesen. Sogar die Schwester vom Dienst hatte Frau Schömberg aktiviert, die seinen Puls gefühlt, seinen Blutdruck gemessen hatte, während Frau Schömberg mit besorgter Miene am Fußende seines Bettes saß, sein Sohn Lars und seine Tochter Angela in ihren Sonntagskleidern gelangweilt auf dem Balkon herumlungerten. Als die Schwester sodann verkündete, daß solche kleinen Schwächeanfälle nicht ungewöhnlich seien, ein Grund zur Besorgnis jedoch nicht bestehe, Schömberg aber jetzt Ruhe bräuchte, und er sodann endlich alleine in seinem Zimmer war, hatte Schömberg den Schritten seiner Familie den Gang entlang gelauscht, dann noch eine endlose halbe Stunde lang vorsorglich gewartet - um dann aus dem Bett zu springen, und auf dem Balkon eine Zigarette zu rauchen. Er hatte große Lust gehabt, zu schreien, regelrecht zu brüllen, die sich erst langsam wieder legte. Dann hatte er wieder seine übliche kurze Hose, das ärmellose Sommerhemd und seine Sandalen angezogen, und war nach draussen regelrecht gerannt. Ziellos war er durch die Strassen der kleinen Kurstadt gelaufen um dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, zur Tankstelle zu gehen, wo er eine Büchse kaltes Bier erwarb und noch im Kassenraum austrank, in wenigen Zügen. Danach war er zur Klinik zurückgegangen, langsamer nun, beruhigt. Er hatte sich in seinem Zimmer ausgezogen, und ins Bett gelegt. Er war froh, daß der aufdringliche Geruch des Parfüms seiner Frau - von derselben hartnäckig »Duft« genannt - endlich durch die offengelassene Balkontür verzogen war.


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