Oliver (Oliverus und Oliverius) von Paderborn. Ein Anhaltspunkt für die Sicherstellung seiner Herkunft, seiner Familie, seines Vaterlandes ist bisher nicht gefunden worden. Der Name Oliver ist nicht häufig in Deutschland, er weist eigentlich nach England; dennoch können wir annehmen, daß O. von Geburt ein Deutscher, specieller ein Westfale ist. Sein Name erscheint zuerst in einer Urkunde des Patroclusstiftes in Soest von 1196 Mai 3, in der O. als Zeuge aufgeführt und Oliverus de Patherburne genannt wird. Bereits 1202 finden wir ihn in Köln als magister und scholasticus majoris ecclesiae und 1203 als major scholasticus in Urkunden bezeichnet. Als solcher gehörte er zu den Canonikern des Stiftes, und wir können hieraus wol einen Schluß auf seine adlige Abstammung machen; seine spätere Wahl zum Bischof von Paderborn spricht für die Zugehörigkeit zu einer westfälischen Adelsfamilie. Mehr läßt sich nicht sagen; die Spielerei mit dem Namen O., wie sie Schaten (Annales Paderb. I, S. 698 in der Ausg. von 1774) macht, ist ebenso zurückzuweisen, wie der Versuch des Gelenius (Vita Engelb. S. 74), aus einem Wappen Olivers Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie zu beweisen. Sicher ist, daß seine Stellung als Scholaster in Köln eine über das Gewöhnliche hinausgehende Begabung und Fülle erworbener Kenntnisse voraussetzt. Sein Vorgänger im Amte, der Scholaster Rudolf, war ein Mann von umfassendem Wissen und weitreichendem Ruhme gewesen, und hatte auch eine Zeit lang in Paris gelehrt. Gewiß nicht zufällig war nach diesem die Wahl auf O. gefallen. Als Scholaster war ihm die Leitung der Domschule unterstellt und als Magister ertheilte er Unterricht in den theologischen Wissenschaften. Doch war er unter Erzbischof Bruno auch politisch thätig und bekleidete die Stellung eines Kanzlers. Wie lange er noch in Köln gewesen, ist nicht sicher. Im J. 1207 finden wir ihn in Paris. Ob er in dieser Metropole der Wissenschaften längere Zeit verweilte oder sich nur vorübergehend dort aufhielt, kann ebenfalls nicht angegeben werden, wahrscheinlich ersteres. Hier erhielt er mit dem Decan und Archidiakon von Paris am 26. März 1207 durch Papst Innocenz III. den Auftrag, einen Streit zwischen dem Reimser Canonicus D. und dem Kloster des heiligen Remigius zu entscheiden (Potthast, Reg. pont. 3063). Mit seinem Aufenthalt in Frankreich verband er zugleich seine Bemühungen, gegen die Albigenser das Kreuz zu predigen. Die Zahl der Deutschen, welche an dem Glaubenskriege gegen diese theilnahmen, war keine kleine, und ist nicht ausgeschlossen, daß rein der Eifer für die heilige Sache unsern O. hierher getrieben. Doch ist sein Wirken gegen die Albigenser ganz dunkel. Wahrscheinlich hat er noch im J. 1207 Paris verlassen und sich nach dem Süden Frankreichs begeben. Am 30. Januar 1208 schrieb derselbe Papst an den Bischof von Genf und den Abt von Bonnevaux in der Diöcese Vienne und forderte sie auf dahin zu wirken, daß der Bischof von Grenoble dem Magister O. die Kirche in Epernay mit ihren Einkünften nicht länger vorenthielte (Potth. 3286). Es läßt sich mit ziemlicher Gewißheit annehmen, daß dieser Magister O. der unsere ist. Sein Aufenthalt hierselbst war aber nur ein kurzer. 1209 bis 1213 finden wir O. wieder im Erzstift Köln politisch und kirchlich thätig, wo er vielleicht besser am Platze erschien als im Auslande. Denn bald traten in Deutschland jene Wirren ein [306] zwischen dem jungen Staufer Friedrich und dem Kaiser Otto, welche besonders das nordwestliche Deutschland in Mitleidenschaft zogen, wo Otto an den Fürsten des Niederrheins eine Hauptstütze hatte. Die Schlacht bei Bouvines entschied zu Gunsten des Staufers. Otto verlor mehr und mehr seinen Anhang; sein kriegerisches Mißgeschick wandte ebenso seine Anhänger von ihm ab, wie der kirchliche Bann, der auf ihm lastete, und die Begeisterung, welche die gerade jetzt wieder von Innocenz III. angeordneten Kreuzpredigten gegen die Sarazenen hervorriefen. Dieser Papst hatte den Plan eines neuen regelrechten Kreuzzuges aufgegriffen und mit der ihm eigenen Thatkraft durchgeführt. Ueberall in den europäischen Kirchenprovinzen trafen die Legaten des päpstlichen Stuhles als Prediger des Kreuzzuges ein, andere wurden durch päpstliche Schreiben dazu ernannt und bestimmten Districten zugetheilt. Die Erzdiöcese Köln war dem Scholaster O. und dem Magister Hermann von Bonn zugefallen (Potth. 4727). O. begann im Frühjahr 1214 seine Thätigkeit. Am 26. Februar ist er in Lüttich und waltete seines Amtes durch Predigen, Sammeln von Geldbeiträgen beim Volke und durch Briefe an die Großen. Zwar fehlte es nicht an Spöttern, die ihm sein Amt erschwerten, aber durch seine hinreißende Beredsamkeit, die oft genug von seinen Zeitgenossen gerühmt wird, hatte er doch den besten Erfolg. Das Wunderzeichen einer Kreuzeserscheinung am Himmel in Suirhuisum und Dokkum in Friesland unterstützte seinen Eifer. In Lüttich, Brabant, Utrecht und Friesland finden wir ihn thätig, und freudig konnte er dem Grafen von Namur und dessen Gemahlin berichten, daß es ihm gelungen sei, 50 000 Friesen, darunter 8000 Knappen und 1000 gepanzerte Ritter, zur Annahme des Kreuzes zu bewegen, und das allein aus der Kölner Diöcese mehr als 3000 mit Pilgern, Lebensmitteln, Waffen und Kriegsgeräthen beladene Schiffe die Fahrt zum heiligen Lande unternehmen würden. Der Erfolg war enorm, zumal Innocenz gerade an die Bereitwilligkeit der seetüchtigen Stämme appellirt hatte. – 1215 finden wir O. wieder in Lüttich, wo er sich 3 Tage aufhielt und am Sonntag Exaudi (Mai 31) nicht nur ein angesetztes Turnier verhinderte, sondern auch treffliche Gelegenheit fand vor der in Erwartung des Festspiels herbeigeströmten riesigen Menschenmenge für die heilige Sache zu wirken. – Unterdeß hatte aber Innocenz III. das große Lateranconcil nach Rom berufen. Im November 1215 wurde dasselbe eröffnet. Unter den Anwesenden befand sich auch O., der mit dem Erzbischof Engelbert von Köln die Reise dorthin gemacht hatte. Heimgekehrt nahm er die Predigten wieder auf und durchwanderte dieselben Gegenden wie zwei Jahre vorher, brachte Briefe des Papstes mit und unterrichtete die Menschen über die in Rom getroffenen Bestimmungen; von seiner genaueren Thätigkeit fehlen die Nachrichten.
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