In der neunten Klasse hatten wir französische Revolution, da bin ich total drauf abgefahren. Alle sozialliberale Mäßigungspolitik unseres Lehrers half nichts, mein pubertäres Projektionsdenken, das im Bereich Popmusik eher brach lag, fokussierte sich auf Marat, Robespierre, Danton und den Rest der coolen Gang. Selbst le Terreur, die bluttriefende Reinigungswelle, die seit dem September 1793 durch Frankreich wogte, erschien mir wie ein ehrenvoller Versuch, um des großen Ganzen willen eine Maschinerie anzuwerfen, die nur allzu folgerichtig ihre eigenen Initiatoren fressen musste, dem Ziel einer permanenten Revolution zuliebe. Auch die roten Garden Chinas, die mir als aktuelleres mahnendes Beispiel vor Augen geführt wurden, erschienen mir einfach als eine maoistische Prepunk-Bewegung, die auch folgerichtig etwa mit dem Aufstieg der Sex Pistols zu Ende ging. Napoleon war dann schon wieder doof. Angriffskriege, komplizierte diplomatische Rankünen und über allem diese alberne Handhaltung. Viel von meiner Begeisterung von damals ist zwar nicht geblieben, mein Verständnis für die Durchglühung, die eine Trias aus kollektiver Gewalt, sozialer Umgestaltung und nationalem Pathos in jungen Köpfen erzeugen kann, wurde aber nachhaltig gefestigt.
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