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upsidedown schrieb am 29.6. 2010 um 09:24:27 Uhr über

Sachbearbeiter

Als ich letztens für zwei Jahre als Sachbearbeiter arbeitete, hatte ich einen sympathischen Kunden, der sich irgendwo in den langsam mahlend Rädern öffentlicher Sachbearbeitung verfangen hatte, und nun drohte zermahlen zu werden, von diesen Zahnrädern, die wir alle in Gang setzen.

An diesen ersten Tagen war ich immer aufgebracht, engagiert und einfühlsam. Aber anfängliche, ideelle Euphorie weicht nahezu infantiler Stoik, im Menschen eine generalisierte Form erkennen zu wollen, und ihn gleich dieser Grundform durch eine Öffnung gleicher Dimension zu prügeln.

Sollte es dabei zu Schäden kommen, haben wir je nach Schaden Worte oder Auslegungen. Schlimmstenfalls, sagen wir sachlich und emotionslos, Kollateralschaden und meinen, dass uns die Opfer leid tun, nicht aber die Tat. Es musste eben sein. So wie es immer muss. Und wenn es gut ist, dann blicken wir mit einer gewissen Schadenfreude herab und meinen, »geschieht ihm recht so, er hätte da ja auch selber durch können wollen«.

Für diesen Akt hat man uns Mittel gegeben, die auf Papier geschrieben stehen. Dünnem wichtigen Papier, das man mit Ehrfurcht anfassen muss, da es sonst zerreißen würde. Und bis das Mittel auf das Papier gerät, haben so viele darüber nachgedacht, dass es ja richtig sein muss. Wozu also nachdenken.
Wir nennen sie Zwangsmittel. Und wenn wir sie nicht so nennen, dann setzen wir sie so ein. Wie die Handschelle um das Handgelenk des Täters, legen wir einen Ein-Euro-Job um das Leben des Delinquenten. Und falls uns das überhaupt leid tut, dann nur ein wenig. Wir hätten es doch so gerne anders gehabt. Aber »der«, er wollte ja nicht anders. Oder wir konnten nicht anders.

Und wenn Du Deinen Teamleiter fragst, dann sagt der augenzwinkernd zu Dir, »Du kannst ihm ja auch Deinen Job geben«, genauso wie er zu sagte, als er Dich mehr auf dem Sprung, denn gemessen laufenden Schrittes auf dem Flur antraf, gerad als Du etwas besonderes tun wolltest, um Deine Sache, die Du bearbeitest, hinter der in Wirklichkeit immer ein Mensch steckt, aus den Rädern des falschen Rades zu zerren, »[...]hier wird nicht gerannt« und Dir erklärte, es könnte ja jemand denken, hier sei etwas schief gegangen.

Ich war nicht unglücklich, als ich merkte, dass mein Zeitvertrag auslief und ich nicht zu jenen gehörte, denen eine Entfristung zu Teil wurde. Es war eher ein Weckruf. Denn beinahe hätte sie mich erwischt. Jene Blindheit, die aus der Erlahmung im inneren und äußeren Kampf gegen eine Maschine erwächst, bis man schließlich selbst ein blindes Teil, ein Rad ist.


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