Schömberg war in die Lüneburger Heide gefahren - auf den Spuren Arno Schmidts sozusagen. Er hatte Bargfeld besucht und Ahlden, und recht spät erst war er in die Felder, Wiesen und Wälder hineingefahren. Es gab jede Menge schnurgerader, gut ausgebauter Feldwege, die sich kilometerlang hinzogen - ebenso wie die Wälder, Felder und Wiesen links und rechts davon. Langsam lies Schömberg den Campingbus durch diese Landschaft rollen, bog hie und da an Kreuzungen ab, einfach seiner Nase folgend. Es begann schon zu dämmern, da sah er eine alte Einfahrt in einen hochstehenden Kiefernwald. Er blieb stehen, erkundete sie zu Fuß. Nach wenigen zwanzig Metern öffnete sich eine vom Kieferwald umstandene schier endlose Wiese, auf der das Gras hüfthoch stand. Schömberg erkor den Rand dieser Wiese zu seinem Schlafplatz, und mit einem Band Arno Schmidts über einen Überlebenden des 3. Weltkrieges, der sich genau hier (naja vielleicht nicht ganz genau hier) ein Holzhaus baute, um einsam in der Heide zu leben und zu sterben - mit diesem Band also in der Hand und der Flasche Reserva auf dem Tisch vor sich sah er zu, wie abendliche Nebel über die Wiese krochen, sich versammelten und trennten. Dann und wann knallte dumpf ein Schuß - Jagdsaison. Schömberg hatte selbst zwei Hirschrudel gesehen - Tiere von beachtlicher Größe.
Als er nach einer Nacht voller bedeutungschwangerer Träume erwachte, waren die Nebel immer noch da. Es nieselte, alles war feucht draussen. Schömberg trank Tee zum Frühstück, schon aus Verbeugung vor der norddeutschen Landschaft, räumte den Campingbus gemächlich auf, und nach einem letzten Blick auf das hüfthohe, schier endlose Gras, daß sich nach wenigen dreissig Metern im Nebel und im Niesel verlor, startete Schömberg seinen Diesel, und bewegte sich vorsichtig auf den Feldweg zurück. Schon an diesem Feldweg mußte er anhalten, den Gang herausnehmen und nachdenken. War er nun von links oder rechts gekommen ? Mehr gefühlsmässig entschied er sich für »links«, und fuhr endlose Wälder, Wiesen und Felder entlang durch den Niesel und den Nebel. Das Navigationsgerät war ihm keine Hilfe - die Wege waren sämtlich nicht erfasst, es zeigte vielmehr Wege an, die er angeblich kreuzen sollte, die es jedoch nicht gab. Man konnte solche Fehler beim Hersteller der Karten melden, dachte Schömberg, als er wieder einmal an einer Kreuzung stand. Links, rechts, geradeaus ? Schömberg gestand es sich ungerne ein, völlig die Orientierung verloren zu haben. Er blieb stehen, stoppte den Motor und rauchte eine Zigarette. Vielleicht würde jemand kommen ? Ein Bauer, ein Jäger ? Aber es kam niemand. Nebelige Stille herrschte ringsum. Er programmierte das Navigationsgerät auf eine naheliegende Ortschaft, und beschloß, an Kreuzungen und Gabelungen einfach dem Pfeil zu folgen, der stets auf das programmierte Ziel zeigte. Dieses Ziel war nur noch weniger als 4 km entfernt - Schömberg vermeinte gar, Fahrgeräusche von einer Landstrasse zu vernehmen - als der Weg, dem er gefolgt war, an einer Brachfläche endete. Schömberg atmete tief durch, und entschloß sich, querfeldein zu fahren. Doch er kam nicht weit. Nach etwa 100 m kam er vor einem Entwässerungsgraben zu stehen. Und tatsächlich, als er wieder mit ausgeschaltetem Motor zigarettenrauchend überlegte und sinnierte, hörte er jenseits des Grabens Autos von links nach rechts und von rechts nach links fahren. In dem Grabe floß rostbraunes Wasser, und als Schömberg zurückstoßen wollte, drehten die Räder auf dem morastigen Untergrund durch. »Scheisse - Scheisse - Scheisse!« fluchte Schömberg.
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