Bodenfarbe
Althergebrachte Ansichten sehen Rotwein im Zusammenhang mit rotem, Weißwein mit weißem oder grauem Boden. Zwar scheint diese Vorstellung auf den ersten Blick richtig zu sein, doch gibt es viele Ausnahmen. Alle Versuche, den augenscheinlichen Zusammenhang zu erklären, sind rein spekulativ.
Gewiß aber hat die Bodenfarbe Einfluß auf die Temperatur im und unmittelbar über dem Boden. Dunkle Böden absorbieren die einfallende Sonnenlichtenergie stark und setzen sie in Wärme um. Sie reflektieren zwar weniger Licht als helle Böden, strahlen aber bei Nacht und bei Bewölkung mehr Wärme ab. Im kühlen Klima kommt das den Rotweintraubensorten, die im allgemeinen mehr Wärme zum vollen Ausreifen benötigen als Weißweintrauben, besonders zugute. Ein gutes Beispiel für die Nutzung dieser thermischen Eigenschaften liefert Deidesheim in der Pfalz, wo dunkles Basaltgestein auf den Weinbergböden ausgebracht wird, was zur Entstehung von Weinen mit ungewöhnlicher Süße beiträgt.
In dem ansonsten sehr kühlen Anbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer verhilft dunkelgrauer Schiefer dem Riesling zu vollerer Reife. In Belgien, an der äußersten nördlichen Grenze des europäischen Weinbaus, können (wie man sagt) Trauben nur noch auf bituminösen Schieferböden reifen. Andererseits wachsen im heißen Klima Südspaniens die besten Sherrytrauben auf den kreideweißen Albariza-Böden von Jerez.
Allerdings ist das Verhältnis von Bodenfarbe zur temperaturmäßigen Eignung für den Weinbau nicht eindeutig. So werden in manchen heißen Gegenden rötlichbraune Böden für den Weinbau bevorzugt genutzt (z.B. Hunter Valley in Neusüdwales, Swan Valley in Westaustralien). Vermutlich bringt die Wärmeabstrahlung am Abend und bei bedecktem Himmel für Reben immer noch Vorteile, obwohl sich die Tageshitze ungünstig auswirkt.
Besondere Spekulationen befassen sich mit dem vom Boden auf Laub und Trauben reflektierten Licht, worüber aber relativ wenig gesichertes Wissen vorliegt.
Die Farbe ist auch ein brauchbarer Indikator für sonstige Bodeneigenschaften. Schwarz weist beispielsweise auf einen hohen Gehalt an Mineralien bzw. an organischen Stoffen hin. Rote oder braune Färbung wird durch Eisenoxid hervorgerufen und bildet normalerweise einen Hinweis auf guten Wasserabzug, denn bei Staunässe wird Eisen zu farblosen Formen reduziert, die wegen ihrer besseren Wasserlöslichkeit ausgewaschen werden. Eine graue Bodenoberfläche zeigt das Absickern der Eisenverbindungen in die Tiefe an, wo sie oft in einem schweren Unterboden abgelagert sind.
Die Farbe des Unterbodens ist ein besonders wichtiger Indikator. Außer wenn er weitgehend aus Kreide oder Kalkstein in verwitterter Form besteht, weist ein weißer, grauer oder gefleckter Unterboden auf für den Weinbau ungenügende Durchlässigkeit hin, zumindest aber auf die Notwendigkeit, für guten Wasserabzug zu sorgen.
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